Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.10.2021 - 16 K
5148/20 = SIS 22 03 99
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Streitig ist, inwiefern aus Art. 15 Abs.
3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Anspruch auf
Zurverfügungstellung von (elektronischen) Kopien von
Steuerakten mit personenbezogenen Daten besteht.
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Mit E-Mail vom 14.10.2020 beantragte der
Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Zusammenhang
mit dem beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) unter dem
Aktenzeichen 5 K 5093/20 geführten - inzwischen
rechtskräftig abgeschlossenen - Klageverfahren wegen der
Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge 2013 bis 2015
gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA
- ) unter Berufung auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO die elektronische
Zurverfügungstellung der folgenden Verwaltungsvorgänge:
Verwaltungsakten, Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten,
etwaige Handakten, hilfsweise die Überlassung von Kopien
personenbezogener Daten, die Gegenstand der Verarbeitung der
Gewerbesteuermessbescheide 2013 bis 2015 sind. Das FA lehnte dieses
Begehren mit Schreiben vom 21.10.2020 ab. Die hiergegen erhobene Klage
blieb aus den in EFG 2022, 586 = SIS 22 03 99 abgedruckten Gründen ohne Erfolg.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit
seiner Revision, mit der er insbesondere die Verletzung materiellen
Rechts rügt. Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO erwachse ein
gegenüber dem Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO
eigenständiger Anspruch auf Zurverfügungstellung von
Kopien der Verwaltungsakten des FA, soweit darin personenbezogene
Daten enthalten seien. Auch sei das Begehren auf
Zurverfügungstellung der Kopien nicht exzessiv. Wegen der
elektronischen Beantragung seien die Kopien in einem gängigen
elektronischen Format zu übermitteln.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
27.10.2021 - 16 K 5148/20 aufzuheben und das FA zu verurteilen,
elektronische Kopien der Verwaltungsvorgänge zu den
Gewerbesteuermessbeträgen 2013 bis 2015 (Verwaltungsakten,
Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten als auch etwaige
Handakten, alle inklusive sämtlicher Gesprächsnotizen und
Telefonvermerke über die Person des Klägers), hilfsweise
als unentgeltliche physische Kopie, zur Verfügung zu
stellen.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Infolge der Beendigung des Verfahrens wegen
der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge 2013 bis 2015 sei
das Rechtsschutzbedürfnis in Hinblick auf den Erhalt der
begehrten Auskunft entfallen. Dem Auskunftsbegehren stehe
außerdem entgegen, dass dessen Erfüllung mit einem
unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei.
Jedenfalls könne anstatt Kopien zur Verfügung zu stellen,
Akteneinsicht gewährt werden, um das Auskunftsbegehren zu
erfüllen.
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Das FA hat dem Kläger die
elektronische Übersendung einer Aufstellung mit seinen
personenbezogenen Daten angeboten. Auf dieses Angebot ist der
Kläger nicht eingegangen.
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II. Die Revision ist zulässig.
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Anders als das FA meint, ist für das
Begehren des Klägers auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO
wegen der Beendigung des unter dem Aktenzeichen 5 K 5093/20
geführten Klageverfahrens betreffend die Festsetzung der
Gewerbesteuermessbeträge 2013 bis 2015 nicht das
Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Der Auskunftsanspruch nach
Art. 15 DSGVO ist eigenständig und nicht von einem
anderweitigen Verwaltungs- oder Rechtsbehelfsverfahren
abhängig. Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 DSGVO ist Zweck
des Auskunftsanspruchs, dass sich die betroffene Person der
Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bewusst sei und die
Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen
Daten überprüfen kann.
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III. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Zwar hat das FG die Zulässigkeit der
Klage im Ergebnis zu Recht bejaht (dazu unter 1.). Zudem ist dem FG
zuzustimmen, dass die Datenschutz-Grundverordnung auch im Bereich
der direkten Steuern zur Anwendung kommt (dazu unter 2.). Das FG
hat jedoch Art. 15 Abs. 3 DSGVO (dazu unter 3.) sowie Art. 12 Abs.
5 Satz 2 und Satz 3 DSGVO (dazu unter 4.) rechtsfehlerhaft
angewendet. Aufgrund der vorgenannten Rechtsfehler ist das Urteil
aufzuheben. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht
aus anderen Gründen als rechtmäßig (dazu unter 5.).
Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG nicht sämtliche
für eine abschließende Prüfung erforderlichen
Feststellungen getroffen hat (dazu unter 6.).
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1. Die Klage ist zulässig. Ob die Klage
auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten
nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO als Verpflichtungsklage nach § 40
Abs. 1 Variante 2 FGO, als allgemeine Leistungsklage nach § 40
Abs. 1 Variante 3 FGO oder als allgemeine Leistungsklage kombiniert
mit einer Anfechtungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage gegen
die Ablehnung des Begehrens durch das FA statthaft ist, kann im
vorliegenden Verfahren dahinstehen (für Verpflichtungsklage:
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 30.11.2022 - 6
C 10.21, BVerwGE 177, 211 = SIS 23 06 41, Rz 14; vgl. zur Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs
nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO BVerwG-Urteil vom 16.09.2020 - 6 C 10.19
= SIS 20 19 16, Rz 12; Krumm in
Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz 23; zur Ablehnung des Antrags auf
Erörterung des Sach- und Rechtsstands gemäß §
364a der Abgabenordnung - AO - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 11.04.2012 - I R 63/11, BFHE 237, 29, BStBl II 2012, 539 = SIS 12 16 34, Rz 13 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 16.12.1987 - I R
66/84, BFH/NV 1988, 319 = SIS 88 10 28, unter 3.a zur Ablehnung
eines Antrags auf Überlassung von Fotokopien der schriftlichen
Erklärungen von Zeugen; für allgemeine Leistungsklage
vgl. BFH-Urteil vom 05.10.2006 - VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl
II 2007, 243 = SIS 06 48 80, unter II.1.; BVerwG-Urteil vom
20.08.2003 - 8 C 13.02, m.w.N.; zur Kombination von allgemeiner
Leistungsklage und Anfechtungs- beziehungsweise Verpflichtungsklage
vgl. von Beckerath in Gosch, FGO § 40 Rz 123; Braun in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 134;
Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz
34). Denn die jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen der
unterschiedlichen Klagearten liegen vor. Insbesondere ist ein nach
§ 44 FGO für die Verpflichtungsklage vorausgesetztes
Vorverfahren nach § 32i Abs. 9 Satz 1 AO entbehrlich. Zudem
hat der Kläger auch bereits vor Erhebung der Klage sein
Begehren auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener
Daten an das FA gerichtet, welches dieses abgelehnt hat, sodass
auch das für eine allgemeine Leistungsklage erforderliche
allgemeine Rechtsschutzbedürfnis vorliegt.
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2. Die Verarbeitung personenbezogener Daten
natürlicher Personen (als betroffene Person im Sinne von Art.
4 Nr. 1 DSGVO) durch das FA (als Verantwortlicher im Sinne von Art.
4 Nr. 7 Halbsatz 1 DSGVO) im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens
unterliegt unabhängig von der Steuerart den Vorgaben der
Datenschutz-Grundverordnung.
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a) Als Verordnung der Europäischen Union
(EU) ist die Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 288 Abs. 2 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in
jedem Mitgliedstaat.
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b) Sachlich gilt die
Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO für die
ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener
Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung
personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind
oder gespeichert werden sollen.
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aa) Die zu den Steuerpflichtigen von der
Finanzverwaltung verarbeiteten Daten enthalten auch
personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Denn die
von der Finanzverwaltung verarbeiteten Daten enthalten
Informationen, die sich auf eine jedenfalls identifizierbare
natürliche Person beziehen. Dies gilt insbesondere, wenn es
sich - wie vorliegend - um die Steuerakten einer natürlichen
Person handelt.
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bb) Der Anwendung der
Datenschutz-Grundverordnung steht nicht entgegen, dass
personenbezogene Daten in Akten enthalten sind, die von der
Finanzverwaltung (noch) in Papierform geführt werden.
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Eine teilweise automatisierte Verarbeitung
liegt vor, wenn die personenbezogenen Daten teilweise manuell und
teilweise automatisiert verarbeitet werden. Der Schutz der
personenbezogenen Daten soll nach Erwägungsgrund 15 Satz 1
DSGVO technologieneutral erfolgen. Insbesondere soll der Schutz
nach Erwägungsgrund 15 Satz 2 DSGVO auch für die manuelle
Verarbeitung personenbezogener Daten gelten. Dem entsprechend hat
der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie
95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 281 vom
23.11.1995, S. 31 - Datenschutz-Richtlinie oder Datenschutz-RL - )
entschieden, dass diese genauso für die automatisierte wie
für die manuelle Verarbeitung personenbezogener Daten gilt,
damit der Schutz, den sie den von der Datenverarbeitung betroffenen
Personen verleiht, nicht von den verwendeten Techniken abhängt
und keine Risiken der Umgehung dieses Schutzes entstehen
(EuGH-Urteil Jehovan todistajat vom 10.07.2018 - C-25/17,
EU:C:2018:551, Rz 53). Zwar wurde die Datenschutz-Richtlinie durch
die Datenschutz-Grundverordnung abgelöst. Da Art. 2 Abs. 1
DSGVO jedoch Art. 3 Abs. 1 Datenschutz-RL bis auf den Bezug auf die
Datenschutz-Grundverordnung beziehungsweise auf die
Datenschutz-Richtlinie wortgleich entspricht, gelten die vom EuGH
bereits aufgestellten Rechtsgrundsätze fort (vgl. EuGH-Urteil
Latvijas Republikas Saeima (Points de pénalité) vom
22.06.2021 - C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 64 ff.). Lediglich bei
einer rein manuellen Datenverarbeitung ist es für die
Eröffnung des Schutzbereichs der Datenschutz-Grundverordnung
nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO erforderlich, dass die personenbezogenen
Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden
sollen.
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Unter einem Dateisystem ist nach Art. 4 Nr. 6
DSGVO jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten zu
verstehen, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind,
unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder
nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet
geführt wird. Zwar ist nicht näher konkretisiert, nach
welchen Kriterien die Datei strukturiert sein muss. Nach der zu
Art. 3 Abs. 1 Datenschutz-RL ergangenen und auf die hier streitige
Rechtslage übertragbaren Rechtsprechung ist damit jedoch nur
gemeint, dass die Daten über eine bestimmte Person leicht
wiederauffindbar sein müssen (EuGH-Urteil Jehovan todistajat
vom 10.07.2018 - C-25/17, EU:C:2018:551, Rz 57). Lediglich Akten
oder Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach
bestimmten Kriterien geordnet sind, fallen nach Erwägungsgrund
15 Satz 3 DSGVO nicht in den Anwendungsbereich der
Datenschutz-Grundverordnung.
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Ungeachtet dessen, ob die Papierakten diesen
Anforderungen aufgrund der jeweiligen verwaltungsinternen Vorgaben
zur Aktenführung genügen, dienen die in den Papierakten
enthaltenen personenbezogenen Daten der Durchführung des
Besteuerungsverfahrens. Dieses erfolgte in den Jahren 2013 bis 2015
teilweise digitalisiert. Mithin erfolgt die Datenverarbeitung
zumindest teilautomatisiert. Die Verarbeitung personenbezogener
Daten durch die Finanzverwaltung unterfällt damit dem
Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung. Auf eine
Differenzierung nach der Art der Aktenführung (Papier,
elektronisch, hybrid), der Art der Dokumente (interne Vermerke,
Gutachten, interne E-Mails et cetera) oder der Form der Bearbeitung
durch den zuständigen Sachbearbeiter (anhand von Ausdrucken
oder digital) kommt es nicht an.
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c) Der Anwendungsbereich der
Datenschutz-Grundverordnung ist auch nicht nach Art. 2 Abs. 2
Buchst. a DSGVO auf den Bereich der harmonisierten Steuern
beschränkt.
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aa) Die Ausnahmen vom sachlichen
Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sind in Art. 2
Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO erschöpfend festgelegt (vgl.
EuGH-Urteil Koalitsia „Demokratichna Bulgaria -
Obedinenie“ vom 20.10.2022 - C-306/21,
EU:C:2022:813, Rz 33). Nach Erwägungsgrund 2 Satz 1 DSGVO
sollen die Grundsätze und Vorschriften zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer
personenbezogenen Daten gewährleisten, dass sowohl ihre
Grundrechte und Grundfreiheiten als auch insbesondere ihr Recht auf
Schutz personenbezogener Daten ungeachtet ihrer
Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gewahrt
bleiben. Die Datenschutz-Grundverordnung soll in Anbetracht dessen
nach ihrem Erwägungsgrund 2 Satz 2 DSGVO zur Vollendung eines
Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und einer
Wirtschaftsunion, zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt,
zur Stärkung und zum Zusammenwachsen der Volkswirtschaften
innerhalb des Binnenmarkts sowie zum Wohlergehen natürlicher
Personen beitragen. Vor diesem Hintergrund sind die Ausnahmen vom
Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs.
2 Buchst. a DSGVO, wie die anderen in Art. 2 Abs. 2 vorgesehenen
Ausnahmen, eng auszulegen (so im Ergebnis auch EuGH-Urteile
Kommission/Polen (Indépendance et vie privée des
juges) vom 05.06.2023 - C-204/21, EU:C:2023:442, Rz 316; Koalitsia
„Demokratichna Bulgaria - Obedinenie“
vom 20.10.2022 - C-306/21, EU:C:2022:813, Rz 35 sowie Latvijas
Republikas Saeima (Points de pénalité) vom 22.06.2021
- C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 62, m.w.N.).
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Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO
findet die Datenschutz-Grundverordnung keine Anwendung auf die
Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer
Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts
fällt. Dies bringt auch Erwägungsgrund 16 Satz 1 DSGVO so
zum Ausdruck. Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich
des Unionsrechts fallen, sind nach der Rechtsprechung des EuGH etwa
die nationale Sicherheit betreffende Tätigkeiten sowie
Tätigkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik der Union (vgl. EuGH-Urteile Koalitsia
„Demokratichna Bulgaria - Obedinenie“
vom 20.10.2022 - C-306/21, EU:C:2022:813, Rz 36; sowie Latvijas
Republikas Saeima (Points de pénalité) vom 22.06.2021
- C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 63). Daraus folgt, dass Art. 2 Abs. 2
Buchst. a DSGVO im Licht von Erwägungsgrund 16 DSGVO so zu
verstehen ist, dass damit vom Anwendungsbereich dieser Verordnung
allein Verarbeitungen personenbezogener Daten ausgenommen werden
sollen, die von staatlichen Stellen im Rahmen einer Tätigkeit
vorgenommen werden, die der Wahrung der nationalen Sicherheit
dient, oder einer Tätigkeit, die derselben Kategorie
zugeordnet werden kann. Der bloße Umstand, dass eine
Tätigkeit eine spezifische Tätigkeit eines Staates oder
einer Behörde ist, reicht nicht aus (vgl. EuGH-Urteile
Kommission/Polen (Indépendance et vie privée des
juges) vom 05.06.2023 - C-204/21, EU:C:2023:442, Rz 317; Koalitsia
„Demokratichna Bulgaria - Obedinenie“
vom 20.10.2022 - C-306/21, EU:C:2022:813, Rz 39; Latvijas
Republikas Saeima (Points de pénalité) vom 22.06.2021
- C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 66 sowie Land Hessen vom 09.07.2020 -
C-272/19, EU:C:2020:535, Rz 70).
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bb) Der Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a
DSGVO gilt daher nicht für die Durchführung des
Besteuerungsverfahrens durch die Finanzverwaltung (vgl.
EuGH-Urteil Valsts ieòçmumu dienests (Traitement des
données personnelles a des fins fiscales) vom 24.02.2022 -
C-175/20, EU:C:2022:124 = SIS 22 04 20, Rz 47, wonach die Erhebung von Informationen, die
große Mengen personenbezogener Daten enthalten, durch die
Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats bei einem
Wirtschaftsteilnehmer den Anforderungen der
Datenschutz-Grundverordnung genügen muss). Das
Besteuerungsverfahren dient nicht einer Tätigkeit der gleichen
Kategorie wie die nationale Sicherheit. Wie in § 3 Abs. 1 AO
zum Ausdruck kommt, dienen Steuern im Wesentlichen der
Staatsfinanzierung. Hingegen dienen sie nicht unmittelbar, wie die
nationale Sicherheit, der Wahrung der staatlichen Integrität.
Dies gilt auch für die Verwaltung direkter Steuern. Auch in
diesem Bereich findet die Datenschutz-Grundverordnung unmittelbare
Anwendung (so auch BT-Drucks. 18/12611, S. 75; BT-Drucks. 18/7457,
S. 47; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
13.01.2020, BStBl I 2020, 143 = SIS 20 00 04, Rz 1 f.; van
Armansperg, DStR 2021, 453, 457; Wargowske in Gosch, AO § 2a
Rz 13; vgl. auch EuGH-Urteil Valsts ieòçmumu dienests
(Traitement des données personnelles a des fins fiscales)
vom 24.02.2022 - C-175/20, EU:C:2022:124 = SIS 22 04 20, Rz 47, wobei der EuGH jedoch
nicht darauf eingeht, inwieweit die Entscheidung auch nicht
harmonisiertes Recht betrifft; a.A. Drüen in Tipke/Kruse,
§ 2a AO Rz 6; Krumm, DB 2017, 2182, 2186). Zwar steht den
Organen der EU keine Regelungskompetenz für den Bereich der
Verwaltung der direkten Steuern - wie vorliegend betroffen - zu.
Der Schutz der personenbezogenen Daten wird jedoch ohne
entsprechende Einschränkung für den Bereich des nicht
harmonisierten Rechts in Art. 8 der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (EUGrdRCh) sowie durch Art. 16 Abs. 1 AEUV
sichergestellt. Im Übrigen gebietet auch der
Effektivitätsgrundsatz („effet utile“) die
unmittelbare Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung im Bereich
der Verwaltung direkter Steuern, um ein möglichst hohes und
einheitliches Datenschutzniveau gemäß dem
Erwägungsgrund 10 DSGVO innerhalb der gesamten EU zu
gewährleisten. Nach diesem Erwägungsgrund soll durch die
Harmonisierung des Datenschutzes ein gleichmäßiges und
hohes Datenschutzniveau gewährleistet werden. Der
Effektivitätsgrundsatz wiederum besagt, dass die Ausübung
der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert
werden darf (vgl. EuGH-Urteil La Quadrature du Net u.a. vom
06.10.2020 - C-511/18, EU:C:2020:791, Rz 223, m.w.N.). Dem
stünde es entgegen, wenn die Datenschutz-Grundverordnung wegen
einer Bereichsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO im
Bereich der Verwaltung direkter Steuern nicht anwendbar und damit
weite Teile des Besteuerungsverfahrens nicht unmittelbar der
Datenschutz-Grundverordnung unterworfen wären. Zwar wird der
Datenschutz im Bereich des Steuerrechts auch durch eine Vielzahl
nationaler Vorschriften, beispielsweise durch die §§ 29b
bis 32j AO, gewährleistet. Ein Berufen auf diese Vorschriften
zum Schutz des unter anderem durch Art. 8 EUGrdRCh
gewährleisteten Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten
liefe jedoch dem aus Erwägungsgrund 3 DSGVO sowie
Erwägungsgrund 10 Satz 1 DSGVO als auch Erwägungsgrund 53
Satz 2 DSGVO zum Ausdruck kommenden Harmonisierungsgedanken der
Datenschutz-Grundverordnung zuwider. Nach Erwägungsgrund 3
DSGVO diente die Vorgängerrichtlinie zur
Datenschutz-Grundverordnung, die Datenschutz-Richtlinie, der
Harmonisierung der Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und
Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Datenverarbeitung
sowie der Gewährleistung des freien Verkehrs personenbezogener
Daten zwischen den Mitgliedstaaten. Nichts anderes kann für
die Datenschutz-Grundverordnung gelten. Denn nach
Erwägungsgrund 53 Satz 2 DSGVO sollte die
Datenschutz-Grundverordnung Bedingungen für die Verarbeitung
besonderer Kategorien personenbezogener Gesundheitsdaten im
Hinblick auf bestimmte Erfordernisse harmonisieren, insbesondere
wenn die Verarbeitung dieser Daten für gesundheitsbezogene
Zwecke von Personen durchgeführt wird, die gemäß
einer rechtlichen Verpflichtung dem Berufsgeheimnis
unterliegen.
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3. Das FG hat jedoch Art. 15 Abs. 3 DSGVO
rechtsfehlerhaft angewendet.
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a) Anders als der Kläger meint,
gewährt Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO keinen gegenüber Art.
15 Abs. 1 DSGVO eigenständigen Anspruch gegen den
Verantwortlichen auf Zurverfügungstellung von Dokumenten mit
personenbezogenen Daten.
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aa) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gewährt der
betroffenen Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine
Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende
personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so
hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen
Daten und auf die näher in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h
DSGVO bezeichneten Informationen. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO
stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der
personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur
Verfügung. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt,
dass Art. 15 DSGVO nicht dahin auszulegen ist, dass er in seinem
Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1
vorgesehene gewährt. Im Übrigen bezieht sich der Begriff
„Kopie“ nicht auf ein Dokument als
solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es
enthält und die vollständig sein müssen. Die Kopie
muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand
der Verarbeitung sind (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom
26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und
Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 -
C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 32). Der Anspruch auf
Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten
setzt keine Begründung voraus, weshalb es auch nicht
entgegensteht, wenn er mit anderen als den in Erwägungsgrund
63 Satz 1 DSGVO genannten Zwecken begründet wird (EuGH-Urteil
FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22,
EU:C:2023:811, Rz 50 und Rz 52).
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bb) Nur wenn die Zurverfügungstellung
einer Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die
wirksame Ausübung der ihr durch die
Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen,
wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu
berücksichtigen sind, besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO
ein Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten
oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus
Datenbanken zu erhalten (vgl. EuGH-Urteile FT (Copies du dossier
médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und
Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 -
C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45). Anders als der
Kläger meint, besteht hierfür jedoch keine generelle
Vermutung. Vielmehr
obliegt es der betroffenen Person, darzulegen, dass die Kopie der
personenbezogenen Daten sowie die Mitteilung der Informationen nach
Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO für die Wahrnehmung der
ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte nicht
genügt. Begehrt die betroffene Person die
Zurverfügungstellung von Kopien von Dokumenten mit ihren
personenbezogenen Daten, ist es vielmehr an ihr zu benennen, welche
ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte sie
auszuüben gedenkt und darzulegen, aus welchen Gründen die
Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit
personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist.
Andernfalls liefe das durch den EuGH aufgestellte
Regel-Ausnahme-Prinzip ins Leere. Denn nach der Rechtsprechung des
EuGH ist der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO
grundsätzlich auf die Zurverfügungstellung einer Kopie
der verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person
gerichtet (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom
26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und
Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 -
C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 32). Wenn dies für die Wahrnehmung
der Rechte aus der Datenschutz-Grundverordnung nicht genügt,
kann ausnahmsweise ein Anspruch auf eine (auszugsweise) Kopie der
Quelle, in der die personenbezogenen Daten verarbeitet sind,
bestehen (vgl. EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical)
vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und
Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 -
C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45). Einer entsprechenden
Vermutung der Unerlässlichkeit bedarf es im Übrigen auch
nicht, um einen effektiven Datenschutz zu gewährleisten.
Regelmäßig genügt es für die Wahrnehmung der
durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte, wenn die
betroffene Person Kenntnis von den über sie verarbeiteten
personenbezogenen Daten erlangt und ihr die Informationen nach Art.
15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO mitgeteilt werden. Insbesondere
durch die Mitteilung, welche personenbezogenen Daten verarbeitet
werden und zu welchem Zweck diese Verarbeitung erfolgt, ist die
betroffene Person bereits regelmäßig in der Lage, die
Richtigkeit der personenbezogenen Daten und die
Rechtmäßigkeit deren Verarbeitung zu
überprüfen.
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b) Ausgehend von anderen
Rechtsgrundsätzen, hat es das FG unterlassen, die
erforderlichen Feststellungen für eine abschließende
Beurteilung zu treffen. Es fehlt an Feststellungen, ob
beziehungsweise inwiefern der Kläger geltend gemacht hat, dass
die begehrten Kopien für ihn unerlässlich sind, um ihm
die wirksame Ausübung der ihm durch die
Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen.
Ferner fehlt es an Feststellungen, welche Rechte der
Datenschutz-Grundverordnung der Kläger überhaupt
beabsichtigt geltend zu machen.
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30
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4. Das FG ist zudem rechtsfehlerhaft davon
ausgegangen, dass der durch den Kläger geltend gemachte
Anspruch aufgrund eines exzessiven Antrags im Sinne von Art. 12
Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 DSGVO ausgeschlossen ist.
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a) Nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO kann der
Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder -
insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven
Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes
Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die
Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der
beantragten Maßnahme berücksichtigt werden (Art. 12 Abs.
5 Satz 2 Buchst. a DSGVO), oder sich weigern, aufgrund des Antrags
tätig zu werden (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO).
Mangels Erfordernis der Begründung des Auskunftsbegehrens
besteht die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen
Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen
Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung
zu stellen, auch dann, wenn der betreffende Antrag mit einem
anderen als den in Erwägungsgrund 63 Satz 1 DSGVO genannten
Zwecken begründet wird (vgl. EuGH-Urteil FT (Copies du dossier
médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 50 und
Rz 52). Der Verantwortliche hat gemäß Art. 12 Abs. 5
Satz 3 DSGVO den Nachweis für den offenkundig
unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu
erbringen. Hieraus folgt, dass ein Ausschluss des Auskunftsrechts nach Art. 12
Abs. 5 Satz 2 DSGVO nur in Betracht kommt, wenn sich der
Verantwortliche hierauf beruft und darlegt, dass ein offenkundig
unbegründeter oder exzessiver Antrag vorliegt (vgl.
Gola/Heckmann/Frank, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 12 Rz 41 und Art. 15
DSGVO Rz 50; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 15 Rz 9;
Schneider/Schwartmann in
Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl.,
Art. 12 DSGVO Rz 69; BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed.
[01.11.2023], DS-GVO Art. 12 Rz 48; Heckmann/Paschke in
Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 12 Rz 49; vgl.
Kühling/Buchner/Bäcker, 4. Aufl., DS-GVO Art. 15 Rz 42b;
Taeger/Gabel/Mester, 4. Aufl. [2022], DS-GVO, Art. 15 Rz 21).
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Ist der Antrag nach diesen Grundsätzen
exzessiv, kann in diesem - entgegen der Ansicht des Klägers -
nicht zugleich als Weniger ein statthafter Antrag auf
Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten
erblickt werden. Dies ergibt sich eindeutig aus Art. 12 Abs. 5 Satz
2 Buchst. b DSGVO. Verlangt der Verantwortliche nicht ein
angemessenes Entgelt, braucht er bei einer Verweigerung aufgrund
eines exzessiven Antrags nicht tätig zu werden. Im
Übrigen erweist sich eine Reduktion des exzessiven Antrags auf
ein zulässiges Maß nicht als ein Minus, sondern als
unzulässiges Aliud zum ursprünglichen Begehren (vgl.
BFH-Beschluss vom 05.05.2017 - X B 36/17 = SIS 17 14 14, Rz 20 zur Überlassung von
Kopien bestimmter Aktenteile bei einem auf die Überlassung des
vollständigen Akteninhalts gerichteten Begehrens).
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b) Diesen Maßstäben genügen
die Ausführungen der Vorinstanz zu Art. 12 Abs. 5 Satz 2 und
Satz 3 DSGVO nicht. Es fehlt bereits an der Feststellung eines
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens beziehungsweise an
Feststellungen zu dem Vorbringen des FA vor dem Hintergrund der ihm
obliegenden Nachweispflicht eines offenkundig unbegründeten
oder exzessiven Antrags. Zudem vermag der Senat der Würdigung
des FG nicht zu folgen, dass der Antrag des Klägers auf
Zurverfügungstellung von Kopien nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1
DSGVO offensichtlich unbegründet sei, da er lediglich pauschal
gestellt und damit offensichtlich überschießend sei. Wie
die obigen Ausführungen zeigen, steht dem Kläger ein
Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO dem Grunde nach zu,
sodass die Geltendmachung eines entsprechenden Begehrens jedenfalls
nicht offenkundig unbegründet sein kann. Inwiefern dem
Kläger Informationen zu seinen personenbezogenen Daten und
auch die Kopie von Steuerbescheiden angeboten worden sind, ist
hierfür nicht von Bedeutung, da der Kläger mit seinem
Begehren die Zurverfügungstellung von Kopien der näher
bezeichneten Verwaltungsakten mit seinen personenbezogenen Daten
begehrt. Auch soweit das Begehren des Klägers nach dem FG
nicht den Zielen der Datenschutz-Grundverordnung diene, ist der
Antrag auf Zurverfügungstellung von Kopien nach Art. 15 Abs. 3
Satz 1 DSGVO nach den genannten Grundsätzen weder offenkundig
unbegründet noch exzessiv.
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5. Die angefochtene Entscheidung erweist sich
auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig
(§ 126 Abs. 4 FGO).
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a) Das FA kann dem Begehren des Klägers
nicht entgegenhalten, dass die Erfüllung des
Auskunftsanspruchs mit unverhältnismäßigem Aufwand
verbunden sei. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, inwiefern
ein solcher Einwand dem Grunde nach durchgreifen kann. Denn es
fehlt bereits an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz, dass
die Auskunftserteilung mit einem
unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.
Entsprechende Anhaltspunkte liefert auch nicht das entsprechende
pauschale Vorbringen des FA im Revisionsverfahren.
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b) Es steht nicht im Belieben des FA, das
Begehren des Klägers durch die Gewährung von
Akteneinsicht zu erfüllen.
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aa) Zwar steht es nach § 32d Abs. 1 AO im
pflichtgemäßen Ermessen des FA, die Form der
Auskunftserteilung zu bestimmen. Dies gilt jedoch nur, soweit in
Art. 12 bis 15 DSGVO keine diesbezüglichen Regelungen
enthalten sind. Dies ist mit Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 DSGVO
jedoch der Fall. Hiernach hat der Verantwortliche eine
(elektronische) Kopie der personenbezogenen Daten und unter
gewissen Umständen auch der Quellen, in denen solche Daten
verarbeitet wurden, zur Verfügung zu stellen.
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bb) Inwiefern die Gewährung der
Akteneinsicht anstelle der Zurverfügungstellung von Kopien
nach § 11 Abs. 2 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes
genügt, unterliegt nicht der Beurteilung durch den BFH.
Revisibel ist nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO nur die Verletzung
von Bundesrecht. Auch erklärt das Brandenburgische
Datenschutzgesetz nicht den Finanzrechtsweg für eröffnet
(§ 33 Abs. 1 Nr. 4, § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO). Ein
Ausnahmefall, wonach im Revisionsverfahren ausnahmsweise auch eine
an sich irrevisible Vorschrift des Landesrechts zu prüfen ist
(vgl. Krumm in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 30, m.w.N.), liegt
nicht vor.
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c) Das FA kann sich nicht mit Erfolg auf
§ 34 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes berufen. Die
Regelung ist durch die speziellere Regelung des § 32c AO
(„lex specialis“) verdrängt.
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aa) Soweit nach § 32c Abs. 1 AO das Recht
auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer
Finanzbehörde gemäß Art. 15 DSGVO nicht besteht,
fehlt es an den erforderlichen Feststellungen, die eine Subsumtion
unter die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zulassen.
Entsprechende Anhaltspunkte wurden auch nicht vorgetragen.
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bb) Zwar wird die Auskunft ferner nach §
32c Abs. 3 FGO nur erteilt, soweit die betroffene Person Angaben
macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen und der
für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht
außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person
geltend gemachten Informationsinteresse steht. Dies gilt jedoch
nur, sofern die personenbezogenen Daten weder automatisiert noch in
nicht automatisierten Dateisystemen gespeichert sind. Dies ist
jedoch - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Im Übrigen
fehlt es auch an der Feststellung eines außer Verhältnis
stehenden Aufwandes.
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6. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an
das FG zurückzuverweisen.
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a) Das FG wird zu prüfen haben, inwiefern
der Kläger der ihm obliegenden Darlegungslast nachgekommen ist
und die Zurverfügungstellung von (elektronischen) Kopien der
Akten des FA zur wirksamen Ausübung seiner ihm nach der
Datenschutz-Grundverordnung zustehenden Rechte unerlässlich
ist. Hierbei wird das FG die Rechtsprechung des EuGH zu
berücksichtigen haben, dass sich die Wiedergabe von
Auszügen aus Dokumenten oder von ganzen Dokumenten als
unerlässlich erweisen kann, wenn diese in ihrem Zusammenhang
dargestellt werden müssen, um ihre Verständlichkeit zu
gewährleisten (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier
médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 74
sowie Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 -
C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 41). Insbesondere wenn personenbezogene
Daten aus anderen Daten generiert werden oder wenn sie auf freien
Feldern beruhen, das heißt einer fehlenden Angabe, aus der
eine Information über die betroffene Person hervorgeht, ist
der Kontext, in dem diese Daten Gegenstand der Verarbeitung sind,
unerlässlich, damit die betroffene Person eine transparente
Auskunft und eine verständliche Darstellung dieser Daten
erhalten kann (EuGH-Urteil Österreichische
Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369,
Rz 42).
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44
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b) Das FG wird zudem im zweiten Rechtsgang
Feststellungen nachholen müssen, inwiefern das FA der ihm nach
Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO obliegenden Nachweispflicht
nachgekommen ist und ein offenkundig unbegründeter oder
exzessiver Antrag vorliegt. Hierbei ist die Rechtsprechung des EuGH
zu berücksichtigen, wonach sich die beiden Gründe, bei
denen der Verantwortliche dem Begehren des Betroffenen nach Art. 12
Abs. 5 Satz 2 DSGVO nicht nachkommen muss, auf Fälle des
Rechtsmissbrauchs beziehen (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier
médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz
31).
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c) Sollte das FG unter Anwendung der
vorgenannten Rechtssätze zu dem Ergebnis kommen, dass dem
Kläger ein Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf
Zurverfügungstellung von Kopien zusteht, sind die
Informationen dem Kläger nach Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO in
einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu
stellen. Dass die E-Mail an das FA vom 14.10.2020 die
Voraussetzungen einer elektronischen Antragstellung in diesem Sinne
erfüllt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, weshalb der
Senat auf weitere Erläuterungen verzichtet.
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46
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7. Inwieweit die vom Kläger gerügten
Verfahrensfehler vorliegen, kann dahinstehen bleiben, da das
Verfahren bereits aus materiellen Gründen an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen
ist.
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8. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267
Abs. 3 AEUV bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht. Die
Rechtslage ist aus den jeweils genannten Gründen eindeutig
(„acte clair“; Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19
= SIS 21 05 21, Rz 55; EuGH-Urteil
CILFIT / Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - 283/81,
EU:C:1982:335, Rz 16) beziehungsweise bereits durch die aufgezeigte
Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, die keinen
vernünftigen Zweifel offenlässt („acte
éclairé“; BVerfG-Beschlüsse
vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19 = SIS 21 05 21, Rz 55 sowie vom 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE
129, 78 = SIS 12 00 97, Rz 80; EuGH-Urteil CILFIT / Ministero della
Sanità vom 06.10.1982 - 283/81, EU:C:1982:335, Rz 16).
Insbesondere hat der Senat vor dem Hintergrund des Art. 2 Abs. 1
DSGVO und Art. 4 Nr. 6 DSGVO sowie Erwägungsgrund 15 Satz 1
und Satz 2 DSGVO als auch der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil
Jehovan todistajat vom 10.07.2018 - C-25/17, EU:C:2018:551) keine
Zweifel an den Voraussetzungen des sachlichen Anwendungsbereichs
der Datenschutz-Grundverordnung und dass dieser insbesondere auch
die in den vom FA geführten Papierakten enthaltenen
personenbezogenen Daten umfasst. Vor dem Hintergrund des Art. 8
EUGrdRCh sowie Art. 16 Abs. 1 AEUV als auch dem Erwägungsgrund
2 Satz 1 DSGVO und der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteile
Kommission/Polen (Indépendance et vie privée des
juges) vom 05.06.2023 - C-204/21, EU:C:2023:442; Koalitsia
„Demokratichna Bulgaria - Obedinenie“
vom 20.10.2022 - C-306/21, EU:C:2022:813; Valsts
ieòçmumu dienests (Traitement des données
personnelles a des fins fiscales) vom 24.02.2022 - C-175/20,
EU:C:2022:124 = SIS 22 04 20;
Latvijas Republikas Saeima (Points de pénalité) vom
22.06.2021 - C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 62, m.w.N.; Land Hessen
vom 09.07.2020 - C-272/19, EU:C:2020:535) sowie dem effet
utile-Grundsatz hat der Senat keine Zweifel, dass der Bereich der
Verwaltung der nicht harmonisierten Steuern nicht vom
Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs.
2 Buchst. a DSGVO ausgenommen ist. Ferner ist durch die
Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass Art. 15 Abs. 1 i.V.m.
Abs. 3 DSGVO grundsätzlich nur einen Anspruch auf die
Zurverfügungstellung der personenbezogenen Daten enthalten und
nur bei Unerlässlichkeit für die Wahrnehmung der Rechte
der Datenschutz-Grundverordnung ein Anspruch auf Kopie der Quelle,
in der die personenbezogenen Daten verarbeitet wurden, besteht
(EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023
- C-307/22, EU:C:2023:811; Österreichische
Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369).
Auch sieht der Senat aufgrund der Rechtsprechung des EuGH die
Voraussetzungen für einen offenkundig unbegründeten oder
exzessiven Antrag im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO als
geklärt an (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical)
vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811).
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9. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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