Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 01.02.2023 - 3 K 596/22
= SIS 23 04 34 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit einer Anforderung von Unterlagen durch
die Finanzverwaltung.
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Mit den Einkommensteuererklärungen
für die Jahre 2018 und 2019 legte die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) für ihre Einkünfte
aus Vermietung und Verpachtung verschiedener Objekte unter anderem
Aufstellungen der gesamten Mieteinnahmen, der Abschreibung, der
Verwaltungs- und der Instandhaltungsaufwendungen sowie sonstiger
Aufwendungen für das jeweilige Objekt vor. Im Rahmen der
Bearbeitung der Erklärungen forderte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) mit Schreiben vom 08.06.2021
und Erinnerungsschreiben vom 13.07.2021 für das Objekt
… in … Kopien der aktuellen Mietverträge,
Nebenkostenabrechnungen sowie Nachweise über geltend gemachte
Erhaltungsaufwendungen an. Hierauf legte die Klägerin eine
Aufstellung der Brutto- und Nettomieteinnahmen mit
geschwärzten Namen der Mieter sowie der Betriebskosten
für die verschiedenen Wohnungen und Unterlagen über die
Instandhaltungsaufwendungen vor, jedoch nicht die angeforderten
Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Die Offenlegung
dieser Unterlagen sei im Hinblick auf die Grundsätze der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ohne vorherige Einwilligung der
Mieter nicht möglich. Zudem sei das FA zur
Unterlagenanforderung nicht berechtigt, da die Mietverträge
zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich
seien. Das FA forderte daraufhin mit Schreiben vom 02.09.2021 und
Erinnerungsschreiben vom 28.09.2021 unter Hinweis auf die
Mitwirkungspflichten der Klägerin nach §§ 90, 93, 97
der Abgabenordnung (AO) nochmals die Mietverträge und
gegebenenfalls die Schreiben über Mietänderungen zum
Zweck der Prüfung der in der Steuererklärung gemachten
Angaben an.
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3
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Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das
FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.04.2022 als unbegründet
zurück. Ein Steuerpflichtiger sei nach § 90 Abs. 1 AO zur
Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Er
komme der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass er die
für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und
wahrheitsgemäß offenlege und die ihm bekannten
Beweismittel angebe. Das FA könne nach
pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, welche Beweismittel
im Sinne der § 92 ff. AO es für erforderlich halte. Die
Mitwirkungspflicht umfasse auch die Pflicht zur Vorlage von
Urkunden (§§ 97, 92 Satz 2 Nr. 3 AO). Eine Mitwirkung
dürfe verlangt werden, soweit sie zur Feststellung des
steuererheblichen Sachverhalts notwendig,
verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sei.
Das FA benötige die Namen der Mieter sowie die jeweiligen
Mietverträge zur Kontrolle der steuererheblichen
Verhältnisse. Aus den Mietverträgen ergäben sich -
gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Unterlagen - unter
anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen,
Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleisteten
Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die
Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts
der Mieter mit eventuellen Vorbehalten des Vermieters oder auch
schlicht die tatsächliche Durchführung der (privaten)
Vermietung. Die Unterlagenanforderung sei somit ein geeignetes
Mittel zur Aufklärung der steuererheblichen Verhältnisse.
Des Weiteren sei die Unterlagenanforderung auch erforderlich. Es
sei kein anderes gleich wirksames Mittel ersichtlich. Insbesondere
wiesen private Aufstellungen des Steuerpflichtigen keinen
vergleichbaren Nachweiswert auf, da sie nur einseitig erstellt
worden seien. Sie seien im Gegensatz zu Mietverträgen, die
mindestens von einer weiteren Partei abgeschlossen werden, objektiv
schlechter nachprüfbar. Auch die Namen der Mieter seien
erforderlich, um Zahlungsflüsse dem jeweiligen
Mietverhältnis individuell zuordnen zu können. Die
Unterlagenanforderung sei auch angemessen und zumutbar. Sie bedeute
für die Klägerin keine schwerwiegenden Nachteile, die
außer Verhältnis zum legitimen Zweck der zu treffenden
Steuerfestsetzung stünden. Die Anforderung sei eine
verhältnismäßige Maßnahme zur Aufklärung
der steuererheblichen Verhältnisse bei der Ermittlung der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Schließlich
stünden die Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung
der Erfüllung der Mitwirkungspflichten nicht entgegen, da die
Klägerin zur Erhebung und Verarbeitung der in den
Verträgen enthaltenen, personenbezogenen Daten zum Zwecke der
Wahrnehmung eben dieser steuerlichen Pflichten berechtigt sei (Art.
6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO). Das Recht zur
„Verarbeitung“ beinhalte auch das Recht
zur Weitergabe an die Finanzbehörde.
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Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte
keinen Erfolg. Das FG wies die Klage mit in EFG 2023, 604 =
SIS 23 04 34 veröffentlichtem
Urteil ab.
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Die Klägerin hält mit ihrer
Revision daran fest, dass die Vorlageersuchen des FA sie und ihre
Mieter in den Grundrechten auf informelle Selbstbestimmung (Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ) verletzten.
Sie vertritt die Ansicht, es habe sich um eine
Außenprüfung gehandelt, weswegen die Vorlageersuchen
mangels Prüfungsanordnung rechtswidrig seien. Es liege eine
unzulässige „Ausforschung ins Blaue
hinein“ vor.
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Das FG habe es grob fahrlässig und
pflichtwidrig unterlassen, die Ermessensausübung des FA zu
überprüfen. Die sich aus den Mietverträgen
ergebenden Sollmieten seien für die steuerpflichtigen
Einkünfte als Einnahmenüberschussrechner offenkundig
unerheblich. Selbst ein Vergleich mit der ortsüblichen Miete
sei allein anhand der erzielten Einnahmen möglich. Die Vorlage
der Mietverträge sei weder erforderlich noch geeignet, die
dort enthaltenen persönlichen Angaben der Mieter seien
für das FA grundsätzlich ohne Interesse. Das FA verletze
die Schutzregelungen der Datenschutz-Grundverordnung. Zudem
würden die Mieter über die rechtswidrige Speicherung
ihrer grundrechtlich geschützten Daten nicht informiert. Das
FA fordere die Klägerin zu einem strafrechtlich sanktionierten
Verhalten auf und habe dadurch seinen Ermessensrahmen
überschritten. Die Vorlageverlangen seien auch rechtswidrig,
weil die Aufbewahrung von Mietverträgen nicht durch
Steuergesetze gefordert sei (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 12.02.2020 - X R 8/18 = SIS 20 12 79). Nach dem BFH-Urteil vom 24.06.2009 - VIII R 80/06 (BFHE
225, 302, BStBl II 2010, 452 = SIS 09 29 08) seien vorliegende
Aufzeichnungen, zu denen der Steuerpflichtige nicht verpflichtet
sei, dann nicht gemäß § 146 Abs. 6 AO
„für die Besteuerung von
Bedeutung“, wenn sie der Besteuerung nicht
zugrunde zu legen seien. Gleiches müsse für die
Vorlagepflicht von Urkunden nach § 97 AO bei
Überschusseinkünften gelten, da eine verschärfende
Vorlagepflicht gegenüber den Regeln bei Gewinnermittlern gegen
den Gleichbehandlungsgrundsatz verstieße.
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Die Klägerin rügt
schließlich verschiedene Verfahrensfehler.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg
vom 01.02.2023 - 3 K 596/22, die Aufforderungsbescheide des FA vom
08.06.2021, vom 02.09.2021, vom 28.09.2021 und vom 13.07.2021 zur
Vorlage von Mietverträgen, Mietänderungen und
Nebenkostenabrechnungen für das Anwesen … in …
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.04.2022
aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Es liege kein Ausforschen „ins Blaue
hinein“ vor, sondern das FA habe
zulässigerweise im Rahmen seiner Ermittlungspflichten und
-befugnisse zur Prüfung und Aufklärung des Sachverhalts
gehandelt. Die in den Mietverträgen enthaltenen Angaben
über das wirksame Zustandekommen des Mietverhältnisses,
die Nettokaltmiete, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten,
Vereinbarungen in Verbindung mit durchzuführenden
Schönheitsreparaturen, den Umfang des Nutzungsrechts des
Mieters und letztlich Angaben zum Mieter seien steuererheblich, da
sie im Zusammenhang mit dem Werbungskostenabzug und der Höhe
der Einnahmen stünden. Insbesondere dienten die Verträge
auch der Feststellung und Aufklärung der Ortsüblichkeit
der Miete, unter anderem bei
Angehörigenverhältnissen.
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Der von den Richtern des Senats signierte
Tenor des hiesigen Urteils wurde am 13.08.2024 der
Geschäftsstelle übermittelt. Auf telefonische Anfrage
teilte die Geschäftsstelle dem Prozessbevollmächtigten
der Klägerin am 14.08.2024 den Tenor mit.
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II. Die Revision ist unbegründet und wird
nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückgewiesen.
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Das FG hat zutreffend angenommen, dass das FA
die Vorlage der Mietverträge von der Klägerin verlangen
durfte. Die Klägerin war als Verantwortliche im Sinne des Art.
4 Nr. 7 DSGVO nicht berechtigt, die Herausgabe der Mieterdaten zu
verweigern.
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1. Das FA durfte auch unter
Berücksichtigung der Regelungen der
Datenschutz-Grundverordnung die Vorlage der Mietverträge von
der Klägerin fordern.
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a) Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO (i.d.F. des
Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013, BGBl I
2013, 1809, 1834) haben die Beteiligten und andere Personen der
Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen,
Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und
Prüfung vorzulegen. Die Aufforderung zur Vorlage der Urkunde
ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO (Roser in Gosch,
AO § 97 Rz 11; Seer in Tipke/Kruse, § 97 AO Rz 14; Baum
in AO - eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 13) und im
Zusammenhang mit den Auskunftsersuchen nach § 93 AO zu sehen
(BR-Drucks. 139/13, S. 195: gleichwertige
Ermittlungsinstrumente).
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Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung
der Verwaltung. Als solche ist sie nach § 102 FGO im
gerichtlichen Verfahren darauf zu überprüfen, ob der
Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen
Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen
in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht worden ist (§ 5 AO). Um diese
Überprüfung, die dem Gericht keinen Raum für eigene
Ermessenserwägungen lässt, wahrnehmen zu können,
muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Verwaltungsakt,
spätestens aber in der Einspruchsentscheidung, begründet
werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.1992 - VII R 66/91, BFH/NV 1993,
76 = SIS 92 25 08, unter 2.b; BFH-Beschluss vom 05.04.2022 - VIII B
42/21 = SIS 22 07 47, Rz 7; Baum
in AO - eKommentar [21.06.2023], § 97 AO Rz 16).
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aa) Die Anwendung des § 97 AO ist im
Streitfall nicht nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO
ausgeschlossen.
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(1) Im Rahmen einer Außenprüfung
wird § 97 AO durch § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verdrängt
(Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 1; Roser in Gosch,
AO § 97 Rz 3; Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar
Steuerrecht, Stand 119. Lfg. 04.2020 § 97 AO Rz 2). Fehlt eine
Prüfungsanordnung nach § 196 AO, besteht unter bestimmten
Umständen ein Verwertungsverbot.
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(2) Für die Abgrenzung zwischen
Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung von
Einzelermittlungen ist entscheidend, wie sich das Tätigwerden
der Finanzbehörde aus der Sicht des Betroffenen darstellt
(vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1997 - VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl
II 1998, 461 = SIS 98 06 37, unter II.2.b). Maßgeblich ist,
wie der Steuerpflichtige entsprechend den zu § 133 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs entwickelten Rechtsgrundsätzen
nach den ihm bekannten Umständen den Gehalt der
Ermittlungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Treu und
Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 02.02.1994 - I R 57/93,
BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377 = SIS 94 11 38, unter II.B.1). Im
Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen
eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalles
Prüfungshandlungen sind.
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(3) Das FG hat die Vorlageverlangen des FA
nicht als Prüfungshandlung gewürdigt. An diese
Würdigung ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf
überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze verstößt. Das ist nicht der Fall.
Das FG hat zutreffend darauf abgestellt, dass weder eine
Prüfungsanordnung erlassen noch eine Prüfung in den
Räumlichkeiten der Klägerin angesetzt worden war.
Vielmehr sind die streitgegenständlichen Anforderungen des FA
sämtlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Einreichung der
Einkommensteuererklärungen 2018 und 2019 ergangen. Damit wird
deutlich, dass es sich um ein Vorgehen des FA im Rahmen einer
Veranlagungstätigkeit handelt.
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bb) Die Vorlage von Urkunden unterliegt dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das heißt, sie
muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die
Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die
Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und
zumutbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 - VIII R 1/86, BFHE
162, 539, BStBl II 1991, 277 = SIS 91 05 51, unter 2.d zum
Auskunftsrecht nach § 93 AO; Schuster in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 97 AO Rz 32 ff.;
Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 12; Roser in Gosch,
AO § 97 Rz 13).
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(1) Die Vorlage einer Urkunde muss zur
Sachverhaltsaufklärung geeignet sein. Das ist nicht der Fall,
wenn die Urkunden steuerlich nicht erheblich sind. Zu den
steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die
finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen
Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in HHSp,
§ 93 AO Rz 10). Die in diesem Sinne erheblichen,
mitzuteilenden „Tatsachen“ müssen
lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein
(BFH-Urteil vom 29.10.1986 - VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II
1988, 359 = SIS 87 04 57, ständige Rechtsprechung). Die
Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen
Beweiswürdigung zu befinden. Im Interesse der
gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung
und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen
Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese
Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom
29.07.2015 - X R 4/14, BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135 = SIS 15 28 17, Rz 40 f.).
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(2) Die angeforderten Urkunden müssen
benötigt werden. Das ist nicht gegeben, wenn die
steuerrelevanten Tatsachen offenkundig oder verbindlich
festgestellt sind.
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(3) Der Steuerpflichtige beziehungsweise die
andere Person muss die verlangten Unterlagen vorlegen können.
Durch ein von privater Seite ergangenes oder vertraglich
vereinbartes Verbot zur Herausgabe einer Urkunde wird die
öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Urkundenvorlage nicht
unerfüllbar (BFH-Urteil vom 16.05.2013 - II R 15/12, BFHE 241,
211, BStBl II 2014, 225 = SIS 13 18 26, Rz 43; Schuster in HHSp,
§ 97 AO Rz 36, m.w.N.).
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(4) Schließlich muss die
Vorlageaufforderung verhältnismäßig im engeren
Sinne sein. Der zeitliche, personelle und sachliche (finanzielle)
Aufwand für die vorlagepflichtige Person darf nicht erkennbar
in einem Missverhältnis zu dem durch dieses Beweismittel zu
erwartenden „Mehr“ an
wahrheitsgemäßer Sachverhaltsaufklärung stehen
(Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 39).
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b) Unter Anwendung dieser Grundsätze
waren die streitgegenständlichen Vorlageverlangen des FA
rechtmäßig.
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aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung
ausgeführt, dass es die Mietverträge zur Kontrolle der
steuererheblichen Verhältnisse benötige und diese ein
geeignetes Mittel darstellten. Aus den Mietverträgen -
gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Unterlagen - würden
sich unter anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen,
Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleisteten
Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die
Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts
und die tatsächliche Durchführung der Vermietung ergeben.
Ein anderes, gleich wirksames Mittel der Aufklärung sei nicht
ersichtlich. Insbesondere könnten das nicht die privaten
Aufstellungen der Klägerin sein, weil sie nur durch diese -
ohne Beteiligung der Mieter - erstellt worden seien. Die Namen der
Mieter seien erforderlich, um die Zahlungsflüsse dem
jeweiligen Mietverhältnis zuordnen zu können.
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Diese Erwägungen lassen keine
Ermessensfehler erkennen. Insbesondere die Fragen nach den konkret
einem Mieter überlassenen Räumlichkeiten
(einschließlich Stellplätzen, Garagen,
Kellerräumen, Garten et cetera) sowie nach der Höhe des
im Rahmen des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
maßgeblichen vereinbarten Entgelts (vgl. Senatsurteil vom
22.02.2021 - IX R 7/20, BFHE 272, 200, BStBl II 2021, 479 = SIS 21 07 36, Rz 11, m.w.N.) lassen sich nur anhand der Mietverträge
zuverlässig klären. Die Nebenkostenabrechnungen sind
für die Frage der Höhe der Einnahmen sowie für die
Frage der tatsächlichen Durchführung des
Mietverhältnisses relevant. Schließlich sind die Namen
der Mieter erforderlich, um das Vorliegen eines
Angehörigenmietverhältnisses (§ 15 AO)
aufklären zu können. Bei Unklarheiten muss die
Finanzbehörde in der Lage sein, die Mieter als „andere
Person“ befragen zu können.
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Der Finanzbehörde stand nicht als
milderes Mittel die sofortige Befragung der Mieter zur
Verfügung. Ungeachtet dessen, dass dem FA nicht alle Mieter
bekannt waren, sollen Dritte erst herangezogen werden, wenn die
Aufklärung bei dem Beteiligten nicht zum Ziel geführt hat
(§ 97 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Der
Aufwand der Klägerin, die Mietverträge zu
übermitteln, steht schließlich auch nicht im
Missverhältnis zu dem beabsichtigten Erkenntnisgewinn der
Finanzverwaltung.
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bb) Der Klägerin war die Offenlegung der
Mieterdaten auch nicht unmöglich, weil darin eine
rechtswidrige Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu
sehen ist. Ungeachtet der Frage, ob die Datenschutz-Grundverordnung
auf die durch die Klägerin verantworteten
Verarbeitungsvorgänge Anwendung findet (Art. 2 Abs. 1 DSGVO),
war jedenfalls eine Einwilligung der Mieter nicht erforderlich.
Denn die Klägerin war nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst.
c, Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 29b Abs. 1, § 97 AO zur
Offenlegung der personenbezogenen Daten ihrer Mieter
berechtigt.
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(1) Das FG hat nicht geprüft, ob die
Datenschutz-Grundverordnung sachlich auf die durch die
Klägerin als Vermieterin verantworteten
Verarbeitungsvorgänge, insbesondere hinsichtlich der
Offenlegung gegenüber dem FA, anwendbar ist.
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Offensichtlich handelt es sich bei den Daten
der Mieter um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO und
die Offenlegung durch die Klägerin stellt einen
Verarbeitungsvorgang nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (zur weiten
Auslegung dieses Begriffs vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - Endemol Shine Finland vom
07.03.2024 - C-740/22, EU:C:2024:216, Rz 29). Ob es sich nach Art.
2 Abs. 1 DSGVO um eine ganz oder teilweise automatisierte
Verarbeitung oder um eine nichtautomatisierte Verarbeitung von
Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind, handelt, hat das
FG nicht ermittelt. Jedenfalls aber wäre die Verarbeitung nach
Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt. Danach
ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur
Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist,
welcher der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche
Verpflichtung der Klägerin ergibt sich vorliegend aus §
97 AO.
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(2) Es liegt eine zulässige
Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO vor. Die Offenlegung
der personenbezogenen Daten durch die Klägerin stellt eine
Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) zu einem anderen Zweck als
demjenigen dar, zu dem die personenbezogenen Daten der Mieter
erhoben wurden, nämlich zum Zweck der Durchführung der
Mietverträge (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO). Die
Offenlegungspflicht gegenüber dem FA beruht auf den
§§ 29b, 93, 97 AO als nationale Bestimmungen im Sinne von
Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Darüber hinaus stellt sie auch eine in
einer demokratischen Gesellschaft notwendige und
verhältnismäßige Maßnahme im Sinne von Art. 6
Abs. 4 DSGVO dar und sichert eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO
genannten Ziele. Denn zu diesen Zielen gehört nach Art. 23
Abs. 1 Buchst. e DSGVO auch der Schutz eines wichtigen
wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines
Mitgliedstaats, etwa im Währungs-, Haushalts- und
Steuerbereich, also sowohl die Steuererhebung als auch die
Bekämpfung von Steuerbetrug (vgl. EuGH-Urteil
„SS“ SIA gegen Valsts
ieòçmumu dienests vom 24.02.2022 - C-175/20,
EU:C:2022:124 = SIS 22 04 20, Rz
70, m.w.N.). Dass die Vorlage der Unterlagen notwendig und
verhältnismäßig ist, hat der Senat im Streitfall
bereits bejaht (unter II.1.b aa). Schließlich berührt
die Verpflichtung der Klägerin als Verantwortliche,
gemäß Art. 13 Abs. 3 DSGVO die Mieter über die
Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck zu informieren, ihre
Vorlagepflicht nicht.
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(3) Durchdringen kann die Klägerin
schließlich nicht mit ihrem - nicht weiter konkretisierten -
Einwand, die Vorlage sei nicht zumutbar, weil sie zu einem
strafrechtlich sanktionierten Verhalten aufgefordert werde. Dieser
Vorwurf kann sich allenfalls auf § 42 des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beziehen. Durch die Regelungen
sollen besonders schwerwiegende Verstöße gegen den
Schutz personenbezogener Daten erfasst werden (vgl. Becker in
Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 42 BDSG Rz 2;
Taeger/Gabel/Wybitul/Zhou, 4. Aufl. 2022, BDSG § 42 Rz 1).
§ 42 Abs. 1 BDSG betrifft die rechtswidrige Übermittlung
oder Zugänglichmachung von Daten einer großen Zahl von
Personen an Dritte, die gewerbsmäßig erfolgt. § 42
Abs. 2 BDSG betrifft Fälle, in denen eine unberechtigte
Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgt oder sich jemand
die Daten durch unrichtige Angaben erschleicht und dabei im
Einzelfall gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder
Schädigungsabsicht handelt. Diese Tatbestandsvoraussetzungen
sind offensichtlich nicht gegeben, was auch die Klägerin nicht
ernsthaft behauptet.
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cc) Das FA durfte die Daten aus den
Mietverträgen auch verarbeiten.
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(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten -
wozu nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch das Erheben und Erfassen der
Daten gehört - ist nur rechtmäßig, wenn mindestens
eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Bedingungen erfüllt
ist (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, vgl. u.a. Wackerbeck in HHSp,
§ 29b AO Rz 9, m.w.N.). Dies ist unter anderem nach Art. 6
Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO der Fall, wenn die Verarbeitung
für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im
öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung
öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen
übertragen wurde. Hierfür bedarf es gemäß Art.
6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO einer Rechtsgrundlage, die der
deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des
Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017
(BGBl I 2017, 2541) mit § 29b AO geschaffen hat (vgl.
Senatsurteil vom 05.09.2023 - IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II
2024, 159 = SIS 23 17 75, Rz 21). Die Vorschrift des § 29b AO
legitimiert die Finanzbehörden unter den dort genannten
Voraussetzungen für sämtliche das Steuerverfahrensrecht
betreffende Maßnahmen zur Verarbeitung personenbezogener
Daten. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 05.09.2023 - IX R
32/21 (BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159 = SIS 23 17 75)
ausgeführt, dass diese Norm den Anforderungen des Art. 6 Abs.
3 Satz 2 Alternative 1 DSGVO genügt und insbesondere nicht dem
unionsrechtlichen Normwiederholungsverbot widerspricht.
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(2) Wie der Senat ebenfalls bereits
entschieden hat, ergibt sich die Befugnis der Finanzbehörden,
mit Vorlageersuchen entweder bei den Beteiligten (§ 97 Abs. 1
Satz 1 AO) oder bei Dritten (Satz 3 der Vorschrift)
personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten,
abschließend aus der für das gesamte steuerliche
Verfahrensrecht geltenden - vorgeschalteten - Norm des § 29b
AO (Senatsurteil vom 05.09.2023 - IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II
2024, 159 = SIS 23 17 75, Rz 55). An der Erforderlichkeit der
Verarbeitung hat der Senat nach den obigen Ausführungen zu
§ 97 AO keinen Zweifel.
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2. Das FG hat auch nicht verfahrensfehlerhaft
entschieden.
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a) Eine Überraschungsentscheidung (Art.
103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO)
scheidet schon deshalb aus, weil die Frage, ob eine
Außenprüfung vorliegt, sowohl von der Klägerin in
ihren Schriftsätzen vom 02.06.2022 und 31.07.2022 als auch von
dem FA im Schriftsatz vom 24.06.2022 angesprochen worden war (vgl.
BFH-Beschluss vom 22.07.2014 - XI B 103/13 = SIS 14 27 28, Rz 15). Letztlich rügt die
Klägerin, dass das FG ihrer Rechtsansicht nicht gefolgt ist.
Dies stellt jedoch keinen Verstoß gegen das rechtliche
Gehör dar.
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b) Auch der von der Klägerin gerügte
Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung
rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung einer
Akteneinsicht in die Akte
„Dauerunterlagen“ liegt nicht vor.
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aa) Der Gehörsanspruch begründet
lediglich das Recht der Beteiligten, in die dem Gericht
vorliegenden Gerichtsakten - einschließlich der beigezogenen
Akten - Einsicht zu nehmen. Die beklagten Finanzbehörden sind
nach § 71 Abs. 2 FGO verpflichtet, die Steuerakten nach
Empfang der Klageschrift - von Amts wegen - an das Gericht zu
übermitteln. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet
keinen ausdrücklichen Hinweis des FG auf die
Selbstverständlichkeit, dass das FA seiner gesetzlichen
Pflicht zur Aktenübersendung nachgekommen ist. Nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist auf die
Beiziehung von Akten vielmehr nur dann hinzuweisen, wenn deren
Verwertung ohne einen solchen Hinweis die Beteiligten
überraschen würde, wie es beispielsweise bei Akten eines
fremden Verfahrens geboten sein kann (vgl. BFH-Beschluss vom
19.01.2011 - X B 204/10 = SIS 11 12 71, Rz 10, m.w.N.).
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bb) Danach liegt keine Gehörsverletzung
vor. Mit Schriftsatz vom 24.06.2022 hat das FA folgende Akten an
das FG übersandt: Einkommensteuerakte, Akte Dauerunterlagen,
Rechtsbehelfsakte. Diesen Schriftsatz hat das FG dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 01.07.2022 zur
Kenntnisnahme übersandt. Der Prozessbevollmächtigte hat
jedoch keine Akteneinsicht beantragt. Soweit die Klägerin
behauptet, das FG habe in der mündlichen Verhandlung
Auszüge aus der Akte Dauerunterlagen verlesen, ergibt sich
dies nicht aus dem Sitzungsprotokoll. Zudem hätte es der
Klägerin offen gestanden, rechtzeitig Einsicht in diese Akte
zu nehmen oder erforderlichenfalls Vertagung zu beantragen.
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c) Die Klägerin kann nicht mit Erfolg
eine Verletzung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz
2 GG geltend machen, indem sie erstmals im Revisionsverfahren die
Besorgnis der Befangenheit der erstinstanzlichen Richter
rügt.
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aa) Einem Ablehnungsgesuch fehlt das
Rechtsschutzinteresse, wenn es im abgeschlossenen Verfahren nach
Beendigung der Instanz gestellt wird, sofern sich die Ablehnung -
selbst wenn sie begründet wäre - nicht mehr auf die
Sachentscheidung des Gerichts auswirken könnte
(BFH-Beschlüsse vom 10.12.2014 - V B 145/14 = SIS 15 01 40, Rz 14 und vom 21.10.2015 - V B
36/15 = SIS 16 00 56, Rz 18).
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bb) Im erstinstanzlichen Verfahren hat die
Klägerin ausweislich der FG-Akte keinen Befangenheitsantrag
gestellt. Sie hat lediglich im Schriftsatz vom 31.07.2022 „im
Hinblick auf die Prüfung des Erfordernisses eines
Befangenheitsantrags und zur Prüfung der individuellen
Betroffenheit“ die Richter gebeten, ihren
individuellen Kenntnisstand des bisherigen Verfahrensverlaufs
darzulegen.
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d) Soweit die Klägerin vorbringt, das FG
hätte die Norm des § 97 AO nach Art. 267 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem
EuGH beziehungsweise nach Art. 100 Abs. 1 GG dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen müssen, stellt dies
ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar. Das FG ist als
erstinstanzliches Gericht gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV nur
berechtigt, nicht aber verpflichtet, eine Vorabentscheidung des
EuGH einzuholen (BFH-Beschluss vom 11.08.1999 - VII B 162/99, juris
= SIS 00 50 78, m.w.N.). Wenn das FG von einer Vorlage nach Art.
100 Abs. 1 GG an das BVerfG absieht, liegt auch darin kein
Verfahrensmangel, weil die Verfassungsmäßigkeit von
Gesetzen eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche
Frage ist (BFH-Beschluss vom 15.10.2019 - VIII B 70/19 =
SIS 20 00 62, Rz 21).
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e) Soweit schließlich die Klägerin
den Entzug des gesetzlichen Richters wegen einer
„Pseudorechtsprechung“ rügt und
eine „mögliche Manipulation der
Laienrichter“ in den Raum stellt, sind ihre
Ausführungen unsubstantiiert.
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3. Ein Vorabentscheidungsersuchen des
erkennenden Senats an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3
AEUV ist nicht geboten.
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a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
enthält der Streitfall zwar entscheidungserhebliche Fragen zur
Auslegung des Unionsrechts. Dieser Umstand verpflichtet den Senat
aber nicht, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Denn eine
Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, wenn zu der
entscheidungserheblichen Frage nach der Auslegung oder
Gültigkeit des Unionsrechts bereits eine gesicherte
Rechtsprechung des EuGH existiert („acte
éclairé“) oder die richtige
Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei
Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung
der gestellten Frage bleibt, sogenannte „acte
clair“ (EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio
di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 -
C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 13 ff.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom
04.03.2021 - 2 BvR 1161/19 = SIS 21 05 21, Rz 55; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl.,
Art. 267 AEUV Rz 33; Schönfeld, IStR 2022, 617, 623).
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b) Nach diesen Maßstäben bedarf es
im Streitfall keines Vorabentscheidungsersuchens. Durch die
Rechtsprechung des EuGH ist bereits geklärt, dass die
Steuererhebung - neben der Bekämpfung des Steuerbetrugs - eine
im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe im Sinne von Art. 6
Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO ist (EuGH-Urteil
„SS“ SIA gegen Valsts
ieòçmumu dienests vom 24.02.2022 - C-175/20,
EU:C:2022:124 = SIS 22 04 20, Rz
70). Schließlich hat sich der EuGH in seiner Entscheidung
Norra Stockholm Bygg vom 02.03.2023 - C-268/21, EU:C:2023:145
eingehend mit den Voraussetzungen für eine Zweckänderung
nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO auseinandergesetzt. Der Senat hat diese
Rechtssprechungsgrundsätze angewandt.
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4. Die Darlegungen und Rechtsausführungen
der Klägerin in ihren nach der Bekanntgabe der Urteilsformel
eingereichten Schriftsätzen sind bereits deshalb nicht
erheblich, weil der Senat an seine Entscheidung gebunden ist.
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Ein Urteil ist gemäß § 104
Abs. 1 FGO mit seiner Verkündung wirksam erlassen. Statt der
Verkündung ist nach § 104 Abs. 2 FGO die Zustellung des
Urteils - wie vorliegend geschehen - zulässig; es ist dann
binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der
Geschäftsstelle zu übermitteln. Nach ständiger
Rechtsprechung ist dieser Vorschrift auch dann genügt, wenn
(nur) die unterschriebene Urteilsformel (Tenor) fristgerecht der
Geschäftsstelle übermittelt wird. Mit der formlosen
Bekanntgabe der Urteilsformel an einen Beteiligten gilt die
Entscheidung als verkündet. Das Gericht ist dann an seine
Entscheidung gebunden (z.B. Senatsbeschluss vom 18.09.2014 - IX B
9, 19/14 = SIS 14 34 60, Rz 9);
eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt
nicht mehr in Betracht.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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