Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27.10.2021 - 2 K 1415/21 =
SIS 22 00 83 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Beteiligten streiten um die
Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7
der Abgabenordnung (AO) und begehren ein Einschreiten der
Datenschutzaufsichtsbehörde.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden beim Finanzamt … (FA) steuerlich
geführt. Mit diesem führen sie eine streitige
Auseinandersetzung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen
Säumniszuschläge.
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Im Zusammenhang mit
Vollstreckungsmaßnahmen wegen der Nichtzahlung der
Säumniszuschläge versandte das FA am 16.12.2019 eine
Pfändungs- und Einziehungsverfügung an die X-Bank.
Nachdem eine Drittschuldnererklärung der X-Bank zunächst
nicht beim FA einging, veranlasste das FA am 21.01.2020 eine
Kontenabfrage beim Bundeszentralamt für Steuern.
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Die Kläger wandten sich an den
Beklagten und Revisionsbeklagten (den Bundesbeauftragten für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Beklagter - ) mit
einer Beschwerde. Sie trugen unter anderem vor, das FA habe die
nicht rechtskräftig titulierten Säumniszuschläge
beitreiben wollen, ohne den rechtskräftigen Ausgang eines
eingelegten Rechtsmittels abzuwarten. Der Kontenabruf verletze ihre
Datenschutzrechte. Das FA habe zunächst eine
Vermögensauskunft bei ihnen einholen müssen.
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Der Beklagte teilte nach Ermittlung des
Sachverhalts den Klägern mit, er halte den durchgeführten
Kontenabruf für plausibel und rechtmäßig. Es habe
sich um eine nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e, Abs. 2, 3 der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), § 29b Abs. 1 AO und
§ 85 AO zulässige Datenverarbeitung gehandelt.
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6
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Am 29.06.2021 erließ der Beklagte
einen Bescheid, mit dem die Beschwerde der Kläger abgewiesen
wurde. Die Kontenabfrage des FA wertete der Beklagte als
datenschutzrechtlich zulässig. Das FA habe sein Ermessen vor
dem Hintergrund der bisherigen Zahlungs- und
Vollstreckungserfahrungen mit den Klägern fehlerfrei
ausgeübt.
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Die von den Klägern nachfolgend beim
Finanzgericht (FG) erhobene Klage, mit der sie die Aufhebung des
Bescheids vom 29.06.2021 und die Festsetzung von Geldbußen
begehrten, wurde mit Urteil vom 27.10.2021 - 2 K 1415/21 (EFG 2022,
230 = SIS 22 00 83) als unbegründet abgewiesen. Eine
inhaltliche Überprüfung der Beschwerdeentscheidung einer
datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde sei in der
Datenschutz-Grundverordnung nicht vorgesehen. Bei dem
Beschwerderecht nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO handele es sich um ein
petitionsähnlich ausgestaltetes Recht, das nur
eingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliege. Gegen eine
inhaltliche Prüfung der aufsichtsrechtlichen Entscheidung
spreche insbesondere der Umstand, dass dem Betroffenen neben seinem
Beschwerderecht gegenüber der Aufsichtsbehörde
regelmäßig auch die Möglichkeit eingeräumt
sei, gegenüber dem Verantwortlichen selbst um Rechtsschutz
nachzusuchen. Der Beklagte habe sich mit dem Anliegen der
Kläger inhaltlich befasst und diesen das Ergebnis mitgeteilt.
Ein weitergehender Anspruch der Kläger bestehe nicht. Dass die
datenschutzrechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den
Beklagten völlig fernliegend und willkürlich sei, sei
nicht ersichtlich. Gemäß § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4
AO dürfe ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen
durchgeführt werden, wenn er unter anderem zur Erhebung von
bundesgesetzlich geregelten Steuern erforderlich sei.
Gemäß § 93 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 AO dürfe
das Abrufersuchen nur dann erfolgen, wenn ein Auskunftsersuchen an
den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt habe oder keinen
Erfolg verspreche. Die Bewertung des Beklagten, das FA habe
aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen dürfen, dass
ein Auskunftsersuchen an die Kläger keinen Erfolg verspreche,
sei weder fernliegend noch willkürlich, sondern sogar
ausdrücklich nachvollziehbar.
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Mit ihrer Revision bringen die Kläger
vor: Die Auffassung des FG sei unzutreffend. Das FA vollstrecke,
obwohl die streitigen Säumniszuschläge und Zinsen noch
gar nicht rechtskräftig bestätigt seien. Der Kontenabruf
sei dafür gar nicht notwendig gewesen. In ihrem Fall habe das
FA in die ihm seit langem bekannte Kontoverbindung vollstreckt, was
zur vollständigen Tilgung der Rückstände
geführt habe. Zu der Kontenabfrage sei das FA daher nicht
berechtigt gewesen. Weiter sei ihr Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 des
Grundgesetzes verletzt. Der Rechtsbehelf des Art. 78 Abs. 1 DSGVO
mache nur Sinn, wenn damit auch eine inhaltliche Prüfung des
Beschlusses durch das angerufene Gericht möglich sei. Art. 78
Abs. 1 DSGVO diene gerade der gerichtlichen Überwachung der
Arbeit des Beklagten. Es werde ein „wirksamer
Rechtsbehelf“ verlangt. Die Auffassung des
Beklagten bedeute, dass ein FA aus beliebigen Gründen und wann
es dies für seine Interessen für sinnvoll halte, einen
Kontenabruf tätigen könne.
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9
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Die Kläger beantragen
sinngemäß,
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das Urteil des FG Köln vom 27.10.2021
- 2 K 1415/21 und den Bescheid des Beklagten vom 29.06.2021
aufzuheben und über seine Beschwerde unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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11
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Das angefochtene Urteil beruhe weder auf
einem fehlerhaften Prüfungsmaßstab noch auf einer
fehlerhaften Anwendung der Abgabenordnung oder der Grundrechte. Den
den Klägern zukommenden Befassungsanspruch habe der Beklagte
mit dem Bescheid vom 29.06.2021 vollumfänglich erfüllt.
Der petitionsähnliche Befassungsanspruch nach Art. 77 DSGVO
unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Art.
57 Abs. 1 Buchst. f DSGVO sehe vor, dass die
Datenschutzaufsichtsbehörde den Gegenstand der Beschwerde in
angemessenem Umfang untersuche und den Beschwerdeführer in
angemessener Frist über den Fortgang und das Ergebnis der
Untersuchung unterrichte. Der Aufsichtsbehörde stehe ein
weiter Ermessenspielraum zu, wie sie mit einer Beschwerde verfahre.
Einen darüber hinausgehenden Anspruch begründe das
Beschwerderecht nicht. Ein Beschwerdeführer könne daher
grundsätzlich (nur) beanspruchen, dass sich die
Datenschutzaufsichtsbehörde mit seiner Beschwerde
überhaupt befasse und ihn innerhalb der dort genannten
Zeiträume über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde
unterrichte. Gegen eine inhaltliche Überprüfung spreche
auch die dem Betroffenen neben seinem Beschwerderecht
gegenüber der Aufsichtsbehörde eingeräumte
Möglichkeit, nach Maßgabe des Art. 79 DSGVO selbst
gegenüber dem Verantwortlichen um Rechtsschutz nachzusuchen.
Unabhängig von der Frage des Prüfungsmaßstabs habe
sich das FG nicht auf eine reine Willkürkontrolle
beschränkt. Stattdessen habe es die Entscheidung des Beklagten
inhaltlich geprüft und diese für zutreffend gehalten. Im
Übrigen erweise sich die Beschwerdeentscheidung auch als
rechtmäßig. Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum eine
vollständige gerichtliche Überprüfung verlangt
werde, habe das FG zu Recht einen Verstoß gegen § 93
Abs. 8 AO, § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 AO
abgelehnt.
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II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
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1. Die Entscheidung des FG ist aufzuheben. Das
FG ist fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine gerichtliche
Überprüfung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde
nur in beschränktem Umfang stattfindet und insbesondere eine
gerichtliche Überprüfung, ob die Beschwerdeentscheidung
des Beklagten auch inhaltlich zutreffend ist, ausscheidet. Denn
Art. 78 DSGVO erfordert eine vollumfängliche gerichtliche
Überprüfung der Beschwerdeentscheidung der
Aufsichtsbehörde.
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a) Nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO hat jede
natürliche oder juristische Person unbeschadet eines
anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen
Rechtsbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen
Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen
Beschluss einer Aufsichtsbehörde. Dieses Recht besteht auch,
wenn eine Beschwerde gemäß Art. 77 DSGVO
zurückgewiesen wird (vgl. Art. 77 Abs. 2 DSGVO).
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Art. 78 DSGVO fordert einen „wirksamen
gerichtlichen Rechtsbehelf“ gegen eine
Aufsichtsbehörde. Die Regelung gewährleistet ein hohes
Schutzniveau der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden
Rechte. Dies hat anhand der nationalen Verfahrensvorschriften zu
erfolgen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union
- EuGH - Budapesti Elektromos Mûvek vom 12.01.2023 -
C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 43, 45 und SCHUFA Holding vom 07.12.2023
- C-26/22, EU:C:2023:958, Rz 51).
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Ziel der Datenschutz-Grundverordnung ist, ein
gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau zu
gewährleisten. Das Schutzniveau soll in allen Mitgliedstaaten
gleichwertig sein (Erwägungsgrund 10 der DSGVO). Ein
unionsweit wirksamer Schutz personenbezogener Daten erfordert die
Stärkung und präzise Festlegung der Rechte der
betroffenen Personen sowie eine Verschärfung der
Verpflichtungen für diejenigen, die personenbezogene Daten
verarbeiten und darüber entscheiden (Erwägungsgrund 11
der DSGVO). Nach Erwägungsgrund 141 der DSGVO sollte jede
betroffene Person das Recht haben, bei einer Aufsichtsbehörde
eine Beschwerde einzureichen und einen wirksamen gerichtlichen
Rechtsbehelf einzulegen, wenn sie sich in ihren Rechten aus der
Datenschutz-Grundverordnung verletzt sieht, die
Aufsichtsbehörde auf ihre Beschwerde hin nicht tätig wird
oder die Beschwerde ganz oder teilweise abweist. In dem
gerichtlichen Verfahren gegen eine Aufsichtsbehörde soll das
zuständige Gericht eine uneingeschränkte
Zuständigkeit besitzen, was die Zuständigkeit,
sämtliche für den anhängigen Rechtsstreit
maßgebliche Sach- und Rechtsfragen zu prüfen,
einschließt (vgl. Erwägungsgrund 143 der DSGVO sowie
EuGH-Urteile Budapesti Elektromos Mûvek vom 12.01.2023 -
C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 41 ff. und SCHUFA Holding vom 07.12.2023
- C-26/22, EU:C:2023:958, Rz 52). Die Datenschutz-Grundverordnung
legt mithin den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, ein hohes
Schutzniveau zu gewährleisten.
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Die Ausgestaltung des Rechtsschutzes darf
dabei nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für
entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der
Äquivalenz) und die Ausübung der durch die
Datenschutz-Grundverordnung gewährten Rechte nicht praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren
(Grundsatz der Effektivität, vgl. EuGH-Urteile EPIC Financial
Consulting vom 14.07.2022 - C-274/21 und C-275/21, EU:C:2022:565,
Rz 73, m.w.N. und Budapesti Elektromos Mûvek vom 12.01.2023 -
C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 48; vgl. auch BeckOK
Datenschutzrecht/Mundil, 46. Ed. [Stand 01.11.2021], DSGVO Art. 78
Rz 13). Daher kann Art. 78 DSGVO nicht dahin ausgelegt werden, dass
die gerichtliche Überprüfung einer
aufsichtsbehördlichen Beschwerdeentscheidung darauf
beschränkt ist, ob die Behörde sich mit der Beschwerde
befasst, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang
untersucht und den Beschwerdeführer über das Ergebnis der
Prüfung in Kenntnis setzt. Vielmehr muss die
aufsichtsbehördliche Beschwerdeentscheidung, damit ein
gerichtlicher Rechtsbehelf „wirksam“
ist, einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung
durch ein Gericht unterliegen (vgl. EuGH-Urteil SCHUFA Holding vom
07.12.2023 - C-26/22, EU:C:2023:958, Rz 53; Urteil des
Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 07.10.2019 - 5 Bf 279/17,
Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland
2020, 285, Rz 63 ff; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4.
Aufl., Art. 78 DSGVO Rz 11; Nemitz in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2.
Aufl., Art. 78 Rz 9; Körffer in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3.
Aufl., Art. 78 DSGVO Rz 5; Boehm in Simitis/Hornung/Spiecker gen.
Döhlmann, Datenschutzrecht, 1. Aufl., Art. 78 DSGVO Rz 5;
Piltz, Datenschutz-Berater - DSB - 2020, 68, 70; Halder/Heß,
juris PraxisReport IT-Recht - jurisPR-ITR - 14/2021, Anm. 6, unter
C.; Halder, jurisPR-ITR 7/2021, Anm. 3, unter C.;
Härting/Flisek/Thiess, Computer und Recht 2018, 296,
300).
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Gemäß dem in Art. 4 Abs. 3 des
Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz
der loyalen Zusammenarbeit haben die Gerichte der Mitgliedstaaten
den gerichtlichen Schutz der Rechte zu gewährleisten, die im
Einzelnen aus der Datenschutz-Grundverordnung erwachsen. Insoweit
darf das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union verankerte Recht auf einen wirksamen
Rechtsbehelf nicht beeinträchtigt werden. Dies gilt
insbesondere auch für die in Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1
DSGVO vorgesehenen Rechtsbehelfe (vgl. EuGH-Urteile Puskár
vom 27.09.2017 - C-73/16, EU:C:2017:725 = SIS 18 06 60, Rz 76 und Budapesti Elektromos
Mûvek vom 12.01.2023 C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 50 f.;
Pötters/Werkmeister in Gola/Heckmann, DS-GVO BDSG, 3. Aufl.,
Art. 78 DSGVO Rz 1; Boehm in Simitis/Hornung/Spiecker gen.
Döhlmann, Datenschutzrecht, 1. Aufl., Art. 78 DSGVO Rz 5).
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b) Die von der Vorinstanz vertretene Ansicht,
eine Beschwerdeentscheidung nach Art. 77 DSGVO unterliege (nur)
einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle, und eine
inhaltliche Überprüfung der Beschwerdeentscheidung
scheide demzufolge aus, widerspricht diesen Grundsätzen. Die
obengenannten Grundsätze erfordern stattdessen eine
vollständige Überprüfung der Beschwerdeentscheidung
des Beklagten nach Maßgabe des nationalen (deutschen)
Prozessrechts (vgl. Nemitz in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl.,
Art. 78 Rz 9). Art. 77 DSGVO begründet ein
subjektiv-öffentliches Recht auf Überprüfung einer
Maßnahme durch eine Aufsichtsbehörde (vgl. dazu Sydow in
Sydow/Marsch, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 77 DSGVO Rz 18; Piltz,
DSB 2020, 68). Es dient dem effektiven Schutz der Rechte von
betroffenen Personen im Anwendungsbereich der
Datenschutz-Grundverordnung (vgl. Nemitz in Ehmann/Selmayr, DS-GVO,
2. Aufl., Art. 77 Rz 1). Dies muss über das nationale
Prozessrecht gewährleistet werden (vgl. Schneider in
Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl.,
Art. 78 DSGVO Rz 73). Die von der Vorinstanz vertretene Annahme
einer nur eingeschränkten richterlichen Kontrolle
schränkt dieses Recht eines Beschwerdeführers im Hinblick
auf eine vollständige Nachprüfung in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht ein.
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Die vom FG vertretene Annahme eines
bloßen Petitions- oder Befassungsrechts und der damit
verbundene eingeschränkte Prüfungsmaßstab bewirken
eine Schwächung des Schutzes natürlicher Personen bei der
Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und erschweren die
europaweite Durchsetzbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung (vgl.
auch Nemitz in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 77 Rz 2).
Denn ein Petitionsrecht räumt dem Betroffenen keinen Anspruch,
auch nicht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung ein. Vielmehr
hat nach den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung das Gericht
die Beschwerdeentscheidung in vollem Umfang nach Maßgabe des
nationalen Prozessrechts - mithin auf datenschutzrechtliche
Regelungen des Europarechts und des nationalen Rechts - zu
überprüfen.
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2. Das FG hat weiter nicht geprüft, ob
der Beklagte zutreffend angenommen hat, dass der Kontenabruf nach
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e, Abs. 2, 3 DSGVO i.V.m. § 29b
Abs. 1 AO datenschutzrechtlich zulässig ist.
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22
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a) Die Verarbeitung personenbezogener Daten
ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6
Abs. 1 DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist (Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt; statt vieler Wackerbeck in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 29b AO Rz 9, m.w.N.). Dies
ist unter anderem nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DSGVO der
Fall, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe
erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in
Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem
Verantwortlichen übertragen wurde. Hierfür bedarf es
gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSGVO einer Rechtsgrundlage,
die entweder durch das Unionsrecht (Buchst. a) oder durch das Recht
der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt (Buchst.
b), festgelegt wird. Das Unionsrecht oder das Recht der
Mitgliedstaaten müssen ferner ein im öffentlichen
Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen
Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen (Art. 6
Abs. 3 Satz 4 DSGVO).
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23
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Das Steuerverfahrensrecht sieht mit § 29b
AO eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage zur Verarbeitung
personenbezogener Daten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e
DSGVO vor. Nach § 29b Abs. 1 AO ist die Verarbeitung
personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde
zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden
Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr
übertragen wurde, erforderlich ist. Die Vorschrift des §
29b AO legitimiert die Finanzbehörden unter den dort genannten
Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht
betreffende Maßnahmen zur Verarbeitung personenbezogener
Daten (vgl. dazu Senatsurteil vom 05.09.2023 - IX R 32/21 =
SIS 23 17 75, zur amtlichen
Veröffentlichung vorgesehen, Rz 21 ff.).
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Rechtsgrundlage für die hier in Streit
stehende Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist § 93
Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 AO. Danach ist ein automatisierter
Abruf von Konteninformationen (§ 93b AO) zulässig, soweit
der Abruf zur Erhebung bundesgesetzlich geregelter Steuern
erforderlich ist. Ein Abrufersuchen darf nur dann erfolgen, wenn
ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel
geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Eine nach §
29b AO zulässige Verarbeitung liegt daher dann vor, wenn der
Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 AO zur
Erfüllung einer dem FA obliegenden Aufgabe oder in
Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihm übertragen
wurde, erforderlich war.
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Dies kann zum Beispiel die Beitreibung nicht
gezahlter Steuern im Rahmen des Erhebungsverfahrens sein. Denn
insoweit sind die Finanzbehörden zur Vorbereitung der
Vollstreckung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 AO befugt, die
Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Eine
zulässige Ermittlungsmaßnahme stellt der Kontenabruf
nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 AO dar. Werden die auf
diese Weise ermittelten personenbezogenen Daten zur Erfüllung
der dem FA obliegenden Aufgabe der Vollstreckung bundesgesetzlich
geregelter Steuern verarbeitet, ist dies von § 29b AO gedeckt
und mithin nicht zu beanstanden.
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Allerdings ist die Verarbeitung
personenbezogener Daten nicht im Sinne von § 29b Abs. 1 AO
erforderlich, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93
Abs. 7 AO offensichtlich nicht gegeben sind.
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b) Das FG hat nicht geprüft, ob der
Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.06.2021 zu Recht zu
dem Ergebnis gekommen ist, dass für das FA als
Verantwortlicher im Sinne von § 2a Abs. 3 AO i.V.m. Art. 4 Nr.
7 DSGVO der Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4, Satz 2
AO erforderlich war und das FA zu diesem Zweck die Kläger
betreffende personenbezogene Daten verarbeiten durfte. Denn mit der
Kontenabfrage hat das FA Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO
erhoben, abgefragt und verwertet. Diese Verarbeitung ist nur
rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e
DSGVO, wenn der erfolgte Kontenabruf von § 29b AO gedeckt war.
Dies ist der Fall, wenn die mit dem Kontenabruf einhergehende
Verarbeitung personenbezogener Daten durch das FA zur
Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe erforderlich ist.
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28
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3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst
abschließend entscheiden. Die Sache ist nicht spruchreif und
daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen. Aufgrund der vom FG getroffenen
Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Beklagte die
Beschwerde der Kläger nach Art. 77 DSGVO zu Recht
zurückgewiesen hat. Für den weiteren Fortgang im
Verfahren weist der Senat dabei auf Folgendes hin:
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Das FG hat die Beschwerdeentscheidung des
Beklagten nach Art. 78 DSGVO auf der Grundlage des nationalen
Verfahrensrechts vollumfänglich zu überprüfen.
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30
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a) Rechtsgrundlage der
streitgegenständlichen Beschwerdeentscheidung ist Art. 57 Abs.
1 Buchst. f DSGVO. Welcher Untersuchungsumfang im Rahmen des
Amtsermittlungsgrundsatzes bei der Bearbeitung einer Beschwerde als
„in angemessenen Umfang“ anzusehen ist,
regelt Art. 57 DSGVO nicht. Aus Erwägungsgrund 141 Satz 2 der
DSGVO folgt, dass die Untersuchung vorbehaltlich gerichtlicher
Überprüfung so weit gehen soll, wie dies im Einzelfall
angemessen ist. Maßstab für den Umfang der Ermittlungen
sind danach insbesondere die individuelle Bedeutung der Sache und
die Schwere des in Rede stehenden Verstoßes. Insoweit steht
der Aufsichtsbehörde ein Ermessen zu (vgl. u.a. BeckOK
Datenschutzrecht/Eichler/Matzke, 46. Ed. [Stand 01.08.2023], DSGVO
Art. 57 Rz 17 und BeckOK Datenschutzrecht/Mundil, 46. Ed. [Stand
01.11.2021], DSGVO Art. 77 Rz 14 f.; Boehm in Kühling/Buchner,
DS-GVO BDSG, 4. Aufl., Art. 57 DSGVO Rz 11 f. und Bergt in
Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl., Art. 77 DSGVO Rz 16;
Körffer in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 77 DSGVO Rz
5). Dieses Ermessen ist nach Maßgabe des § 102 FGO zu
überprüfen.
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Einen Pflichtenkatalog, wie die
Aufsichtsbehörde mit der Beschwerde zu verfahren hat,
enthält Art. 77 DSGVO nicht (vgl. u.a. BeckOK
Datenschutzrecht/Mundil, 46. Ed. [Stand 01.11.2021], DSGVO Art. 77
Rz 14; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 4. Aufl., Art.
77 DSGVO Rz 17). Die Untersuchung selbst hat nach der
Rechtsprechung des EuGH in angemessenem Umfang und mit aller
gebotenen Sorgfalt zu erfolgen (vgl. EuGH-Urteile Facebook Ireland
und Schrems vom 16.07.2020 - C-311/18, EU:C:2020:559, Rz 111 und
SCHUFA Holding vom 07.12.2023 - C-26/22, EU:C:2023:958, Rz 56).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufsichtsbehörde
nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DSGVO zur Durchsetzung der
Datenschutz-Grundverordnung verpflichtet ist.
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Bei festgestellten Verstößen gegen
datenschutzrechtliche Normen ist die Aufsichtsbehörde in der
Regel gehalten, mit dem Ziel der Abstellung des Verstoßes
Maßnahmen zu ergreifen (Art. 58 Abs. 2 DSGVO, vgl.
EuGH-Urteile Facebook Ireland und Schrems vom 16.07.2020 -
C-311/18, EU:C:2020:559 Rz 111 und SCHUFA Holding vom 07.12.2023 -
C-26/22, EU:C:2023:958, Rz 57). Stellt die Aufsichtsbehörde
keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest,
hat sie den Beschwerdeführer innerhalb des in Art. 78 Abs. 2
DSGVO genannten Zeitraums über den Stand und das Ergebnis der
Beschwerde zu unterrichten.
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b) Das FG hat mithin im zweiten Rechtszug
darüber zu befinden, ob der Beklagte diese Pflichten bei der
Bearbeitung der Beschwerde der Kläger erfüllt hat. Dazu
gehört die Überprüfung, ob der Beklagte den
Sachverhalt ermittelt, das Beschwerdevorbringen der Kläger zur
Kenntnis genommen und anschließend den gesamten Sachverhalt
in datenschutzrechtlicher Hinsicht geprüft und bewertet hat.
Dazu hat das FG zu prüfen, ob der Beklagte zutreffend die
Vereinbarkeit der streitigen Verarbeitung personenbezogener Daten
mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e, Abs. 2, 3 DSGVO i.V.m. §
29b Abs. 1 AO bejaht hat. Dies beinhaltet die Frage, ob die mit dem
Kontenabruf einhergehende Verarbeitung personenbezogener Daten zur
Erfüllung einer dem FA obliegenden Aufgabe erforderlich
ist.
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4. Die Übertragung der Entscheidung
über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das FG beruht auf
§ 143 Abs. 2 FGO.
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