Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 13.04.2022 - 13 K 141/20 F =
SIS 22 10 19 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist
allein die Höhe des verrechenbaren Verlustes gemäß
§ 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger). Streitig ist die
Rechtmäßigkeit der Minderung der vom Kläger im Jahr
2016 (Streitjahr) geleisteten Einlagen um sogenannte Mehrentnahmen
aus Vorjahren.
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Der Kläger war zunächst
alleiniger Kommanditist der X-UG (haftungsbeschränkt) & Co.
KG. Im Jahr 2013 übertrug er einen Teilkommanditanteil auf A.
Nach Umwandlung der als Komplementärin beteiligten UG in eine
GmbH änderte sich die Bezeichnung der Kommanditgesellschaft in
X-GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG). Mit Beschluss des Amtsgerichts
(AG) B-Stadt vom … .2019 wurde über das Vermögen
der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der
Geschäftsbetrieb der KG wurde eingestellt. Die KG ist laut
Handelsregistereintrag vom … .2019 (Handelsregisterauszug
HRA … des AG C-Stadt vom 22.05.2024) aufgelöst. Der
Insolvenzverwalter hat im September 2020 die
Masseunzulänglichkeit angezeigt.
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Am 25.06.2018 reichte die KG beim Beklagten
und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) die
Feststellungserklärung für das Streitjahr ein. Das FA
erließ am 06.07.2018 einen Bescheid für 2016 über
die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) und des
verrechenbaren Verlustes gemäß § 15a Abs. 4 EStG
(Verlustfeststellungsbescheid). Dabei folgte es bezüglich der
Ermittlung des betrieblichen Gewinns der
Feststellungserklärung und berücksichtigte unter anderem
einen Hinzurechnungsbetrag gemäß § 7g Abs. 2 Satz 1
EStG. Abweichend von der Feststellungserklärung stellte das FA
einen verrechenbaren Verlust im Sinne des § 15a EStG für
den Kläger in Höhe von 34.594,79 EUR und für A in
Höhe von 65.713,95 EUR fest. Bei der Ermittlung des
verrechenbaren Verlustes des Klägers berücksichtigte das
FA einen Korrekturposten „Rückführung
Mehrentnahmen“. Grund hierfür war, dass
die Entnahmen des Klägers in den Jahren 2014 und 2015 dessen
Einlagen überstiegen hatten. Eine Gewinnhinzurechnung
gemäß § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG für diese
Einlageminderungen war unterblieben, weil in den
Feststellungszeiträumen bis einschließlich 2015 keine
ausgleichsfähigen Verluste auf den Kläger entfallen waren
(§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG). Die im Streitjahr vom Kläger
erbrachten Einlagen in Höhe von 139.354 EUR wertete das FA in
Höhe von 35.597,32 EUR als Rückführung der in den
Vorjahren getätigten sogenannten Mehrentnahmen. In Höhe
dieses Betrags brachte das FA einen die Einlagen mindernden
Korrekturposten „Rückführung
Mehrentnahmen“ in Abzug, so dass sich der
verrechenbare Verlust des Klägers entsprechend
erhöhte.
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Der nachfolgende Einspruch richtete sich
zum einen gegen die vom FA bei der Ermittlung des verrechenbaren
Verlustes zugrunde gelegte Kapitalkontenentwicklung sowie zum
anderen gegen die Minderung der vom Kläger im Streitjahr
geleisteten Einlagen um sogenannte Mehrentnahmen aus Vorjahren.
Nachdem im Einspruchsverfahren eine berichtigte Darstellung der
Kapitalkontenentwicklung für die Jahre 2012 bis 2016 vorgelegt
worden war, erließ das FA am 31.05.2019 einen geänderten
Gewinn- und Verlustfeststellungsbescheid, dem es die
überarbeitete Kapitalkontenentwicklung zugrunde legte.
Hinsichtlich des weiteren Streitpunkts - der Berücksichtigung
der Position „Rückführung
Mehrentnahmen“ in Höhe von nunmehr
35.087,31 EUR - half das FA dem Einspruch nicht ab. Es stellte
einen verrechenbaren Verlust gemäß § 15a EStG
für den Kläger in Höhe von 31.909,54 EUR und
für A in Höhe von 77.854,74 EUR fest. Mit der
Einspruchsentscheidung vom 13.12.2019, die laut Betreffzeile allein
die „Feststellung von Einkünften“
betraf, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens erließ das FA
am 24.04.2020 eine weitere Einspruchsentscheidung betreffend die
Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG,
gegen die ebenfalls Klage erhoben wurde. Das Finanzgericht (FG) hat
die Verfahren verbunden.
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Im finanzgerichtlichen Verfahren wandten
sich der Kläger und A gegen die Ermittlung des verrechenbaren
Verlustes gemäß § 15a EStG durch das FA. Zum einen
sei der Ansatz der Position „Rückführung
Mehrentnahmen“ beim Kläger rechtswidrig,
da hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe. Zum anderen
sei der unter Berücksichtigung der außerbilanziellen
Hinzurechnung gemäß § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG
ermittelte steuerpflichtige Verlust anzusetzen, so dass der Verlust
des Klägers in voller Höhe ausgleichsfähig und der
Verlust der A nur in Höhe von 60.729,23 EUR nicht
ausgleichsfähig sei.
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Das FG, das nicht die KG, sondern deren
Mitunternehmer als Kläger ansah, gab der Klage teilweise
statt. Der Verlustfeststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG
sei rechtswidrig, soweit das FA bei der Ermittlung des
verrechenbaren Verlustes zum Nachteil des Klägers die Position
„Rückführung Mehrentnahmen“
berücksichtigt habe. Nicht zu beanstanden sei hingegen die
für den Kläger und A nachteilige
Nichtberücksichtigung der außerbilanziellen
Hinzurechnung gemäß § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG. Soweit
sich der Kläger auch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid
gewendet habe, sei die Klage unbegründet.
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Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung von Bundesrecht rügt.
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Das FA beantragt,
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das Urteil des FG Münster vom
13.04.2022 - 13 K 141/20 F aufzuheben, soweit dieses den
verrechenbaren Verlust des Klägers im Bescheid über die
Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4
EStG für 2016 auf 0 EUR herabgesetzt hat, und die Klage des
Klägers auch insoweit als unbegründet abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das beigetretene Bundesministerium der
Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zutreffend entschieden, dass im
Rahmen der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes des Klägers
eine Minderung der von diesem im Streitjahr geleisteten Einlagen um
sogenannte Mehrentnahmen aus Vorjahren nicht zulässig ist.
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1. Beteiligter des Revisionsverfahrens ist
neben dem FA und dem BMF nur noch der Kläger, nicht auch
A.
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Nach § 122 Abs. 1 FGO ist zwar
Beteiligter am Verfahren über die Revision, wer am Verfahren
über die Klage beteiligt war.
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Das FG hat - nach rechtsschutzgewährender
Auslegung der Klageschrift - angenommen, dass der Kläger und A
Klage erhoben haben, da die KG im Zeitpunkt der Klageerhebung
bereits faktisch vollbeendet und ihre Klagebefugnis erloschen war.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. z.B. Urteile
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 03.09.2009 - IV R 17/07, BFHE 227,
293, BStBl II 2010, 631 = SIS 10 02 61, unter B.I.2.a aa; vom
23.01.2001 - VIII R 30/99, BFHE 194, 403, BStBl II 2001, 621 = SIS 01 07 62, unter II.2.; vom 30.03.2017 - IV R 4/15 = SIS 17 11 97, Rz 27) und auch zwischen den
Beteiligten unstreitig, so dass der Senat von weiteren
Ausführungen absieht. A ist aber nicht mehr Beteiligte des
Revisionsverfahrens, weil sich das FA mit seiner Revision allein
gegen die Herabsetzung des verrechenbaren Verlustes des
Klägers durch das FG wendet und der Kläger und A -
bezogen auf den Verfahrensgegenstand (hierzu unter 2.) - keine
notwendige Streitgenossenschaft gebildet haben (vgl. Bergkemper in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 3;
Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 122
Rz 2).
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die
Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4
Satz 1 EStG des Klägers für das Streitjahr.
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a) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es
sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Einkünften im Sinne von § 179 Abs. 1 und Abs. 2, §
180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) und der
Feststellung des verrechenbaren Verlustes im Sinne des § 15a
Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die auch gesondert und
unabhängig voneinander angefochten werden können und
selbständig der Bestandskraft fähig sind. Dies gilt auch
dann, wenn - wie vorliegend - die Bescheide gemäß §
15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden werden (z.B.
BFH-Urteil vom 02.02.2017 - IV R 47/13, BFHE 257, 91, BStBl II
2017, 391 = SIS 17 04 04, Rz 12).
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b) Mit der Revision wendet sich das FA gegen
die Herabsetzung des verrechenbaren Verlustes des Klägers im
Streitjahr auf 0 EUR. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist
dementsprechend nur die Höhe des im
Verlustfeststellungsbescheid vom 31.05.2019 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24.04.2020 festgestellten verrechenbaren
Verlustes des Klägers.
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3. Das FG hat zutreffend entschieden, dass im
Rahmen der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes des Klägers
dessen im Streitjahr erbrachte Einlagen in vollem Umfang zu
berücksichtigen sind und sich somit ein verrechenbarer Verlust
in Höhe von 0 EUR ergibt. Dies folgt aus § 15a Abs. 1
Satz 1 EStG, der auf dem Prinzip des stichtagsbezogenen
Kapitalkontenvergleichs beruht (hierzu unter a). Eine Minderung
dieser Einlagen um sogenannte Mehrentnahmen aus Vorjahren kommt bei
wortgetreuer Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG nicht in Betracht
(hierzu unter b). Eine entsprechende Minderung lässt sich auch
nicht aus einer teleologischen Reduktion des Einlagebegriffs in
§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG herleiten (hierzu unter c).
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a) Die Ermittlung des verrechenbaren Verlustes
des Klägers unter Einbeziehung der von ihm im Streitjahr
geleisteten Einlagen folgt aus § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG.
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aa) Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf
der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG
weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit
Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden,
soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder
sich erhöht; er darf insoweit auch nicht nach § 10d EStG
abgezogen werden. Gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG
ist der nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichs- oder
abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die
nach § 15a Abs. 2 EStG abzuziehenden und vermehrt um die nach
§ 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnenden Beträge
(verrechenbarer Verlust), jährlich gesondert
festzustellen.
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bb) Das Gesetz definiert den Begriff des
Kapitalkontos im Sinne des § 15a EStG nicht. Nach der
Rechtsprechung des BFH ist das nach steuerrechtlichen
Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto des Kommanditisten in der
Gesamthandsbilanz der Gesellschaft zuzüglich gegebenenfalls
bestehender Ergänzungsbilanzen des Kommanditisten gemeint, das
durch Einlagen in das Gesellschaftsvermögen beziehungsweise
durch Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen bestimmt wird
(z.B. BFH-Urteile vom 07.10.2004 - IV R 50/02, BFH/NV 2005, 533 =
SIS 05 15 80, unter 1.a; vom 24.04.2014 - IV R 18/10 = SIS 14 24 36, Rz 21; vom 10.11.2022 - IV R
8/19, BFHE 278, 487, BStBl II 2023, 332 = SIS 23 00 85, Rz 27).
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cc) Systematische Grundlage des § 15a
EStG ist eine Verlustverrechnung nach Maßgabe des
Haftungsbetrags am Bilanzstichtag (BT-Drucks. 8/4157, S. 3). Ob ein
negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, bestimmt
sich - wie § 15a Abs. 1 EStG zeigt - durch einen Vergleich des
Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der
Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres (sogenanntes Prinzip des stichtagsbezogenen
Kapitalkontenvergleichs, Wacker, DB 2004, 11; Steger, DStR 2022,
2351; vgl. auch BFH-Urteile vom 14.10.2003 - VIII R 32/01, BFHE
203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09, unter II.1.; vom
14.12.1995 - IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226 = SIS 96 09 37, unter III.5.a). Der Betrag, in Höhe dessen ein
negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht, erhöht
danach den zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres
festzustellenden verrechenbaren Verlust (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
02.02.2017 - IV R 47/13, BFHE 257, 91, BStBl II 2017, 391 = SIS 17 04 04, Rz 15; vom 10.11.2022 - IV R 8/19, BFHE 278, 487, BStBl II
2023, 332 = SIS 23 00 85, Rz 25).
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dd) Einfluss auf die Höhe des
Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der
Verlustentstehung haben demnach grundsätzlich nur Einlagen und
Entnahmen, die im Wirtschaftsjahr der Verlustentstehung erfolgen.
Dementsprechend erhöhen auch die vom Kläger im Streitjahr
geleisteten Einlagen den Kapitalkontenstand zum Ende des
Streitjahres und mindern entsprechend die Höhe der
verrechenbaren Verluste des Klägers.
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b) Die wortgetreue Auslegung des § 15a
Abs. 1 EStG schließt die Berücksichtigung eines
Korrekturbetrags „Rückführung
Mehrentnahmen“ in Höhe von 35.087,31 EUR
aus.
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aa) Nach dem eindeutigen Wortlaut des §
15a Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Frage, ob ein negatives Kapitalkonto
entsteht oder sich erhöht, allein anhand eines
stichtagsbezogenen Vergleichs des Kapitalkontenstands am Ende des
Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des
vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu beantworten. Die
Anknüpfung an die Kapitalkontenentwicklung des
Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung macht deutlich, dass nach
der gesetzlichen Konzeption Entnahmen des Vorjahres für die
Ermittlung des verrechenbaren Verlustes des Wirtschaftsjahres der
Verlustentstehung grundsätzlich unbeachtlich sind und der
Einlagebegriff in § 15a Abs. 1 EStG die im Wirtschaftsjahr der
Verlustentstehung erbrachte Einlage meint.
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Auch für den von der Finanzverwaltung
für zutreffend erachteten
„Korrekturmechanismus“ bei der
Ermittlung des verrechenbaren Verlustes des Klägers
gemäß § 15a Abs. 1 EStG - das heißt die
Minderung der vom Kläger erbrachten Einlagen um einen
(negativen außerbilanziellen) Korrekturbetrag für
sogenannte Mehrentnahmen - findet sich im Wortlaut des Gesetzes
keinerlei Anhalt.
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bb) Dementsprechend hat die Tatsache, dass die
Mittel für die Einlagen des Klägers bei wirtschaftlicher
Betrachtung aus Entnahmen stammen, die dieser in den Vorjahren -
über die von ihm erbrachten Einlagen hinaus - getätigt
hat und die wegen § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG nicht zu einer
Gewinnhinzurechnung geführt haben, auf die Ermittlung des
Kapitalkontenstands zum Ende des Wirtschaftsjahres der
Verlustentstehung und damit auf die Ermittlung des verrechenbaren
Verlustes des Klägers für das Streitjahr bei wortgetreuer
Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG keinen Einfluss.
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c) Die Minderung der vom Kläger im
Streitjahr erbrachten Einlagen um sogenannte Mehrentnahmen aus
Vorjahren lässt sich - entgegen der Auffassung der
Finanzverwaltung - auch nicht aus einer teleologischen Reduktion
des Einlagebegriffs in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG herleiten.
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aa) Gegen seinen Wortlaut ist die Auslegung
eines Gesetzes ausnahmsweise dann möglich, wenn die
wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt,
das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann, oder wenn sonst
anerkannte Auslegungsmethoden dies verlangen (vgl. BFH-Urteil vom
09.03.2023 - IV R 11/20, BFHE 279, 531, BStBl II 2023, 830 = SIS 23 10 46, Rz 22). Die teleologische Reduktion einer Gesetzesbestimmung,
die darauf abzielt, den Geltungsbereich der Norm mit Rücksicht
auf ihren Zweck gegenüber ihrem zu weit gefassten Wortlaut
einzuschränken, ist dementsprechend nicht schon dann
gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung
rechtspolitisch fehlerhaft erscheint (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
26.06.2007 - IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893 = SIS 07 31 78, unter II.5.; vom 22.10.2015 - IV R 37/13, BFHE 252, 68,
BStBl II 2016, 919 = SIS 16 03 08, Rz 24; vom 13.12.2022 - VIII R
23/20, BFHE 279, 132, BStBl II 2023, 480 = SIS 23 04 14, Rz 19; vom
09.03.2023 - IV R 25/20, BFHE 279, 545, BStBl II 2023, 836 = SIS 23 06 50, Rz 25).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen
kommt eine teleologische Reduktion des Einlagebegriffs in §
15a Abs. 1 Satz 1 EStG dahin, dass Verlustausgleichsvolumen nicht
durch Einlagen aus der Rückführung sogenannter
Mehrentnahmen geschaffen werden darf, nicht in Betracht. Die
wortgetreue Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG führt in den
Fällen der Rückführung sogenannter Mehrentnahmen
nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis.
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aaa) § 15a EStG will dem Kommanditisten
einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit gewähren, als
er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. Die Belastung
kann nicht über den Betrag hinausgehen, mit dem der
Kommanditist im Innenverhältnis für Schulden der
Gesellschaft haftet (BFH-Urteil vom 10.11.2022 - IV R 8/19, BFHE
278, 487, BStBl II 2023, 332 = SIS 23 00 85, Rz 30).
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§ 15a EStG beruht auf einer Typisierung,
nach der - sowohl zur Vermeidung unerwünschter
Gestaltungsmöglichkeiten als auch im Interesse einer
möglichst einfachen Handhabung der Regelung - aufgrund eines
Kapitalkontenvergleichs gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1
EStG (Grundregel) die Zurechnung ausgleichsfähiger Verluste
grundsätzlich auf den Betrag der geleisteten Einlage
beschränkt wird und ein darüber hinausgehender - das
heißt die Einlage überschreitender - Verlustausgleich
nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG (erweiterter Verlustausgleich)
daran gebunden ist, dass der Kommanditist mit einer gegenüber
der geleisteten Einlage höheren Haftsumme im Handelsregister
eingetragen ist und somit im Verhältnis zu den Gläubigern
der KG einer sogenannten überschießenden
Außenhaftung unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2003 -
VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09,
unter II.2., m.w.N.). Allerdings kann es nicht als allgemein
gültiges Element des gesetzgeberischen Plans angesehen werden,
in allen denkbaren Fällen eine Kongruenz von Haftungsumfang
und steuerrechtlicher Verlustausgleichsmöglichkeit zu
gewährleisten (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 32/01,
BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09, unter II.3.).
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bbb) Dass der Kommanditist im Jahr der Einlage
Verlustausgleichsvolumen schafft, obwohl er bei einer
jahresübergreifenden wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mit
der Einlage sogenannte Mehrentnahmen zurückführt und der
Gesellschaft letztlich kein „neues
Kapital“ zur Verfügung stellt,
widerspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 15a Abs. 1 EStG.
Denn auch in diesem Fall kommt der Kommanditist mit der Einlage
für die Verluste des laufenden Wirtschaftsjahres auf. Dass der
Einlage in den Vorjahren Entnahmen vorausgegangen sind, die wegen
§ 15a Abs. 3 Satz 2 EStG nicht zu einer Gewinnzurechnung
geführt haben, ändert hieran nichts. Die ungekürzte
Berücksichtigung der Einlagen entspricht sowohl der
stichtagsbezogenen Systematik des § 15a Abs. 1 EStG als auch
dem Ziel des Gesetzgebers, die Regelung einfach handhabbar zu
gestalten. Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht erkennen,
dass die wortgetreue Auslegung des § 15a Abs. 1 EStG zu einem
sinnwidrigen Ergebnis führt.
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ccc) Der Umstand, dass in den Fällen der
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen für den
Kommanditisten ein - jedenfalls aus Sicht der Finanzverwaltung -
ungerechtfertigter Vorteil entsteht und aus diesem Grund die
Berücksichtigung eines negativen außerbilanziellen
Korrekturpostens für die Rückführung sogenannter
Mehrentnahmen unter Umständen
„(sach-)gerechter“ wäre (so wohl
auch Steger, DStR 2022, 2351, 2355), lässt die Regelung
möglicherweise als rechtspolitisch fehlerhaft erscheinen. Eine
Rechtfertigung für eine teleologische Reduktion des § 15a
Abs. 1 EStG ergibt sich hieraus jedoch nicht. Dies gilt auch in
Bezug auf die von der Finanzverwaltung angesprochenen
Manipulationsmöglichkeiten durch ein
„’Hin und Her’ von Entnahme
und Einlage“, zumal unklar ist, in welchem
zeitlichen Gefüge ein missbräuchliches
„’Hin und Her’ von Entnahme
und Einlage“ anzunehmen wäre und welchen
Einfluss andere, außersteuerliche Umstände wie etwa
Vorgaben Dritter (zum Beispiel von Kreditinstituten) zur
Kapitalausstattung der Gesellschaft in diesem Zusammenhang für
die Rechtsanwendung hätten.
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ddd) Auch der Einwand des BMF, ohne die
Berücksichtigung eines Korrekturpostens für die
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen ergäben sich
steuerliche Anreize für den Mitunternehmer, durch
entsprechende Entnahmen eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft
herbeizuführen, statt das Kapital in der Gesellschaft zu
belassen, kann nicht begründen, dass die wortgetreue Auslegung
des § 15a Abs. 1 EStG in den Fällen sogenannter
Mehrentnahmen zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt. § 15a
EStG dient nicht der Kapitalerhaltung, sondern dazu, dem
Kommanditisten den Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren,
als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet ist.
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eee) Will der Gesetzgeber in den Fällen
der Rückführung sogenannter Mehrentnahmen vom
Grundkonzept des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs
abweichen und den Begriff der Einlage einschränken, muss er
hierfür - ähnlich wie er dies in § 15a Abs. 3 EStG
für die Fälle der sogenannten Einlageminderung getan hat
- eine gesetzliche Regelung schaffen.
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4. Entgegen der Auffassung der
Finanzverwaltung kann eine Minderung der vom Kläger im
Streitjahr erbrachten Einlagen um sogenannte Mehrentnahmen auch
nicht aus § 15a Abs. 3 EStG hergeleitet werden.
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Die Regelung schränkt zwar das Prinzip
des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs für die
Fälle einer Einlage- beziehungsweise Haftungsminderung in
gewisser Weise ein, sie erfasst jedoch bei wortgetreuer Auslegung
nicht den Fall der sogenannten Mehrentnahme (hierzu unter a). Eine
teleologische Extension des § 15a Abs. 3 EStG auf den Fall der
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen kommt nicht in
Betracht (hierzu unter b).
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a) § 15a Abs. 3 EStG enthält
Regelungen zur Einlage- und Haftungsminderung. Soweit ein negatives
Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich
erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht aufgrund der
Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu
berücksichtigende Haftung be- oder entsteht, ist dem
Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn
zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG). Wird der
Haftungsbetrag im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG gemindert
(Haftungsminderung) und sind im Wirtschaftsjahr der
Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren
Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichs- oder
abzugsfähig gewesen, so ist dem Kommanditisten der Betrag der
Haftungsminderung, vermindert um aufgrund der Haftung
tatsächlich geleistete Beträge, als Gewinn zuzurechnen
(§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG). Der aufgrund der Einlage- oder
Haftungsminderung zuzurechnende Betrag darf den Betrag der Anteile
am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr
der Einlage beziehungsweise Haftungsminderung und in den zehn
vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig
gewesen ist (§ 15a Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 letzter Halbsatz
EStG). Der zuzurechnende Betrag mindert die Gewinne, die dem
Kommanditisten im Wirtschaftsjahr der Zurechnung oder in
späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG
zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG).
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aa) Danach erachtet das Gesetz einen
Verlustausgleich des Kommanditisten als nicht gerechtfertigt, wenn
das am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung bestehende
Eigenkapital der Gesellschaft alsbald wieder entzogen wird. §
15a Abs. 3 EStG macht daher den Verlustausgleich
rückgängig. Rechtstechnisch geschieht dies nicht durch
eine rückwirkende Änderung der Feststellung nach §
15a Abs. 4 EStG für das Jahr der Verlustentstehung, sondern
durch die Zurechnung eines Betrags in Höhe der Einlage- oder
Haftungsminderung als fiktiver (laufender) Gewinn (§ 15a Abs.
3 Satz 1 EStG). In gleicher Höhe wird der früher
ausgleichsfähige Verlustanteil in einen verrechenbaren
Verlustanteil „umgepolt“ (§ 15a
Abs. 3 Satz 4 EStG). Dementsprechend räumt § 15a Abs. 3
EStG einer nachträglichen Entnahme ausnahmsweise Relevanz in
Bezug auf den steuerrechtlichen Verlustausgleich ein. Insoweit
kommt es in den Fällen der Einlageminderung zu einer gewissen
Einschränkung des Prinzips des stichtagsbezogenen
Kapitalkontenvergleichs.
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bb) § 15a Abs. 3 EStG regelt dem Wortlaut
nach allerdings nur die Fälle der Einlage- und
Haftungsminderung, nicht hingegen den Fall der
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen.
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aaa) Die Regelung erfasst die vom Kläger
in den Jahren 2014 und 2015 getätigten Entnahmen. Diese
unterfielen § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG, führten jedoch -
mangels ausgleichsfähiger Verluste des Klägers - nicht zu
einer Gewinnhinzurechnung. Denn nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG
darf der zuzurechnende Betrag den Betrag der Verlustanteile nicht
übersteigen, die im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und
den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- und
abzugsfähig gewesen sind. Die ausgleichsfähigen Verluste
bilden insoweit nicht nur die Höchstgrenze des
Zurechnungsbetrags, sondern sind zugleich auch Voraussetzung
für die Gewinnzurechnung. Ohne ausgleichsfähige Verluste
in den Vorjahren ist kein Verlustausgleich rückgängig zu
machen (vgl. Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 15a Rz
63).
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bbb) Zu der vorliegend streitigen
„Rückführung Mehrentnahmen“
enthält § 15a Abs. 3 EStG demgegenüber keine
Aussage. Er bietet auch keine Grundlage für die - aus Sicht
der Finanzverwaltung - zu ziehende Rechtsfolge, das heißt die
Berücksichtigung eines (negativen außerbilanziellen)
Korrekturpostens „Rückführung
Mehrentnahmen“.
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b) Eine teleologische Extension des § 15a
Abs. 3 EStG dahin, dass sogenannte Mehrentnahmen aus Vorjahren bei
der Berechnung des verrechenbaren Verlustes zu berücksichtigen
sind, kommt - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - nicht
in Betracht.
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aa) Eine teleologische Extension setzt eine
Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck
unvollständig, das heißt ergänzungsbedürftig
sein. Ihre
Ergänzung darf allerdings nicht einer vom Gesetzgeber
beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände
widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch
als verbesserungsbedürftig anzusehen ist
(„rechtspolitischer Fehler“), reicht
nicht aus (z.B. BFH-Urteil vom 19.07.2018 - IV R 39/10, BFHE 262,
149, BStBl II 2019, 77 = SIS 18 14 50, Rz 27).
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bb) § 15a Abs. 3 EStG ist in Bezug auf
die Fälle der Rückführung sogenannter Mehrentnahmen
gemessen an seinem Sinn und Zweck nicht lückenhaft.
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§ 15a Abs. 3 EStG bezweckt, eine Umgehung
der aus § 15a Abs. 1 EStG folgenden Begrenzung des
Verlustausgleichs durch vorübergehende höhere Einlagen in
das Gesellschaftsvermögen oder eine nur vorübergehende
Erweiterung der Außenhaftung zu verhindern (BFH-Urteil vom
20.06.2024 - IV R 17/21 = SIS 24 13 89, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 23;
vgl. auch BT-Drucks. 8/3648, S. 17). Dementsprechend macht §
15a Abs. 3 EStG den Verlustausgleich rückgängig, weil die
wirtschaftliche Belastung, die diesen zunächst gerechtfertigt
hat, nachträglich entfällt (vgl. z.B. Krumm in
Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 15a Rz 55). Durch eine
entsprechende Gewinnhinzurechnung soll das gleiche Ergebnis
herbeigeführt werden, als wenn von vornherein eine geringere
Einlage geleistet worden wäre oder eine geringere Haftung
bestanden hätte und der Verlustanteil bereits im
Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich
verrechenbar gewesen wäre (z.B. BFH-Urteil vom 20.11.2014 - IV
R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532 = SIS 15 06 42, Rz 28,
m.w.N.). Eine Gewinnhinzurechnung ist allerdings ausgeschlossen,
wenn es - wie im Streitfall - keine ausgleichsfähigen Verluste
in den Vorjahren gab.
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Demnach will § 15a Abs. 3 EStG lediglich
in dem Fall einer Einlage- beziehungsweise Haftungsminderung die
Korrektur eines bereits erfolgten Verlustausgleichs
ermöglichen, nicht aber Regelungen zu einer nachfolgenden
„Wiedereinlage“ treffen. Die Regelung
ist insoweit nicht lückenhaft, wie die Finanzverwaltung meint.
Vielmehr widerspräche eine Erweiterung ihres
Anwendungsbereichs auf die Fälle der Rückführung
sogenannter Mehrentnahmen der vom Gesetzgeber beabsichtigten
Beschränkung der Norm auf den Tatbestand der Einlage- und
Haftungsminderung.
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5. Das von der Finanzverwaltung bevorzugte
Normverständnis lässt sich auch nicht mit anderen
Erwägungen begründen.
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a) Die unter 3. und 4. dargelegten Gründe
lassen es - entgegen der Auffassung des BMF - nicht zu, aus einer
Gesamtschau der Regelungen, insbesondere aus § 15a Abs. 1 Satz
1 und Abs. 3 EStG, herzuleiten, dass in den Fällen der
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen ein (negativer
außerbilanzieller) Korrekturposten zu bilden ist.
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b) Auch ein Rückgriff auf die zur
früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BFH zur
Bildung eines (positiven außerbilanziellen) Korrekturpostens
für nachträgliche Einlagen (z.B. BFH-Urteil vom
14.10.2003 - VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09) kann das von der Finanzverwaltung gewünschte
Ergebnis nicht begründen.
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aa) Nach dieser Rechtsprechung führten
Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet
und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch
ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurden, zum Ansatz eines
(positiven außerbilanziellen) Korrekturpostens mit der
weiteren Folge, dass - abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs.
1 Satz 1 EStG - Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum
Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu
qualifizieren waren, wenn hierdurch (erneut) ein negatives
Kapitalkonto entstand oder sich erhöhte (vgl. BFH-Urteile vom
14.10.2003 - VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09; vom 26.06.2007 - IV R 28/06, BFHE 218, 285, BStBl II
2007, 934 = SIS 07 31 18; vom 20.09.2007 - IV R 10/07, BFHE 219,
92, BStBl II 2008, 118 = SIS 08 04 25; vom 02.02.2017 - IV R 47/13,
BFHE 257, 91, BStBl II 2017, 391 = SIS 17 04 04, Rz 18).
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Seinerzeit war der BFH der Auffassung, der
nach § 15a Abs. 1 EStG erforderliche Vergleich des
Kapitalkontenstands am Ende des Wirtschaftsjahres der
Verlustentstehung mit demjenigen am Ende des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres führe für den Fall, dass eine Einlage
vor dem Wirtschaftsjahr der Verlustentstehung geleistet und nicht
durch (ausgleichsfähige) Verluste verbraucht werde, zu -
gemessen am Regelungszweck sowie der Systematik des § 15a EStG
- sinnwidrigen Ergebnissen. Die Vorschrift des § 15a Abs. 1
Satz 1 EStG sei deshalb für diese Fallkonstellation
teleologisch zu reduzieren und die dadurch entstehende (verdeckte)
Regelungslücke im Wege eines Analogieschlusses entsprechend
dem Regelungsplan und der Entstehungsgeschichte des § 15a EStG
dadurch zu schließen, dass außerhalb des
Kapitalkontenvergleichs der geleistete Einlagebetrag - soweit er
nicht durch im Wirtschaftsjahr der Einlage zugerechnete
ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurde - als
Korrekturposten festzustellen sei. Damit waren Verlustanteile des
Kommanditisten in den folgenden Wirtschaftsjahren bis zur Höhe
des (noch) nicht verbrauchten Korrekturpostens auch dann als
ausgleichsfähig zu qualifizieren, wenn durch die
Verlustzurechnung ein negatives Kapitalkonto entstand oder sich
erhöhte (BFH-Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 32/01, BFHE 203,
462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09, unter II.1.).
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Demnach wollte die Rechtsprechung zwar - um
einer Verletzung des Gleichheitssatzes entgegenzuwirken (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 26.06.2007 - IV R 28/06, BFHE 218, 285, BStBl II
2007, 934 = SIS 07 31 18, unter II.2.b aa) - „nicht
verbrauchte Einlagen“ in Folgejahren für
den sofortigen Verlustabzug nutzbar machen. Um dies zu erreichen,
durchbrach sie das Stichtagsprinzip des § 15a Abs. 1 EStG. Die
Rechtsprechung nahm allerdings keine einschränkende Auslegung
des Einlagebegriffs des § 15a Abs. 1 EStG vor.
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bb) Dieser Rechtsprechung des BFH hat der
Gesetzgeber mit Einführung des § 15a Abs. 1a EStG durch
das Jahressteuergesetz (JStG) 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008,
2794), der gemäß § 52 Abs. 33 Satz 6 EStG i.d.F.
des JStG 2009 für alle nach dem 24.12.2008 getätigten
Einlagen zur Anwendung kommt, den Boden entzogen. Seither besteht
kein Raum mehr für die Annahme einer Unvollständigkeit
des Gesetzes in Bezug auf die Behandlung von „vorgezogenen
Einlagen“, die wesentliche Voraussetzung
für diese Rechtsprechung des BFH war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
26.06.2007 - IV R 28/06, BFHE 218, 285, BStBl II 2007, 934 = SIS 07 31 18, unter II.2.b aa, m.w.N.).
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57
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aaa) § 15a Abs. 1a Satz 1 EStG sieht vor,
dass nachträgliche Einlagen weder zu einer nachträglichen
Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit eines vorhandenen
verrechenbaren Verlustes noch zu einer Ausgleichs- oder
Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden Anteils
am Verlust eines zukünftigen Wirtschaftsjahres führen,
soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto des
Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Nachträgliche
Einlagen im Sinne des § 15a Abs. 1a Satz 1 EStG sind Einlagen,
die nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres geleistet werden, in dem
ein nicht ausgleichs- oder abzugsfähiger Verlust im Sinne des
§ 15a Abs. 1 EStG entstanden oder ein Gewinn im Sinne des
§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG zugerechnet worden ist (§ 15a
Abs. 1a Satz 2 EStG).
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bbb) In § 15a Abs. 1a Satz 1 EStG
knüpft der Gesetzgeber ausdrücklich an das Grundprinzip
des stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs an und entzieht
damit der Rechtsprechung des BFH zur Bildung eines (positiven
außerbilanziellen) Korrekturpostens für
„vorgezogene Einlagen“ den Boden.
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Die Bildung eines entsprechenden
Korrekturpostens für nach dem 24.12.2008 getätigte
„vorgezogene Einlagen“ ist nach dem
Willen des Gesetzgebers unabhängig davon ausgeschlossen, dass
der Kommanditist durch eine entsprechende Einlage, die er zum
Ausgleich eines negativen Kapitalkontos leistet, bei
wirtschaftlicher Betrachtung (auch) die Verluste vergangener Jahre
trägt. Eine Berücksichtigung entsprechender Einlagen
kommt nunmehr - soweit sie sich nicht im Zusammenhang mit Verlusten
im Wirtschaftsjahr der Einlage auswirken - lediglich nach
Maßgabe des § 15a Abs. 2 Satz 2 EStG und damit erst im
Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe des gesamten
Mitunternehmeranteils oder der Betriebsveräußerung oder
-aufgabe in Betracht. Eine von der Rechtsprechung zu
schließende Gesetzeslücke in Bezug auf
„vorgezogene Einlagen“ ist damit nicht
mehr ersichtlich. Auch eine Durchbrechung des § 15a EStG
zugrunde liegenden Stichtagsprinzips ist auf dieser Grundlage nicht
mehr begründbar, und zwar weder für entsprechende
„vorgezogene Einlagen“ noch für den
Fall der Rückführung sogenannter Mehrentnahmen.
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c) Der - allein unter Verweis auf die nicht
näher erläuterte Formulierung der Gesetzesbegründung
(vgl. BT-Drucks. 16/10189, S. 49) erhobene - Einwand des BMF in der
mündlichen Verhandlung, § 15a Abs. 1a EStG diene der
Missbrauchsbekämpfung und verfolge damit ähnliche Ziele
wie die vorliegend streitige Berücksichtigung eines negativen
Korrekturpostens für sogenannte Mehrentnahmen, überzeugt
nicht. Denn der Senat kann bereits nicht erkennen, welche
Missbrauchsfälle von § 15a Abs. 1a EStG erfasst werden
sollen.
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61
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d) Entgegen der Auffassung des BMF führt
auch die Rechtsprechung des BFH zur sogenannten späteren
haftungsbeendenden Einlage des Kommanditisten (vgl. BFH-Beschluss
vom 10.06.1999 - IV B 126/98, BFH/NV 1999, 1461 = SIS 99 52 63) zu
keinem anderen Ergebnis, denn sie betrifft weder das Problem der
Rückführung sogenannter Mehrentnahmen, noch liefert sie
für diese Fälle einen hinreichenden Grund, die bei
wortgetreuer Auslegung des Gesetzes gebotene stichtagsbezogene
Betrachtung zu durchbrechen.
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6. Schließlich hat das FG auch
zutreffend erkannt, dass die vom FA vorgenommene Minderung des
ausgleichs- beziehungsweise abzugsfähigen Verlustes des
Klägers nicht auf § 42 AO gestützt werden kann.
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63
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a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch
den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das
Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung
in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von
Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach
jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls
entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim
Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO so,
wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen
rechtlichen Gestaltung entsteht.
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Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2
Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung
gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im
Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich
nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn
der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung
außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2
Satz 2 AO).
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b) Ausgehend von den Feststellungen des FG
fehlt es im Streitfall an Hinweisen darauf, dass der Kläger
den in § 15a Abs. 1 EStG festgeschriebenen Grundsatz des
stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleichs in
rechtsmissbräuchlicher Weise durch gegenläufige Entnahmen
und Einlagen in zeitlicher Nähe zum Jahreswechsel ausgenutzt
hat. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass der
Senat auf weitergehende Ausführungen verzichtet.
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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