Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.03.2021 - 14 K
14059/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - )
Aussetzungszinsen (§ 237 der Abgabenordnung - AO - )
festsetzen durfte.
|
|
|
2
|
Die Eltern der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) übertrugen dieser mit
notariell beurkundetem Vertrag vom 22.11.2011 mit Wirkung zum
01.01.2012 im Wege der Schenkung jeweils 10 % der Anteile an einer
GbR, deren Vermögen im Wesentlichen aus einem Erbbaurecht an
einem Grundstück bestand.
|
|
|
3
|
Das FA forderte beim Lagefinanzamt
Feststellungsbescheide für den Grundbesitzwert des
Erbbaurechts - unstreitig - fehlerhaft auf den 22.11.2011 an. Das
Lagefinanzamt erließ entsprechend gesonderte und einheitliche
Feststellungsbescheide jeweils vom 16.08.2013 auf den 22.11.2011.
Anschließend setzte das FA mit Bescheiden vom 18.08.2014
Schenkungsteuer in Höhe von jeweils 59.925 EUR fest und legte
dabei den festgestellten Wert des Erbbaurechts zugrunde.
|
|
|
4
|
Gegen die Feststellungsbescheide legte die
Klägerin Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der
Vollziehung (AdV). Gegen die Schenkungsteuerbescheide legte die
Klägerin keine Einsprüche ein. Das Lagefinanzamt setzte
die Vollziehung der Feststellungsbescheide antragsgemäß
aus. Das FA setzte mit Bescheiden vom 25.08.2014 wegen der
Aussetzung der Feststellungsbescheide die Vollziehung der
Schenkungsteuerbescheide vollumfänglich aus.
|
|
|
5
|
Die Einsprüche gegen die
Feststellungsbescheide blieben erfolglos. Die Klägerin erhob
daraufhin gegen diese Bescheide Klage. Während des
Klageverfahrens zahlte sie die noch ausstehende Schenkungsteuer und
nahm die Klagen nach einem richterlichen Hinweis am 07.11.2018
zurück.
|
|
|
6
|
Die Feststellungs- und
Schenkungsteuerbescheide wurden im weiteren Laufe des Verfahrens
mehrfach geändert. Erstmalig mit Schenkungsteuerbescheiden vom
13.12.2018 legte das FA den - unstreitig - richtigen Zeitpunkt der
Entstehung der Steuer (Besteuerungszeitpunkt) am 01.01.2012 der
Besteuerung zugrunde und setzte Schenkungsteuer jeweils in
Höhe von 82.635 EUR fest. Das Lagefinanzamt erließ
erstmalig am 23.04.2019 Feststellungsbescheide auf den 01.01.2012
und stellte einen geänderten Grundbesitzwert fest. Daraufhin
ergingen am 14.08.2019 nochmals geänderte
Schenkungsteuerbescheide, die jeweils eine um 825 EUR niedrigere
Schenkungsteuer festsetzten. Diese zuletzt ergangenen
Schenkungsteuer- und Feststellungsbescheide wurden
bestandskräftig.
|
|
|
7
|
Mit Bescheiden vom 09.10.2019 setzte das FA
Aussetzungszinsen in Höhe von jeweils 6.888 EUR fest. Dagegen
legte die Klägerin jeweils Einspruch ein. Sie machte geltend,
die Rechtsbehelfe gegen die Feststellungsbescheide hätten
nicht im Sinne von § 237 Abs. 1 AO endgültig keinen
Erfolg gehabt, da das FA neue Schenkungsteuerbescheide für
eine Zuwendung am 01.01.2012 erlassen habe.
|
|
|
8
|
Das FA wies die Einsprüche mit
Einspruchsentscheidungen vom 12.05.2020 als unbegründet
zurück. Die hiergegen erhobenen Klagen blieben erfolglos. Das
Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2022, 77
veröffentlicht.
|
|
|
9
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
eine Verletzung des § 237 Abs. 1 AO geltend. Die Rechtsbehelfe
gegen die Feststellungsbescheide vom 16.08.2013 seien entgegen der
Entscheidung des FG nicht erfolglos geblieben. Das FG habe die
verfahrensrechtlichen Besonderheiten, die sich aus der vorliegenden
Konstellation einer amtsinternen Anforderung einer Feststellung auf
einen unzutreffenden Bewertungsstichtag ergeben würden, nicht
hinreichend berücksichtigt. Die Klägerin habe sich mit
ihrem Begehren, keine Schenkungsteuer für einen Erwerb am
22.11.2011 zahlen zu müssen, im Ergebnis durchgesetzt. Das
Lagefinanzamt habe letztlich abgeholfen, indem es später
Feststellungen auf den 01.01.2012 getroffen habe. Die
förmliche Klagerücknahme sei für die Beurteilung, ob
die Klägerin Erfolg im Sinne des § 237 Abs. 1 AO gehabt
habe, unbeachtlich. Die später gegen die
Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche seien insoweit
erfolgreich gewesen, da sie zum Erlass der Schenkungsteuerbescheide
mit dem richtigen Besteuerungsstichtag 01.01.2012 geführt
hätten. Mit den Bescheiden jeweils vom 13.12.2018 seien die
Bescheide vom 18.08.2014 aufgehoben und es sei erstmals für
einen Besteuerungsstichtag vom 01.01.2012 und damit für einen
anderen Lebenssachverhalt eine Steuer festgesetzt worden. Ein
Zinsbescheid hätte danach nicht mehr ergehen dürfen.
§ 237 Abs. 5 AO sei nicht anzuwenden, wenn - wie hier - der
Steuerbescheid vor Erlass des Zinsbescheids aufgehoben,
geändert oder nach § 129 AO berichtigt worden
sei.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Vorentscheidung und die Bescheide
über die Festsetzung von Aussetzungszinsen jeweils vom
09.10.2019 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom
12.05.2020 aufzuheben.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass die angefochtenen Bescheide über Aussetzungszinsen
jeweils vom 09.10.2019 rechtmäßig sind.
|
|
|
13
|
1. Die Voraussetzungen des § 237 Abs. 1
AO für die Festsetzung von Aussetzungszinsen sind
erfüllt. Die Rechtsbehelfe der Klägerin gegen die von der
Vollziehung ausgesetzten Feststellungsbescheide jeweils vom
16.08.2013 hatten aufgrund der Rücknahme der gegen diese
Bescheide erhobenen Klagen endgültig keinen Erfolg. Die
Änderung der Bescheide nach der Rücknahme der Klagen ist
für die Festsetzung der Aussetzungszinsen unbeachtlich.
|
|
|
14
|
a) Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein
Betrag, dessen Vollziehung ausgesetzt wurde, zu verzinsen, soweit
ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen den ausgesetzten
Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg hat. Nach Satz 2 gilt
dies entsprechend, wenn dies einen Grundlagenbescheid nach §
171 Abs. 10 AO betrifft und aufgrund dessen die Vollziehung des
Folgebescheids nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO ausgesetzt
wurde.
|
|
|
15
|
aa) Aussetzungszinsen entstehen bei einer
Rücknahme der Klage auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid
angefochten wird, mit dessen Aussetzung der Steuerpflichtige die
sonst zu erwartende Umsetzung dieses Bescheides im
anschließenden Folgebescheid verhindern will. Dies folgt aus
dem Zweck des § 237 AO, den Nutzungsvorteil wenigstens zum
Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch
erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung
über eine Geldsumme verfügen kann, die „an
sich“ dem Steuergläubiger zusteht (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.03.2010 - II R 2/09, BFH/NV
2010, 1602 = SIS 10 26 26, Rz 15, m.w.N.). Ohne die Aussetzung des
Folgebescheids nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO müsste der
Steuerpflichtige die Steuer sofort zahlen. Dem Steuerpflichtigen
wird damit ein Nutzungsvorteil gewährt, der bei
Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs im Wege der Festsetzung von
Aussetzungszinsen nach § 237 Abs. 1 AO wieder
abzuschöpfen ist. Dabei ist für den Nutzungsvorteil
unerheblich, ob das FA die rechtlichen Voraussetzungen für die
AdV zutreffend beurteilt hat (BFH-Urteile vom 18.07.1994 - X R
33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4 = SIS 94 24 17, unter 3. und
vom 26.09.2007 - I R 43/06, BFHE 219, 13, BStBl II 2008, 134 = SIS 08 04 23, unter II.1.d).
|
|
|
16
|
bb) Im vorliegenden Fall waren mit der
Rücknahme der Klagen die Rechtsbehelfe gegen die
Feststellungsbescheide endgültig erfolglos. Die Rücknahme
der Klage, ohne dass das FA dem Rechtsbehelfsbegehren in der Sache
zuvor entsprochen hat, bedeutet deren endgültige
Erfolglosigkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 09.06.2015 - III R 64/13,
BFH/NV 2015, 1338 = SIS 15 20 60, Rz 23, m.w.N.).
|
|
|
17
|
cc) Unerheblich für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Aussetzungszinsen ist
es, dass nach der Erfolglosigkeit der Rechtsbehelfe aufgrund der
Klagerücknahmen, weitere Feststellungsbescheide auf den
zutreffenden Stichtag und Schenkungsteuerbescheide unter
Zugrundelegung des zutreffenden Besteuerungszeitpunkts ergangen
sind und damit dem Begehren der Klägerin insoweit
nachträglich und noch vor der Festsetzung der
Aussetzungszinsen entsprochen wurde.
|
|
|
18
|
Die nach Abschluss des gegen die
Feststellungsbescheide geführten Klageverfahrens ergangenen
Schenkungsteuerbescheide haben keine Auswirkungen auf die zuvor
getroffene Aussetzungsentscheidung nach § 361 Abs. 3 Satz 1
AO. Auf die Frage, ob § 237 Abs. 5 AO entsprechend anzuwenden
ist, wenn der Steuerbescheid vor Erlass des Zinsbescheids
aufgehoben, geändert oder berichtigt wird, kommt es nicht an.
Zum einen erfolgte durch den Schenkungsteuerbescheid vom
13.12.2018, bei dem erstmals der zutreffende Besteuerungszeitpunkt
zugrunde gelegt wurde, keine Aufhebung und Neubescheidung aufgrund
der Besteuerung eines anderen Lebenssachverhalts - anders als die
Klägerin meint -, denn der Besteuerungszeitpunkt ist bei der
Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht Teil des zu besteuernden
Lebenssachverhalts.
|
|
|
19
|
Zum anderen erfolgte mit dem
Schenkungsteuerbescheid vom 14.08.2019 keine Herabsetzung der
Steuer unter den ausgesetzten Betrag von 59.925 EUR. Entscheidend
für die Entstehung der Aussetzungszinsen nach § 237 Abs.
1 AO ist allein der betragsmäßige Misserfolg im
Rechtsbehelfsverfahren. Erfolglosigkeit bedeutet schon nach dem
Wortlaut des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO - systematisch
bestätigt durch § 237 Abs. 5 AO - die Erfolglosigkeit des
Einspruchs oder der Anfechtungsklage. Damit ist der Tatbestand
verwirklicht, an den das Gesetz den Anspruch auf Aussetzungszinsen
knüpft (§ 38 i.V.m. § 3 Abs. 4 Nr. 4 AO), und der
Anspruch auf die Zinsen wegen AdV entsteht.
|
|
|
20
|
b) Die Zinsfestsetzung verstößt
nicht gegen den Grundsatz der Akzessorietät des Zinsanspruchs
zum Bestehen des Steueranspruchs. War ein Grundlagenbescheid
angefochten und wurde AdV gewährt, ist für die
Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit im Sinne des
§ 237 Abs. 1 Satz 2 AO ausschließlich auf das Ergebnis
des gegen den Grundlagenbescheid gerichteten
Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen, während die sich auf der
Ebene des Folgebescheids ergebende steuerliche Auswirkung
unbeachtlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.2011 - X R 49/09, BFHE
235, 107, BStBl II 2012, 219 = SIS 12 00 92, Rz 19, m.w.N.).
Maßgeblich für die Festsetzung von Aussetzungszinsen ist
allein, ob der in dem Folgebescheid festgesetzte Steuerbetrag
aufgrund der Anfechtung und Aussetzung des Grundlagenbescheids
ebenfalls von der Vollziehung ausgesetzt wurde. Dies ist nach
§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO der Fall.
|
|
|
21
|
c) Ohne Bedeutung ist schließlich auch,
ob das FA die Schenkungsteuerbescheide zutreffend nach § 361
Abs. 3 Satz 1 AO ausgesetzt hat. Für die Festsetzung von
Aussetzungszinsen kommt es allein auf den tatsächlich
ausgesetzten Betrag an, selbst wenn die Folgeaussetzung - wie im
Streitfall - über die AdV der Feststellungsbescheide
hinausgeht (BFH-Urteil vom 09.12.1998 - XI R 24/98, BFHE 187, 400,
BStBl II 1999, 201 = SIS 99 08 43).
|
|
|
22
|
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|