Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.04.2022 - 3
K 273/20 = SIS 22 17 14
aufgehoben.
Die Steuer wird unter Änderung des
Schenkungsteuerbescheids vom 29.11.2017 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13.07.2020 auf 59.140 EUR
festgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der
Kläger in Höhe von 26 % und der Beklagte in Höhe von
74 % zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erhielt mit Vertrag vom 03.11.2016 von seiner
Schwester ein Darlehen in Höhe von 1.875.768,05 EUR. Das
Darlehen galt als zum 01.01.2016 ausgezahlt. Die Darlehenssumme
wurde rückwirkend zum 01.01.2016 mit 1 % verzinst. Das
Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit
einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019
gekündigt werden.
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Mit Bescheid vom 29.11.2017 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) Schenkungsteuer
in Höhe von 229.500 EUR fest. Dabei ging das FA von einem
steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 785.008 EUR mit Wirkung
zum 01.01.2016 aus. In der verbilligten Überlassung der
Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung in
Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten
Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen
Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs.
1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 5,5 %. Da es sich
um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte,
bewertete es den Nutzungsvorteil gemäß § 13 Abs. 2
Halbsatz 2 BewG mit dem 9,3 fachen des Jahreswerts in Höhe von
84.409,56 (1.875.768,05 EUR x 4,5 %), also mit 785.008,91
EUR.
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Den Einspruch des Klägers wies das FA
mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2020 als unbegründet
zurück. Es sah die vergünstigte Überlassung der
Darlehenssumme weiterhin als gemischte Schenkung an, ging nunmehr
jedoch von dem 23.03.2017 als Bewertungsstichtag und
Besteuerungszeitpunkt - dem Tag der Rechtswirksamkeit der
notwendigen familiengerichtlichen Genehmigung durch
amtsgerichtlichen Beschluss - aus. Der vereinbarte Zinssatz von 1 %
war nach der Auffassung des FA nicht marktüblich.
Gemäß den Statistiken der Deutschen Bundesbank sei unter
Berücksichtigung des Datums des Vertragsschlusses einerseits
und der Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.2019 andererseits
ein Effektivzinssatz zwischen 2,67 % und 2,81 % marktüblich
gewesen. Der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz von 5,5
% sei im Streitfall zugrunde zu legen, da ein marktüblicher
Zinssatz für vergleichbare Darlehen nicht habe festgestellt
werden können. Die zwischen dem Kläger und seiner
Schwester vereinbarten Darlehenskonditionen würden
hinsichtlich Laufzeit, Fälligkeit und Tilgung von
marktüblichen Darlehensbedingungen abweichen. Deshalb
könnten die vom Kläger vorgelegten Kreditangebote, die im
Übrigen erst im Januar 2018 erstellt worden seien, nicht als
Vergleich herangezogen werden.
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Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieb
ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen
aus, die Schenkung sei bereits zum 01.01.2016 erfolgt. An diesem
Tag habe das Darlehen laut dem Darlehensvertrag als ausgezahlt
gegolten und der Kläger habe das Darlehen nutzen können.
Die Kreditzinsen für private Haushalte bei einer Zinsbindung
von einem bis fünf Jahren hätten im Durchschnitt des
Jahres 2016 bei 2,67 % effektiv und im Durchschnitt der Monate
August bis Oktober 2016 bei 2,71 % effektiv gelegen. Für
wirtschaftlich selbständige Personen hätten die
Darlehenszinsen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren
im Durchschnitt des Jahres 2016 2,81 % effektiv und im Durchschnitt
der Monate August bis Oktober 2016 2,88 % effektiv betragen. Der
Kläger habe das Darlehen im Zusammenhang mit der
Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters und
daher als wirtschaftlich tätige Person aufgenommen. Die
Differenz laut dem vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem nach
Angaben der Deutschen Bundesbank zu zahlendem Zinssatz von 2,81 %
habe nominal 1,81 % betragen. Nicht erkennbar sei, dass der
Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu
einem niedrigeren Zinssatz habe erhalten können. Die vom
Kläger vorgelegten Schreiben seien für einen Nachweis
nicht geeignet. Das Urteil des FG ist in EFG 2022, 1782 =
SIS 22 17 14
veröffentlicht.
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Mit seiner Revision macht der Kläger
eine Verletzung der § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) und des
§ 15 Abs. 1 BewG geltend. Es liege keine freigebige Zuwendung
vor. Weder der Schwester des Klägers noch dem Rechtsanwalt,
der als Ergänzungspfleger für die Schwester dem
Darlehensvertrag zugestimmt habe, sei die teilweise
Unentgeltlichkeit bewusst gewesen. Zudem habe der Kläger einen
niedrigeren als den in § 15 Abs. 1 BewG festgelegten Zinssatz
von 5,5 % für die zur Nutzung überlassene Geldsumme durch
die vorgelegten Darlehensangebote nachgewiesen. Schließlich
sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F.
des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19.06.2022 (BGBl I 2022,
911, BStBl I 2022, 931 = SIS 22 10 57) - EStG - keine Abzinsung von
Verbindlichkeiten mehr vorgesehen. Es sei folglich nicht
ersichtlich, warum eine Niedrigverzinsung noch Schenkungsteuer
auslösen könne, wenn eine Abzinsung nicht mehr vorgesehen
sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Vorentscheidung aufzuheben und unter
Abänderung des Schenkungsteuerbescheids vom 29.11.2017 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2020 die
Schenkungsteuer auf 0 EUR festzusetzen.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG sei erfüllt. Dabei komme es nicht darauf an, ob der
Ergänzungspfleger an eine Schenkungsteuerpflicht gedacht habe.
Der Kläger habe den Nachweis für eine niedrigere
Verzinsung nach § 15 Abs. 1 BewG nicht erbracht.
Schließlich ergebe sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nichts
anderes, da es sich um eine einkommensteuerrechtliche und nicht um
eine schenkungsteuerrechtliche Bestimmung handle.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, zur Abänderung
des angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung
und zur Abweisung der Klage im Übrigen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zutreffend ist das FG
von einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
aufgrund der zinsverbilligten Darlehensgewährung ausgegangen.
Die Höhe der Bemessungsgrundlage bestimmt sich jedoch nicht
nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz in Höhe
von 1 % und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden
gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5,5 %, da entgegen der
Auffassung des FG ein niedrigerer Wert festgestellt werden
kann.
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1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass mit
der zinsverbilligten Überlassung der Darlehenssumme eine der
Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung der Schwester
des Klägers an den Kläger vorliegt. Sowohl der objektive
als auch der subjektive Tatbestand einer Schenkung sind
erfüllt.
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a) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung
unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des
Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in
objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung
des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die
Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht
den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.09.2020 - II R 24/18, BFHE 272, 87,
BStBl II 2021, 621 = SIS 21 04 97, Rz 13).
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aa) Die Gewährung eines niedrig
verzinsten Darlehens ist als freigebige Zuwendung im Sinne des
§ 7 Abs. 1 Nr.
1 ErbStG anzusehen. Gegenstand der Zuwendung ist die teilweise
unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen
überlassene Kapital zu nutzen. Der Empfänger eines
niedrig verzinsten Darlehens erfährt durch die Gewährung
des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu einem
niedrigeren Zinssatz als dem marktüblichen zu nutzen, eine
Vermögensmehrung, die der Schenkungsteuer unterliegt. Die
Minderung des Vermögens des Zuwendenden besteht dabei darin,
dass er auf einen Ertrag verzichtet, den er bei
verkehrsüblichem Verhalten gezogen hätte (BFH-Urteil vom
17.04.1991 - II R 119/88, BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586 = SIS 91 12 14, unter II.2., zu § 27 Abs. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes a.F.; BFH-Beschluss vom 15.03.2001 - II B
171/99, BFH/NV 2001, 1122 = SIS 01 72 19, unter II.2.a). Dabei ist
es unerheblich, dass zivilrechtlich in der bloßen
vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der
Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung liegt, wie sie
für eine Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom
27.11.2013 - II R 25/12, BFH/NV 2014, 537 = SIS 14 07 24, Rz 13, zu
einem zinslosen Darlehen). Gegenstand der Zuwendung ist der
kapitalisierte Nutzungsvorteil.
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bb) Zur Erfüllung des subjektiven
Tatbestands einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins
des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne
rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem
Gemeinschaftszweck zu erbringen. Für die zutreffende
Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der
(Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen
rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst
(BFH-Urteil vom 01.09.2021 - II R 40/19, BFHE 275, 248, BStBl II
2023, 146 = SIS 22 00 64, Rz 11).
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b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG im
Streitfall zu Recht entschieden, dass die zinsverbilligte
Nutzungsüberlassung der Darlehenssumme von der Schwester an
den Kläger eine freigebige Zuwendung darstellt.
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aa) Der objektive Tatbestand der freigebigen
Zuwendung ist erfüllt. Die unentgeltliche
Vermögensverschiebung liegt in dem Nutzungsvorteil der
Überlassung des Darlehens zu einem günstigeren Zinssatz
als dem marktüblichen Zinssatz. Gemäß den
Feststellungen des FG lag bei einem mit dem im Streitfall
vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank
der Zinssatz im Jahr 2016 effektiv bei 2,81 %. Der von dem
Kläger zu zahlende Zinssatz von 1 % lag danach unter dem
marktüblichen Zinssatz, sodass das Darlehen verbilligt
überlassen wurde. Maßgeblich ist der Vorteil des
Klägers als Darlehensnehmer, der - so die Feststellungen des
FG - kein vergleichbares Darlehen zu einem vergleichbar niedrigen
Zinssatz von 1 % am Markt hätte aufnehmen können.
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bb) Auch der subjektive Tatbestand der
freigebigen Zuwendung ist im Streitfall - wie durch das FG
ausgeführt - erfüllt. Hierfür reicht das Bewusstsein
über die Teilunentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts aus.
Sowohl der Schwester des Klägers als auch dem Rechtsanwalt als
Ergänzungspfleger musste bei einem Zinssatz von 1 % und einer
grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein, dass
das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt wurde. Bei der
Schwester genügte eine zutreffende laienhafte Erfassung des
rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalts. Nicht ausschlaggebend
für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der
freigebigen Zuwendung ist, ob der Ergänzungspfleger mit
Abschluss des Darlehens zivilrechtlich ordnungsgemäß
gehandelt hat, oder ob die Beteiligten davon ausgingen, dass eine
alternative und zugleich sichere Anlage des Geldes zu keinem
höheren Zinssatz möglich gewesen wäre.
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2. Das FG hat auch zutreffend erkannt, dass
die freigebige Zuwendung am 01.01.2016 ausgeführt wurde und
die Schenkungsteuer an diesem Tag entstanden ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG). Das Darlehen galt als zum 01.01.2016 ausgezahlt. Dass
der Darlehensvertrag insgesamt erst aufgrund des am 23.03.2017
rechtskräftigen amtsgerichtlichen Beschlusses wirksam geworden
ist, lässt die rückwirkende Vereinbarung über die
Auszahlung des Darlehens unberührt. Für die Bestimmung
des Zeitpunkts der Entstehung der Schenkungsteuer kommt es in einem
solchen Fall nicht auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des
Vertrags an, sondern auf den in dem Vertrag vereinbarten Zeitpunkt
der Ausführung der freigebigen Zuwendung.
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3. Die Auffassung des FG, dass bei der
Bewertung der Zuwendung nach § 15 Abs. 1 BewG der Zinssatz von
5,5 % anzuwenden sei, da kein niedriger Zinssatz feststehe,
hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Bei niedrig verzinsten Darlehen ist die
für die schenkungsteuerrechtliche Steuerberechnung
maßgebliche Zinsdifferenz aus dem Unterschied zwischen dem
vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG
ergebenden Zinssatz zu bilden. Durch die Formulierung des zweiten
Halbsatzes in § 15 Abs. 1 BewG „wenn kein anderer Wert
feststeht“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck
gebracht, dass grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung
in Höhe von 5,5 % auszugehen ist, ein anderer Wert aber dann
herangezogen werden kann, wenn dieser feststeht.
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b) Die diesbezüglichen Feststellungen des
FG sind widersprüchlich, sodass der BFH an diese nicht
gebunden ist. Sie stellen einen materiell-rechtlichen Fehler dar,
der auch ohne diesbezügliche Rüge zum Wegfall der
Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt (BFH-Urteile
vom 25.06.2003 - X R 72/98, BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403 = SIS 03 38 15, unter II.2.a und vom 07.02.2013 - VIII R 8/10, BFH/NV
2013, 1096 = SIS 13 16 84, unter II.1.b).
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aa) Das FG hat in seinem Urteil festgestellt,
dass die Darlehenszinsen für wirtschaftlich selbständige
Personen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren im
Durchschnitt des Jahres 2016 bei 2,81 % effektiv gelegen haben. Es
hat darüber hinaus festgestellt, dass das Darlehen im
Streitfall nach vierjähriger Laufzeit hätte
gekündigt werden können, der Kläger das Darlehen in
Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen
Betriebs seines Vaters, also als wirtschaftlich tätige Person
aufgenommen hat, die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz
von 1 % und dem laut Angaben der Deutschen Bundesbank zu zahlenden
Zinssatz von 2,81 % nominal 1,81 % betragen hat und der Kläger
daher lediglich circa 36 % der Zinsen an seine Schwester zahlen
musste, die er am freien Markt hätte bezahlen müssen.
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bb) Trotz dieser Feststellung, dass im
vorliegenden Fall ein marktüblicher Zinssatz in Höhe von
2,81 % zu zahlen gewesen wäre, kam das FG zu dem Ergebnis,
dass ein niedrigerer als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte
Zinssatz nicht feststehe. Dies ist angesichts des von dem FG - zu
Recht - angeführten Vergleichsmaßstabs des
marktüblichen Zinssatzes, der bei der Gewährung oder
Aufnahme eines Darlehens zu vergleichbaren Bedingungen zu
entrichten gewesen wäre, widersprüchlich.
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c) Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem das
FG einen aus vergleichbaren Darlehen abgeleiteten
marktüblichen Zinssatz festgestellt und diesen auf die
persönliche Situation des Steuerpflichtigen und die im
Einzelfall vereinbarten Darlehenskonditionen bezogen hat, steht ein
anderer Wert im Sinne des § 15 Abs. 1 BewG fest. Für die
Ermittlung des Werts der Bereicherung ist dann dieser festgestellte
Wert heranzuziehen. Der in § 15 Abs. 1 BewG normierte
gesetzliche Zinssatz kann in einem solchen Fall nicht herangezogen
werden.
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d) Es kommt in diesem besonderen Fall nicht
darauf an, ob der festgestellte Zinssatz darauf
zurückzuführen ist, dass der Steuerpflichtige diesen
Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote nachgewiesen
hat. Dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG ist nicht zu entnehmen,
dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen muss.
Anders als beispielsweise § 198 BewG, der ausdrücklich
vom Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch den
Steuerpflichtigen spricht, ordnet § 15 Abs. 1 BewG weder an,
dass der Steuerpflichtige tätig werden muss, noch, dass ein
Nachweis zu erfolgen hat. Vielmehr ist § 15 Abs. 1 BewG im
Passiv formuliert und fordert lediglich das Feststehen eines
anderen Werts.
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e) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch
zu der bisherigen BFH-Rechtsprechung, insbesondere im BFH-Urteil
vom 17.04.1991 - II R 119/88 (BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586 =
SIS 91 12 14). Dort hat der BFH unter II.2. zwar ausgeführt,
dass dem Ansatz von 5,5 % im Sinne des § 15 Abs. 1 BewG ein
abweichender „Marktpreis“ nicht
entgegensteht. Damit ist aber lediglich gemeint, dass nicht ein
allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden kann,
bei dem nicht bekannt ist, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu
vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das
tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch wird aber nicht
ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen
ist, den das FG bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen
zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt hat, sodass in einem
solchen Fall nicht der gesetzliche Zinssatz in Höhe von 5,5 %
herangezogen werden darf.
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f) Der als Schenkung anzusehende
Nutzungsvorteil des Klägers ist danach der Zinsvorteil, der
mit der Differenz zwischen dem vom FG festgestellten
marktüblichen Darlehenszinssatz in Höhe von 2,81 % und
dem vereinbarten Zinssatz in Höhe von 1 % anzusetzen ist und
somit 1,81 % beträgt. Unerheblich ist danach, ob sich aus dem
Abzinsungsausschluss nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ein anderer
Zinssatz ergeben kann oder der gesetzliche Zinssatz in Höhe
von 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG verfassungswidrig ist.
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4. Die Sache ist spruchreif. Der BFH kann
aufgrund der Feststellungen des FG den Wert der freigebigen
Zuwendung und die festzusetzende Schenkungsteuer selbst berechnen.
Die Schenkungsteuer wird auf 59.140 EUR festgesetzt.
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Für die Ermittlung der
schenkungsteuerrechtlichen Bereicherung ist nach § 12 Abs. 1
ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 BewG von einem Jahreswert des
Nutzungsvorteils in Höhe von 1,81 % der Darlehenssumme in
Höhe von 1.875.768,05 EUR auszugehen, also einem Jahreswert in
Höhe von 33.951,40 EUR. Dieser ist gemäß § 13
Abs. 2 BewG mit dem Faktor 9,3 zu multiplizieren, sodass sich ein
Wert der Bereicherung für die freigebige Zuwendung in
Höhe von 315.748,02 EUR ergibt. Von dem Steuerwert der
freigebigen Zuwendung in Höhe von 315.748 EUR ist der
Freibetrag für einen Erwerb zwischen Schwester und Bruder nach
§ 16 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr.
2 ErbStG in Höhe von 20.000 EUR in Abzug zu bringen, sodass
sich ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von 295.748 EUR
ergibt. Dieser ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG
auf volle 100 EUR nach unten abzurunden. Der in Ansatz zu bringende
steuerpflichtige Erwerb beträgt daher 295.700 EUR. Der
anzuwendende Steuersatz in Steuerklasse II beläuft sich
gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG bei einem Erwerb bis
einschließlich 300.000 EUR auf 20 %. Die festzusetzende
Schenkungsteuer beträgt daher 59.140 EUR.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
136 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 FGO.
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