Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 29.10.2021 - 12 K 19/14
E,AO = SIS 22 12 21
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Auf den Namen der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 2001 ein
gewerbliches Einzelunternehmen unter der Bezeichnung X angemeldet.
Steuerberater dieses Unternehmens war der Bruder der Klägerin;
Geschäftsführerin die Ehefrau des Bruders. Die
Klägerin reichte ihre Einkommensteuererklärung 2001 im
Jahr 2002 ein. Der erklärungsgemäße erstmalige
Einkommensteuerbescheid 2001 wurde am 06.03.2003 unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und galt am 10.03.2003
(Montag) als bekanntgegeben. Am 28.01.2010 erging der im
vorliegenden Verfahren angefochtene Änderungsbescheid, der
verfahrensrechtlich auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)
gestützt wurde. Darin wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb
erheblich erhöht, weil Beträge, die die Klägern als
Betriebsausgaben erklärt hatte, nicht mehr gewinnmindernd
berücksichtigt wurden. Die Beteiligten streiten im zweiten
Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang vgl. Senatsurteil vom 06.05.2020
- X R 26/19, BFH/NV 2020, 1238 = SIS 20 14 78) ausschließlich
darum, ob der Änderungsbescheid noch innerhalb der
Festsetzungsfrist erlassen worden ist.
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Am 03.05.2006 hatte eine Durchsuchung in
den Geschäftsräumen der X stattgefunden, die sich
zunächst nicht gegen die Klägerin, sondern gegen eine
dritte Person richtete. Nachdem der Steuerfahndungsbeamte die
Überzeugung gewonnen hatte, dass er gegen die falsche Person
ermittelte, leitete er gegen die Klägerin am selben Tag ein
steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
Hinterziehung von Einkommensteuer für 2001 ein, ohne jedoch
die Einleitung der Klägerin förmlich bekannt zu
geben.
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Ferner ordnete er am selben Tag in dieser
Ermittlungssache gegen die Klägerin wegen Gefahr im Verzug
„als Ermittlungsperson der
Staatsanwaltschaft“ die „Durchsuchung
der Geschäftsräume der Fa.
<X>“ an. Ferner protokollierte er im
Rahmen einer „Nachweisung“ in einem
Formular der Steuerfahndungsstelle, wiederum im Strafverfahren
gegen die Klägerin, die Beschlagnahme und Sicherstellung von
Unterlagen.
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Auf Blatt 4 des steuerstrafrechtlichen
Ermittlungsberichts über die gegen die Klägerin
geführten Ermittlungen der Steuerfahndung vom 02.11.2009
heißt es unter der Überschrift „Strafrechtliche
Verfahrenshandlungen“ (Schreibfehler bereits
im Original enthalten):
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„Bl. 108-110 d.A.) b) Erlass eines
von Durchsuchungsbeschlüssen durch das AG N… im
Steuerstrafverfahren gegen …
27.10.06“.
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Die Akten des steuerstrafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens, auf die in der vorstehend zitierten Passage
des Ermittlungsberichts verwiesen wird, sind bereits vernichtet
worden und standen dem Finanzgericht (FG) daher nicht zur
Verfügung. Der Fahndungsprüfer und sein Sachgebietsleiter
haben bei ihren schriftlichen Befragungen durch das FG angegeben,
sich an Einzelheiten des Vorgangs nicht mehr erinnern zu
können.
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Am 13.01.2010 wurde das gegen die
Klägerin geführte steuerstrafrechtliche
Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 der
Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, weil ein Vorsatznachweis
nicht geführt werden konnte. Am 19.07.2012 wurde gegen sie
wegen leichtfertiger Steuerverkürzung eine Geldbuße
festgesetzt.
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Das FG wies die Klage ab (EFG 2022, 1514 =
SIS 22 12 21). Es würdigte
den Sachverhalt dahingehend, dass der Klägerin und ihrem
Bruder zwar keine Steuerhinterziehung nachgewiesen werden
könne, ihr jedoch in Bezug auf die erklärten
Betriebsausgaben eine leichtfertige Steuerverkürzung
vorzuwerfen sei. Die danach fünfjährige Festsetzungsfrist
(§ 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO) hätte
grundsätzlich am 31.12.2007 geendet, sei aber nach § 171
Abs. 7 AO bis zum 27.10.2011 gehemmt gewesen.
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Zwar hätten die Maßnahmen vom
03.05.2006 die Verjährung nicht unterbrochen. Den Vermerk im
steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht würdigte das FG aber
dahingehend, dass damit der Nachweis eines am 27.10.2006 im
Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin ergangenen
Durchsuchungsbeschlusses erbracht sei. Dieser habe gemäß
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Ordnungswidrigkeitengesetzes
(OWiG) zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung
geführt. Der Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist, hier
von fünf Jahren (§ 384 AO), habe gemäß §
31 Abs. 3 OWiG mit dem Eintritt des Taterfolgs begonnen. Dies sei
die Bekanntgabe des erstmaligen Einkommensteuerbescheids 2001 am
10.03.2003 gewesen. Die Frist sei daher am 27.10.2006 noch nicht
abgelaufen gewesen und habe an diesem Tag gemäß §
33 Abs. 3 Satz 1 OWiG von neuem zu laufen begonnen. Diese neue
Fünf-Jahres-Frist sei im Zeitpunkt des Erlasses des
angefochtenen Änderungsbescheids (28.01.2010) noch offen
gewesen und habe gemäß § 171 Abs. 7 AO zugleich den
Ablauf der steuerlichen Festsetzungsfrist gehemmt. Zwar sei der
Vorbehalt der Nachprüfung schon vor dem Erlass des
angefochtenen Änderungsbescheids gemäß § 164
Abs. 4 AO entfallen. Die Änderung könne
verfahrensrechtlich aber auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
gestützt werden.
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Mit ihrer Revision bringt die Klägerin
vor, das FG habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob die
Durchsuchungsanordnung die aus verfassungsrechtlichen Gründen
erforderlichen inhaltlichen Mindestanforderungen erfülle. Sei
dies nicht der Fall, habe sie nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung keine
verjährungsunterbrechende Wirkung. Auch hätte das FG
feststellen müssen, ob die Durchsuchungsanordnung
überhaupt in den Geschäftsgang gelangt sei.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, die
Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) vom 27.11.2013 und den vom Finanzamt S
erlassenen geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom
28.01.2010 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es ist der Auffassung, die Klägerin
wende sich lediglich gegen eine - das Revisionsgericht bindende -
Sachverhaltswürdigung des FG. Im Übrigen entfalte ein
nicht angefochtener oder nach Anfechtung im Rechtsmittelverfahren
bestätigter Durchsuchungsbeschluss Tatbestandswirkung für
die Finanzbehörden und -gerichte, denen damit eine
eigenständige Überprüfung der
Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses verwehrt
sei.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass eine
möglicherweise ergangene Durchsuchungs- und
Beschlagnahmeanordnung vom 03.05.2006 keine
verjährungsunterbrechende Wirkung hat und damit die
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO nicht auslösen konnte
(dazu unten 1.). Soweit die Vorinstanz allerdings die
Voraussetzungen für den Eintritt der Ablaufhemmung nach §
171 Abs. 7 AO im Hinblick auf einen Durchsuchungsbeschluss vom
27.10.2006 bejaht hat, reichen die dazu getroffenen
tatsächlichen Feststellungen nicht aus und können wegen
der Vernichtung der hierfür maßgeblichen Unterlagen auch
nicht mehr nachgeholt werden (unten 2.). Weil das FG - nach seinem
Rechtsstandpunkt folgerichtig - keine Feststellungen zum Eintritt
einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO getroffen hat,
geht die Sache an die Vorinstanz zurück (unten 3.).
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1. Das FG hat - mit zwar sehr knapper, im
Ergebnis aber zutreffender Begründung - eine ablaufhemmende
Wirkung der Durchsuchungs- sowie der Beschlagnahmeanordnung vom
03.05.2006 verneint. Zwar wären Unterbrechungen der
Verfolgungsverjährung nach § 33 OWiG zu jenem Zeitpunkt
grundsätzlich geeignet gewesen, eine Ablaufhemmung nach §
171 Abs. 7 AO auszulösen (dazu unten a).
Unterbrechungshandlungen sind auch Beschlagnahme- und
Durchsuchungsanordnungen, jedoch nur, wenn sie durch die
Verfolgungsbehörde oder den Richter erlassen werden.
Anordnungen einer Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft
genügen nicht (unten b). Um solche Anordnungen handelte es
sich im Streitfall (unten c).
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a) Das FA hat rechtsfehlerfrei - und von den
Beteiligten unbeanstandet - angenommen, dass die
Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2001 im
Streitfall mit Ablauf des Jahres 2002 begonnen hat und
grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2007 endete, da wegen
einer leichtfertigen Steuerverkürzung die
fünfjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz
2 AO anzuwenden war. Allerdings endet gemäß § 171
Abs. 7 AO in den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO die
Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat
oder - wie im Streitfall - der Steuerordnungswidrigkeit
verjährt ist. Die Verfolgungsverjährung beginnt, sobald
die Handlung beendet ist, jedoch nicht vor dem Eintritt des Erfolgs
(§ 31 Abs. 3 OWiG). Der Erfolg ist hier mit der Bekanntgabe
des fehlerhaften Einkommensteuerbescheids 2001 am 10.03.2003
eingetreten. Da die Verfolgungsverjährungsfrist bei
Steuerordnungswidrigkeiten im Sinne des § 378 AO fünf
Jahre beträgt (§ 384 AO), wäre die reguläre
Verfolgungsverjährung am 10.03.2008 eingetreten, sofern nicht
zuvor ein Unterbrechungstatbestand verwirklicht worden
wäre.
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b) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 OWiG wird die Verfolgungsverjährung unter anderem durch
Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnungen der
Verfolgungsbehörde oder des Richters unterbrochen.
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aa) Maßgebend ist grundsätzlich der
Zeitpunkt, in dem die Entscheidung abgefasst wird (§ 33 Abs. 2
OWiG). Nach einer Unterbrechung beginnt die Verjährung von
neuem, endet jedoch spätestens mit Eintritt der absoluten
Verjährung, hier mit Ablauf des Doppelten der gesetzlichen
Verjährungsfrist (§ 33 Abs. 3 Satz 1 und 2 OWiG).
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bb) Die Unterbrechung wirkt nur gegenüber
demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht (§ 33 Abs. 4
Satz 1 OWiG). Folglich muss sich die Unterbrechungshandlung gegen
eine bestimmte Person richten (ständige Rechtsprechung, z.B.
Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29.10.1996 - 4 StR
394/96, BGHSt 42, 283, NJW 1997, 598, unter III.1., m.w.N.; ebenso
zu § 78c Abs. 4 des Strafgesetzbuchs (StGB): BGH-Beschluss vom
26.10.2017 - 1 StR 279/17, Zeitschrift für Wirtschaft- und
Steuerstrafrecht - wistra - 2018, 122, unter III.1.c aa, m.w.N.).
Unterbrochen wird die Verjährung gegenüber demjenigen,
gegen den sich das betreffende Verfolgungs- oder
Ermittlungsverfahren richtet, während unerheblich ist, ob es
sich um eine Maßnahme bei einem Dritten handelt
(BGH-Beschluss vom 01.08.1995 - 1 StR 275/95, wistra 1995,
309).
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cc) Beschlagnahmeanordnungen von
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft lösen die
verjährungsunterbrechende Wirkung des § 33 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 OWiG allerdings nicht aus.
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Der klare Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 OWiG beschränkt sich auf Beschlagnahme- oder
Durchsuchungsanordnungen „der Verfolgungsbehörde oder
des Richters“. Bei der Verfolgungsbehörde
handelt es sich um die für die Verfolgung und Ahndung der
Ordnungswidrigkeit zuständige Behörde nach §§
35 ff. OWiG, deren Befugnisse in § 46 Abs. 2 OWiG bestimmt
sind. § 53 Abs. 2 OWiG kennt jedoch daneben auch
Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnungen durch die
„Beamten des Polizeidienstes, die zu Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft bestellt sind“ (im
Steuerstrafverfahren: Beamte der Steuerfahndung gemäß
§ 404 AO). Das Tätigwerden in dieser Funktion ist kein
Tätigwerden für die
„Verfolgungsbehörde“ im Sinne des
Ordnungswidrigkeitengesetzes. Es wäre zu erwarten gewesen,
dass diese Anordnungsbefugten ebenfalls in § 33 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 OWiG erwähnt worden wären, wenn der Gesetzgeber
ihren Anordnungen dieselbe verjährungsunterbrechende Wirkung
hätte zumessen wollen wie den Anordnungen der
Verfolgungsbehörde oder des Richters. Dies ist aber gerade
nicht geschehen.
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Dass Anordnungen von Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft die verjährungsunterbrechende Wirkung des
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG nicht auslösen, entspricht
auch der einhelligen Meinung in der Literatur (vgl.
ausführlich Ellbogen in Karlsruher Kommentar zum
Ordnungswidrigkeitengesetz, 5. Aufl. 2018, § 33 Rz 47; ferner
Gürtler/Thoma, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 33 Rz 26; BeckOK
OWiG/Graf, 40. Ed. [01.10.2023], § 33 Rz 71; Krenberger/Krumm,
OWiG, 7. Aufl. 2022, § 33 Rz 40).
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23
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c) Im Streitfall hatten zwar die am 03.05.2006
durchgeführten Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen
in einem gegen die Klägerin geführten Verfahren
stattgefunden, das unmittelbar zuvor eingeleitet worden war. Da
Maßnahmen gegenüber Dritten die Verjährung
ebenfalls unterbrechen, ist zudem unerheblich, ob die Klägerin
noch Inhaberin des Einzelunternehmens unter der Bezeichnung X war,
was sie bestreitet. Die Anordnungen vermochten die Verjährung
dennoch nicht zu unterbrechen, weil der Steuerfahnder sie in seiner
Eigenschaft als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft
ausgesprochen hatte. Für die Durchsuchung hat er dies
ausdrücklich so protokolliert. Hinsichtlich der Beschlagnahme
hat das FG in einer den Senat bindenden - und angesichts der
vorhergehenden Verfahrenseinleitung und der Durchsuchungsanordnung
offenkundig zutreffenden - Weise ebenfalls diesen Schluss
gezogen.
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2. Zu Unrecht hat das FG eine Ablaufhemmung
nach § 171 Abs. 7 AO im Hinblick auf einen
Durchsuchungsbeschluss vom 27.10.2006 bejaht. Zwar hat es die Dauer
der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 AO - unter der
Voraussetzung, dass am 27.10.2006 tatsächlich ein die
Verfolgungsverjährung unterbrechender Durchsuchungsbeschluss
gegen die Klägerin ergangen ist - zutreffend berechnet (unten
a). Auch hat das FG in einer den Senat bindenden Weise
festgestellt, dass am 27.10.2006 ein richterlicher
Durchsuchungsbeschluss gegen die Klägerin ergangen ist (unten
b). Durchsuchungsbeschlüsse haben jedoch aus
verfassungsrechtlichen Gründen inhaltlichen
Mindestanforderungen an ihre Bestimmtheit zu genügen (unten
c). Fehlt es daran, tritt auch die verjährungsunterbrechende
Wirkung nicht ein (unten d). Der Umstand, dass Feststellungen zum
Inhalt dieses Beschlusses wegen der Vernichtung aller Akten nicht
mehr getroffen werden können, geht zu Lasten des FA mit der
Folge, dass die Voraussetzungen des § 171 Abs. 7 AO nicht
nachgewiesen sind (unten e).
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a) Sollte am 27.10.2006 ein
ordnungsmäßiger gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss
gegen die Klägerin ergangen sein, hätte die
fünfjährige Verfolgungsverjährungsfrist des §
384 AO von neuem zu laufen begonnen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4,
Abs. 3 OWiG) und wäre erst am 27.10.2011 abgelaufen.
Dementsprechend wäre auch der Ablauf der steuerlichen
Festsetzungsfrist bis zu diesem Tag gehemmt gewesen. Zu diesem
Zeitpunkt war der im vorliegenden Verfahren angefochtene
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28.01.2010 bereits ergangen.
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b) Im Streitfall streiten die Beteiligten
darüber, ob am 27.10.2006 ein richterlicher
Durchsuchungsbeschluss (§§ 102 f., 105 StPO) in dem
Strafverfahren gegen die Klägerin ergangen ist. Die aufgrund
des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsberichts getroffene
Feststellung des FG, dass dies der Fall war, ist möglich und
bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den erkennenden
Senat.
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c) Allerdings legt die Klägerin
zutreffend dar, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und im
Anschluss daran der BGH angesichts der Grundrechtsrelevanz von
Durchsuchungsanordnungen in ständiger Rechtsprechung bestimmte
Mindestanforderungen an entsprechende Beschlüsse stellen. So
muss ein Durchsuchungsbeschluss tatsächliche Angaben über
den Inhalt des Tatvorwurfs enthalten, wofür die lediglich
schlagwortartige Bezeichnung der jeweiligen Straftat nicht
genügt. Ferner muss der Beschluss die Art sowie den denkbaren
Inhalt der Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt, erkennen
lassen (zum Ganzen BVerfG-Beschlüsse vom 26.05.1976 - 2 BvR
294/76, BVerfGE 42, 212, unter B.II.3.; vom 22.03.1999 - 2 BvR
2158/98, NJW 1999, 2176, unter II.1., 2.; vom 17.03.2009 - 2 BvR
1940/05, NJW 2009, 2516 = SIS 09 19 75, unter III.1.b und vom
04.04.2017 - 2 BvR 2551/12, NJW 2017, 2016 = SIS 17 12 31, Rz 18
ff.; BGH-Urteil vom 10.11.2016 - 4 StR 86/16, Neue Zeitschrift
für Strafrecht - NStZ - 2018, 45, Rz 14, m.w.N.).
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d) Durchsuchungsbeschlüsse, die die
genannten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an ihre
inhaltliche Bestimmtheit nicht erfüllen, haben nicht die in
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG vorgesehene
verjährungsunterbrechende Wirkung.
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aa) Im Hinblick auf die
strafverfahrensrechtliche Parallelvorschrift des § 78c Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 StGB entspricht dies der ständigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH-Entscheidungen vom
05.04.2000 - 5 StR 226/99, HFR 2001, 289 = SIS 01 07 13, unter II.1.c und II.2.d; vom
27.05.2003 - 4 StR 142/03, NStZ 2004, 275, unter 1.b bb; vom
10.11.2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, Rz 13, m.w.N. und vom
20.07.2021 - 4 StR 439/20, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
2022, 25, Rz 8 ff.; Krumm in Tipke/Kruse, § 376 AO Rz 54).
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bb) Nichts anderes gilt für § 33
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG (gleicher Ansicht Ellbogen in Karlsruher
Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 5. Aufl. 2018, § 33
Rz 45; BeckOK OWiG/Graf, 39. Ed. [01.07.2023], § 33 Rz
68).
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31
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Das OWiG enthält keine eigenen Regelungen
über die Anordnung von Durchsuchungen, sondern verweist
insoweit in vollem Umfang auf die Strafprozessordnung (§ 46
Abs. 1 OWiG). Damit gelten die §§ 102 ff. StPO auch
für Durchsuchungen im Rahmen von
Ordnungswidrigkeitenverfahren. Abgesehen davon hat es sich bei der
Maßnahme vom 27.10.2006 um eine Durchsuchung im
Strafverfahren gehandelt, da damals noch eine Steuerstraftat
verfolgt wurde; der Übergang ins Ordnungswidrigkeitenverfahren
wurde erst wesentlich später vorgenommen.
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32
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Da der nicht auffindbare
Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts N vom 27.10.2006 drei
Blätter in den Akten umfassen soll, ist davon auszugehen, dass
es sich um einen schriftlichen Beschluss und nicht nur um einen
Vermerk über eine mündliche Anordnung handelt. Daher ist
hier nicht zu entscheiden, ob dieselben Anforderungen an eine
Durchsuchungsanordnung zu stellen sein könnten, die in
mündlicher Form oder sogar konkludent (vgl. BGH-Urteil vom
15.10.1985 - 5 StR 338/85, NStZ 1986, 84, unter 2.) erlassen wird
(bejahend Ellbogen in Karlsruher Kommentar zum
Ordnungswidrigkeitengesetz, 5. Aufl. 2018, § 33 Rz 45).
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33
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e) Das FG hat keine Feststellungen dazu
getroffen, ob der Durchsuchungsbeschluss vom 27.10.2006 die
dargestellten inhaltlichen Mindestanforderungen, die für den
Eintritt der verjährungsunterbrechenden Wirkung erforderlich
sind, erfüllt.
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34
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aa) Solche Feststellungen wären im
Streitfall erforderlich gewesen. Die inhaltlichen
Mindestanforderungen können angesichts des Umstands, dass sie
recht hoch sind und in der Praxis daher mitunter nicht erfüllt
werden (vgl. auch Ebner, juris PraxisReport Steuerrecht 42/2022
Anm. 3, unter C.I.2.a), nicht einfach als gegeben unterstellt
werden.
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35
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bb) Entgegen der Auffassung des FA sind diese
Fragen im Streitfall nicht schon wegen der grundsätzlichen
Tatbestandswirkung von Durchsuchungsbeschlüssen ohne Belang.
Im Ausgangspunkt zutreffend weist das FA zwar auf die ständige
höchstrichterliche Rechtsprechung hin, wonach im
Steuerfestsetzungsverfahren die Rechtmäßigkeit eines
Durchsuchungsbeschlusses aufgrund der Tatbestandswirkung der
Entscheidungen anderer Gerichte grundsätzlich - vorbehaltlich
besonders schwerer Mängel - nicht überprüfbar ist
(vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.03.1992 -
X B 18/91, BFH/NV 1992, 367, unter 1.; vom 17.05.1995 - I B 118/94,
BFHE 177, 242, BStBl II 1995, 497 = SIS 95 15 10, unter II.5.; vom
29.01.2002 - VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749 = SIS 02 67 04, unter
III.3.a aa; vom 15.05.2002 - V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279 = SIS 02 93 69, unter II.2.b und vom 17.07.2003 - X B 19/03, BFH/NV 2003,
1594 = SIS 03 49 86, unter 1.b). Dies gilt allerdings nur, wenn der
Beschluss nicht angefochten oder ein Rechtsmittel des Betroffenen
zurückgewiesen wurde (BFH-Beschlüsse vom 29.01.2002 -
VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749 = SIS 02 67 04, unter III.3.a aa und
vom 17.07.2003 - X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594 = SIS 03 49 86, unter
1.b).
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36
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Vorliegend ist weder festgestellt noch
feststellbar, dass beziehungsweise ob der amtsgerichtliche
Durchsuchungsbeschluss vom 27.10.2006 der Klägerin
überhaupt bekanntgegeben oder ob er vollzogen worden ist und
die Klägerin damit Gelegenheit hatte, den Beschluss
anzufechten. Es besteht keine tatsächliche Vermutung dahin,
dass ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss bekanntgegeben wurde.
Es kommt vor, dass sich die Ermittlungsbehörde zunächst
einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss beschafft, diesen aber
etwa wegen Veränderung der Umstände doch nicht vollzieht.
Dementsprechend hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen -
und auch nicht treffen können -, ob der Durchsuchungsbeschluss
nicht angefochten oder im Rechtsmittelverfahren bestätigt
worden ist und damit die Voraussetzungen für den Eintritt
einer Tatbestandswirkung erfüllt waren.
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cc) Eine Nachholung der erforderlichen
Tatsachenfeststellungen zum Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses ist
wegen der Vernichtung aller maßgeblichen Akten und des
fehlenden Erinnerungsvermögens der vom FG befragten Beamten
nicht möglich. Dies geht zu Lasten des FA, so dass die
Voraussetzungen für den Eintritt einer Ablaufhemmung nach
§ 171 Abs. 7 AO als nicht erwiesen anzusehen sind. Schon nach
den allgemeinen Regeln liegt die Feststellungslast für
Umstände, die den ausnahmsweisen Erlass eines Steuerbescheids
nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist
ermöglichen würden, beim FA, das sich auf den Eintritt
der Voraussetzungen eines Tatbestands der Ablaufhemmung beruft
(vgl. z.B. Senatsurteil vom 19.05.2016 - X R 14/15, BFHE 254, 193,
BStBl II 2017, 97 = SIS 16 21 83, Rz 31). Dies gilt erst recht
unter den Umständen des Streitfalls. Denn nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt es in den
Risikobereich der Behörde und hat Einfluss auf das von den
Tatsachengerichten anzuwendende Beweismaß, wenn
verfahrensrelevante Akten zu einem Zeitpunkt - vorzeitig -
vernichtet werden, in dem ein Besteuerungsverfahren noch nicht
bestands- oder rechtskräftig abgeschlossen ist
(BFH-Entscheidungen vom 28.11.2007 - X R 11/07, BFHE 220, 3, BStBl
II 2008, 335 = SIS 08 11 99, unter II.3.b und vom 11.03.2015 - V B
83/14, BFH/NV 2015, 852 = SIS 15 10 91, Rz 11; umfassend
Senatsbeschluss vom 05.02.2014 - X B 138/13, BFH/NV 2014, 720 = SIS 14 11 05).
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3. Da das FG - aus seiner Sicht folgerichtig -
ausdrücklich offengelassen hat, ob die Voraussetzungen
für den Eintritt einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5
Satz 1 AO erfüllt sind, geht die Sache zur Nachholung der
hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen an
die Vorinstanz zurück (vgl. hierzu auch die Hinweise im
Senatsurteil vom 06.05.2020 - X R 26/19, BFH/NV 2020, 1238 = SIS 20 14 78, Rz 36 ff.). Sollte die Festsetzungsfrist unter diesem
Gesichtspunkt gewahrt sein, wäre der Vorbehalt der
Nachprüfung im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen
Änderungsbescheids noch nicht entfallen gewesen (§ 164
Abs. 4 Satz 1 AO), so dass auch eine Änderungsbefugnis
bestünde. In § 164 Abs. 4 Satz 2 AO, dem zufolge
bestimmte Verlängerungen der Festsetzungsfrist nicht die
Fortdauer des Nachprüfungsvorbehalts zur Folge haben, ist
§ 171 Abs. 5 AO nicht genannt.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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Für die zum Kostenfestsetzungsverfahren
gehörende Entscheidung über den im Revisionsverfahren
erneut gestellten Antrag, die Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten für das außergerichtliche
Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3
Satz 3 FGO), ist das FG zuständig (ständige
Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 17.11.2015 - X R 35/14,
BFH/NV 2016, 728 = SIS 16 07 08, Rz 42, m.w.N.). Zur
Erstattungsfähigkeit der Kosten für das
außergerichtliche Vorverfahren verweist der Senat auf seine
Ausführungen im Urteil vom 06.05.2020 - X R 26/19 (BFH/NV
2020, 1238 = SIS 20 14 78, Rz 42).
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