Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.06.2020 - 10 K
5250/16 = SIS 20 17 88 sowie der
Nachforderungsbescheid vom 23.07.2013 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 22.09.2016 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein
Gemeinschaftsunternehmen der Länder A und B in der Rechtsform
einer GmbH, an der beide Länder zu je 50 % beteiligt sind. Das
steuerliche Einlagekonto der Klägerin wies zum 31.12.2005
einen Bestand von 55.469.016 EUR aus.
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Am 30.08.2006 beschlossen die
Gesellschafter der Klägerin zum 20.10.2006 eine
Ausschüttung in Höhe von 41.846.000 EUR, die ihnen
jeweils zur Hälfte zukommen sollte. Da die Klägerin zum
31.12.2005 einen ausschüttbaren Gewinn nicht ermittelt hatte,
sollte die gesamte Ausschüttung aus dem steuerlichen
Einlagekonto erbracht werden. Demgemäß bescheinigte die
Klägerin den Gesellschaftern am 04.09.2006 Leistungen aus dem
steuerlichen Einlagekonto in Höhe von jeweils 20.923.000
EUR.
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Im Rahmen einer für die Jahre 2005 bis
2008 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung
stellte der Prüfer fest, dass bei der Klägerin am
31.12.2005 entgegen bisheriger Annahme ein ausschüttbarer
Gewinn in Höhe von 12.467.801 EUR zur Verfügung stand,
der vorrangig für die Gewinnausschüttung als verwendet
galt. Die Klägerin berichtigte die danach fehlerhaft zu hoch
ausgestellten Bescheinigungen über Leistungen aus dem
steuerlichen Einlagekonto nicht.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) folgte den Prüfungsfeststellungen und nahm
die Klägerin mit Bescheid vom 23.07.2013 auf Zahlung in
Anspruch. Der Bescheid ist überschrieben mit
„Nachforderungsbescheid“. Er ist
gegliedert in vier Abschnitte, die wie folgt überschrieben
sind: A. Festsetzung, B. Zahlungsaufforderung, C.
Erläuterungen, D. Rechtsbehelfsbelehrung.
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Abschnitt A. lautet wörtlich:
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„Die Festsetzung erfolgt gegen Sie
als Schuldner der Kapitalerträge. Sie sind Ihrer Verpflichtung
zur Abgabe der
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– Kapitalertragsteueranmeldung
(§ 44 Abs. 1 EStG)
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– Anmeldung des
Solidaritätszuschlags zur Kapitalertragsteuer (§ 51a
EStG, § 3 Abs. 1 Nr. 6 SolZG)
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und Abführung dieser Beträge
nicht nachgekommen
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Es werden gemäß § 155 Abs.
1 AO in Verbindung mit § 167 Abs. 1 AO festgesetzt:
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1. die Kapitalertragsteuer auf
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1.246.780,00 Euro
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2. der Solidaritätszuschlag
auf
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68.572,90 Euro.“
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In den Erläuterungen wird auf die
Feststellungen der Betriebsprüfung und den Bericht verwiesen.
Weiter heißt es dort wörtlich:
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„Sie haften nach § 27 Abs. 5 S.
4 KStG und § 44 Abs. 5 S. 1 1. HS EStG für die auf den
überhöht ausgewiesenen Betrag der
Einlagenrückgewähr entfallende
Kapitalertragsteuer.“
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Den dagegen gerichteten Einspruch wies das
FA mit Einspruchsentscheidung vom 22.09.2016 als unbegründet
zurück. In der Einspruchsentscheidung wird unter anderem
wörtlich ausgeführt:
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„Das Finanzamt hat die
Einspruchsführerin auch zu Recht für die
Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung im Oktober 2006 durch
Nachforderungsbescheid […] in Anspruch genommen.
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Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG ist die
auf einen […] überhöht ausgewiesenen Betrag der
Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch
Haftungsbescheid gegen die ausschüttende Kapitalgesellschaft
geltend zu machen.
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[…] Das Finanzamt war zum Erlass
eines Haftungsbescheids auch berechtigt und verpflichtet, da die
Einspruchsführerin die ihren Anteilseignern erteilten
Steuerbescheinigungen nicht berichtigt
hat.“
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Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen
gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin als unbegründet
abgewiesen. Im Tatbestand seines Urteils hat das FG festgestellt,
das FA habe einen Nachforderungsbescheid erlassen. Die
Klägerin hat dementsprechend vor dem FG beantragt, den
Nachforderungsbescheid aufzuheben. In den Entscheidungsgründen
hat das FG dagegen ausgeführt, Rechtsgrundlage des
Haftungsbescheids sei § 27 Abs. 5 Satz 4 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Dessen Voraussetzungen
lägen vor. Insbesondere sei die Haftung nicht nach § 27
Abs. 5 Satz 5 KStG entfallen. Die Klägerin habe die
Bescheinigungen nicht berichtigt. Die Neuregelung des § 27
Abs. 5 KStG sei nicht verfassungswidrig.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von Bundesrecht (§ 27 Abs. 5 Satz
4 KStG) sowie Verfahrensmängel. Sie hält ihr bisheriges
Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit der Neuregelung nicht
aufrecht, sondern macht nur noch geltend, sie sei zu Unrecht nicht
durch Haftungsbescheid, sondern durch Nachforderungsbescheid in
Anspruch genommen worden. Dafür fehle eine Rechtsgrundlage mit
der Folge, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Das FG habe den streitbefangenen Bescheid
unwidersprochen als Haftungsbescheid behandelt. Die Klägerin
habe in der Klageschrift selbst ausgeführt, ihre
Inanspruchnahme „durch Haftungsbescheid“
sei rechtswidrig. Demnach sei auch die Klägerin davon
ausgegangen, dass es sich um einen Haftungsbescheid gehandelt habe.
Dies werde erstmals in der Revisionsbegründung in Frage
gestellt. Aber selbst wenn es sich nicht um einen Haftungsbescheid
gehandelt haben sollte, habe das FA die Wahl gehabt, ob es einen
Haftungs- oder einen Nachforderungsbescheid erlasse. Dafür
spreche die Verweisung in § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG auf §
44 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es seien keine
Gründe vorgetragen oder erkennbar, dass der Gesetzgeber bei
der Neuregelung von § 27 Abs. 5 Satz 4 EStG etwas am Verfahren
habe ändern wollen. Es sei nur darum gegangen, eine
Verschuldensprüfung auszuschließen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Rechtsfehlerhaft hat das FG
angenommen, die (einfachrechtlichen) Voraussetzungen von § 27
Abs. 5 Satz 4 KStG seien im Streitfall erfüllt. Das FA hat die
Klägerin entgegen § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG nicht durch
Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Der angefochtene
„Nachforderungsbescheid“ ist kein
Haftungsbescheid.
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1. Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1
KStG ist die auf einen in der Bescheinigung gemäß §
27 Abs. 3 KStG überhöht ausgewiesenen Betrag der
Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch
Haftungsbescheid geltend zu machen. Streitig ist im
Revisionsverfahren nur noch, ob das FA die Kapitalertragsteuer
durch Haftungsbescheid geltend machen muss (dazu 2.) und ob der
angefochtene Bescheid ein Haftungsbescheid ist (dazu 3.). Im
Übrigen gehen die Beteiligten zu Recht davon aus, dass die
Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind.
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a) Die Vorschrift ist im Streitfall anwendbar.
Sie ist durch Art. 3 Nr. 10 Buchst. c des Gesetzes über
steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der
Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006 (BGBl I 2006, 2782) -
SEStEG - eingefügt worden und nach § 34 Abs. 1 KStG
i.d.F. des SEStEG erstmals für den hier streitbefangenen
Veranlagungszeitraum 2006 anzuwenden.
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b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die
(rückwirkende) Anwendung der Vorschrift sind, soweit es um die
hier allein noch streitige Frage geht, ob das FA in den Fällen
des § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG einen Haftungsbescheid erlassen
muss, im Revisionsverfahren nicht vorgebracht worden und auch von
Amts wegen nicht ersichtlich (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 19.07.2017 - I R 96/15, BFH/NV 2018, 237 = SIS 17 26 16, Rz 29). Etwaigen denkbaren verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die (rückwirkende) Verschärfung der Haftung durch
den Ausschluss der Exkulpationsmöglichkeit (§ 27 Abs. 5
Satz 4 Halbsatz 2 KStG) und dadurch, dass bei Erlass des
Haftungsbescheids Ermessen nicht auszuüben ist („ist
… durch Haftungsbescheid geltend zu
machen“), ist hier nicht nachzugehen, weil es
im Streitfall bereits am Erlass eines Haftungsbescheids fehlt.
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c) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht
streitig, dass die Klägerin die Einlagenrückgewähr
in den ihren Gesellschaftern erteilten Bescheinigungen
gemäß § 27 Abs. 3 KStG überhöht
ausgewiesen hat. Den Ausgangpunkt der Prüfung bildet insofern
der gesondert festgestellte Bestand des steuerlichen Einlagekontos
auf den Schluss des vorangegangenen Jahres. Maßgeblich ist
darauf aufbauend die nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu
ermittelnde Einlagenrückgewähr (Kümpel in
Bott/Walter, KStG, § 27 Rz 110). Hingegen entfaltet der
Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos
gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG auf den Schluss des
Jahres, in dem die Leistung erbracht worden ist, keine
Bindungswirkung für die Frage, ob die Bescheinigung
überhöht war (§ 27 Abs. 5 Satz 4 KStG). Vielmehr ist
dieser Bescheid gegebenenfalls nach Maßgabe des § 27
Abs. 5 Satz 6 KStG an die der Haftung nach § 27 Abs. 5 Satz 4
KStG zugrunde gelegte Einlagenrückgewähr anzupassen. Dies
schließt es aus, dass der Feststellungsbescheid bindende
Vorgaben für die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen
enthält. Nach diesen Maßstäben ist das steuerliche
Einlagekonto der Klägerin durch die in Rede stehenden
Ausschüttungen nicht wie von der Klägerin bescheinigt in
Höhe von 46.846.000 EUR, sondern um 12.467.801 EUR geringer
gemindert worden. Um diesen Betrag ist die
Einlagenrückgewähr überhöht ausgewiesen.
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d) Soweit in den Bescheinigungen
gemäß § 27 Abs. 3 KStG die
Einlagenrückgewähr zu hoch ausgewiesen ist, handelt es
sich (materiell-rechtlich) bei der Ausschüttung um eine beim
Anteilseigner steuerbare Gewinnausschüttung gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (vgl. BT-Drucks. 16/3369, S. 8;
ebenso Kümpel in Bott/Walter, KStG, § 27 Rz 118; Stimpel
in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 27 Rz
171; Dötsch/Krämer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock,
Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz 222a; anderer
Auffassung Ott, DStR 2014, 673: § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG), die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dem
Kapitalertragsteuerabzug unterliegt. Als Schuldnerin der
Kapitalerträge war die Klägerin insoweit zum Steuerabzug
verpflichtet (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Auch dies ist zwischen
den Beteiligten zu Recht nicht streitig und bedarf keiner
Vertiefung. Ihrer Verpflichtung zur Anmeldung der
Kapitalertragsteuer ist die Klägerin unstreitig nicht
nachgekommen, denn sie hat nach den Feststellungen des FG die
Ausschüttung in voller Höhe ohne Abzüge ausgezahlt
und die Kapitalertragsteuer weder einbehalten noch abgeführt.
Wird die zu hohe Bescheinigung (irrtümlich) bei der
Veranlagung des Anteilseigners zugrunde gelegt mit der Folge, dass
die Ausschüttung bei ihm auch insoweit als nicht
steuerpflichtig behandelt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG), als sie auf den überhöhten Ausweis entfällt,
entsteht durch den zu hohen Ausweis ein Steuerschaden (vgl.
Kümpel in Bott/Walter, KStG, § 27 Rz 112; BeckOK
KStG/Pohl, 22. Ed. 15.09.2024, KStG § 27 Rz 381).
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e) Die Klägerin haftet nach § 27
Abs. 5 Satz 4 KStG verschuldensunabhängig für die
Kapitalertragsteuer, soweit sie auf die überhöht
ausgewiesene Einlagenrückgewähr entfällt.
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aa) Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG haftet
der Aussteller der Bescheinigung verschuldensunabhängig
für die auf den überhöhten Ausweis der
Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer, wobei
es auf die Veranlagung beim Gläubiger der Kapitalerträge
nicht ankommt (BFH-Urteil vom 19.07.2017 - I R 96/15, BFH/NV 2018,
237 = SIS 17 26 16, Rz 26; ebenso Bauschatz in Gosch, KStG, 4.
Aufl., § 27 Rz 110; Streck/Binnewies, KStG, 10. Aufl., §
27 Rz 180; Brandis/Heuermann/Oellerich, § 27 KStG Rz 64;
Kümpel in Bott/Walter, KStG, § 27 Rz 111). Zwar
lässt sich dem Wortlaut des § 27 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 1
KStG ein Haftungstatbestand vordergründig nicht entnehmen. Die
Vorschrift bestimmt auf den ersten Blick nur verfahrensrechtlich,
dass die (nicht einbehaltene und nicht abgeführte)
Kapitalertragsteuer in den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 4
KStG und soweit sie auf den überhöht ausgewiesenen Betrag
der Einlagenrückgewähr entfällt, durch
Haftungsbescheid geltend zu machen ist. Der materiell-rechtliche
Haftungstatbestand ist dabei aber vorausgesetzt. Dass der
Gesetzgeber von einer eigenständigen Haftungsnorm ausgegangen
ist, ergibt sich auch aus dem Wortlaut von § 27 Abs. 5 Satz 6
KStG („Kapitalertragsteuerhaftung nach Satz
4“).
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§ 27 Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 KStG
enthält insofern zumindest eine Teilkodifizierung des
materiell-rechtlichen Haftungstatbestands, als er die
Möglichkeit der Exkulpation ausschließt, denn § 44
Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ist bei zu hohem Ausweis der
Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 5 Satz
4 Halbsatz 2 KStG i.d.F. des SEStEG nicht anzuwenden. Der Senat
entnimmt dieser Verweisung in materiell-rechtlicher Hinsicht nur
die Aussage, dass die Kapitalgesellschaft für die auf den
überhöht ausgewiesenen Betrag der
Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer
verschuldensunabhängig einzustehen hat.
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bb) Der Verweisung kann hingegen nicht
entnommen werden, dass § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG (auch) wegen
des Rechtsgrunds der Haftung auf § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG
verweist (so aber BeckOK KStG/Pohl, 22. Ed. 15.09.2024, KStG §
27 Rz 382; Berninghaus in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 27
KStG Rz 130). Nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haftet unter
anderem der Schuldner der Kapitalerträge für die
Kapitalertragsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
es sei denn, er weist nach, dass er die ihm auferlegten Pflichten
weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Die
allgemeine Haftung des Entrichtungspflichtigen nach § 44 Abs.
5 Satz 1 EStG setzt mithin eine schuldhafte Verletzung von
Pflichten im Zusammenhang mit der Einbehaltung und Abführung
von Kapitalertragsteuer voraus. § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG regelt
demgegenüber etwas anderes. Indem die Kapitalgesellschaft bei
Erteilung einer überhöhten Bescheinigung der
Einlagenrückgewähr verschuldensunabhängig für
die darauf entfallende Kapitalertragsteuer haftet, knüpft die
Haftung nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG tatbestandlich an andere
Pflichten (§ 27 Abs. 3 KStG: Erteilen einer Bescheinigung
über Einlagenrückgewähr) und an andere Vorschriften
(Maßgeblichkeit der in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG
geregelten Verwendungsreihenfolge) an und geht im Hinblick auf den
Ausschluss der Exkulpationsmöglichkeit auch über §
44 Abs. 5 Satz 1 EStG hinaus. Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG
haftet die Kapitalgesellschaft auch dann, wenn ihr im Rahmen des
§ 44 Abs. 5 Satz 1 EStG wegen mangelnder Einbehaltung und
Abführung der Kapitalertragsteuer kein Verschulden vorgehalten
werden könnte.
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f) Unerheblich ist danach, ob sich die
Klägerin wegen der objektiven Nichterfüllung ihrer
Verpflichtungen zur Einbehaltung und Abführung der
Kapitalertragsteuer nach § 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG
exkulpieren könnte. Dies befreit sie nicht von der Haftung
nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG.
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g) Von der verschuldensunabhängigen
Haftung nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG wegen Erteilung einer zu
hohen Bescheinigung der Einlagenrückgewähr
gemäß § 27 Abs. 3 KStG kann sich die ausstellende
Kapitalgesellschaft nur dadurch befreien, dass sie die
Bescheinigungen berichtigt (§ 27 Abs. 5 Satz 5 KStG;
BFH-Urteil vom 19.07.2017 - I R 96/15, BFH/NV 2018, 237 = SIS 17 26 16). Ist die erteilte Bescheinigung nicht mehr unrichtig,
entfällt der Rechtsgrund für die Haftung nach § 27
Abs. 5 Satz 4 KStG. Die Kapitalgesellschaft hat die (noch nicht
angemeldete) Kapitalertragsteuer anzumelden und abzuführen.
Auf der Grundlage berichtigter Bescheinigungen kann die
Kapitalertragsteuer gegebenenfalls auch von den Gläubigern der
Kapitalerträge nachgefordert werden. Die Klägerin hat die
Bescheinigungen nach den Feststellungen des FG nicht
berichtigt.
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2. Die auf den überhöht
ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende
Kapitalertragsteuer ist durch Haftungsbescheid geltend zu machen
(§ 27 Abs. 5 Satz 4 KStG), wobei nur der Erlass eines
Haftungsbescheids dem Gesetz entspricht. Davon ist das FG zu Recht
ausgegangen.
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a) § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG
überlagert und verdrängt als speziellere Norm in ihrem
Anwendungsbereich die allgemeinen Vorschriften in § 44 Abs. 5
Satz 1 EStG und § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 der
Abgabenordnung (AO).
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aa) Nach den allgemeinen Vorschriften kann die
Finanzbehörde unter weiteren Voraussetzungen den
Gläubiger der Kapitalerträge als Schuldner der
Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) durch
Nachforderungsbescheid in Anspruch nehmen (§ 44 Abs. 5 Satz 2
EStG). Daneben haftet der Entrichtungspflichtige nach § 44
Abs. 5 Satz 1 EStG wegen schuldhafter Nichterfüllung der ihn
treffenden Pflichten. Er kann wahlweise durch Haftungsbescheid
(Haftungsanspruch) oder durch Nacherhebungsbescheid (wegen nicht
erfüllter Entrichtungspflicht) in Anspruch genommen werden (zu
den Begriffen BFH-Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 1/18, BFHE 272,
469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11, Rz 19). Das ergibt sich aus
§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO, weil die Vorschrift in der 2.
Alternative ausdrücklich auch den Haftungsschuldner
erwähnt (vgl. nur BFH-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R 59/14,
BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64).
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28
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bb) Der Senat hat das verfahrensrechtliche
Wahlrecht aus § 167 Abs. 1 Satz 1 AO auch in einem Fall des
§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG angewandt, in dem die
Kapitalgesellschaft ihre Pflicht zur Einbehaltung und
Abführung der Kapitalertragsteuer deshalb schuldhaft verletzt
hatte, weil sie die Bescheinigung gemäß § 27 Abs. 3
KStG nicht rechtzeitig erteilt hatte, mit der Folge, dass der
Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 EUR bescheinigt
galt. Auch in diesem Fall konnte das FA die Kapitalgesellschaft
wirksam durch Nacherhebungsbescheid in Anspruch nehmen (BFH-Urteil
vom 17.05.2022 - VIII R 14/18, BFHE 277, 174, BStBl II 2022, 643 =
SIS 22 13 34, Rz 24).
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29
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b) Die verfahrensrechtliche
Wahlmöglichkeit der Finanzbehörde aus § 167 Abs. 1
Satz 1 AO entfällt aber im Anwendungsbereich von § 27
Abs. 5 Satz 4 KStG. Die Vorschrift ordnet für die dort
geregelten Fälle ausdrücklich und zwingend an, dass die
Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden
muss, soweit sie auf den überhöht ausgewiesenen Betrag
der Einlagenrückgewähr entfällt (im Ergebnis ebenso:
FG München, Urteil vom 26.07.2016 - 6 K 97/15, EFG 2017, 1401
= SIS 17 15 17). Die verfahrensrechtliche Möglichkeit, die
Kapitalgesellschaft daneben durch Nacherhebungsbescheid in Anspruch
zu nehmen, besteht nicht.
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aa) Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig.
Danach „ist“ die Kapitalertragsteuer in
den Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG durch
Haftungsbescheid geltend zu machen, das heißt, sie kann nur
und muss durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden (im Ergebnis
ebenso: Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl.‚ § 27 Rz
110; HHR/Berninghaus, § 27 KStG Rz 130; Stimpel in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 27 Rz 166;
Kümpel in Bott/Walter, KStG, § 27 Rz 115; Ott, DStR 2014,
673, 677). Dies schließt die Festsetzung der (nicht
erfüllten) Entrichtungspflicht durch Nacherhebungsbescheid
gegenüber dem Entrichtungspflichtigen aus. Die Vorschrift kann
jedenfalls nicht dahin verstanden werden, dass nur der
Haftungsanspruch durch Haftungsbescheid geltend gemacht werden
müsse. Das bedürfte keiner ausdrücklichen Regelung.
Dementsprechend ist ausdrücklich auch nicht der
Haftungsanspruch, sondern „die
Kapitalertragsteuer“ durch Haftungsbescheid
geltend zu machen. Eine eigene Bedeutung kommt § 27 Abs. 5
Satz 4 KStG nur zu, wenn die Vorschrift so verstanden wird, dass
sie in ihrem Anwendungsbereich die verfahrensrechtliche
Wahlmöglichkeit ausschließt, die § 44 Abs. 5 Satz 1
EStG und § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO der
Finanzbehörde im Allgemeinen einräumen.
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bb) Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt
sich nichts anderes. Der Finanzausschuss des Bundestags hat bei
Einführung der Vorschrift des § 27 Abs. 5 KStG zu ihrer
Begründung lediglich ausgeführt, der überhöht
ausgewiesene Betrag unterliege der Kapitalertragsteuer, die
„ggf.“ durch Haftungsbescheid geltend zu
machen sei (BT-Drucks. 16/3369, S. 8). Nach Auffassung des Senats
ist „gegebenenfalls“ nicht so zu
verstehen, dass auch der Erlass eines Nacherhebungsbescheids in
Betracht kommen kann. Vielmehr verdeutlicht der Einschub, dass die
Verpflichtung zum Erlass eines Haftungsbescheids nur unter den
Voraussetzungen von § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG besteht
(gegebenenfalls = wenn ein Fall des § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG
vorliegt). Der Senat erkennt jedenfalls keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der
Rechtsprechung zu § 167 Abs. 1 Satz 1 AO die
verfahrensrechtliche Wahlmöglichkeit der Finanzbehörde
zwischen dem Erlass eines Nacherhebungs- oder eines
Haftungsbescheids trotz des eindeutig entgegenstehenden Wortlauts
der Vorschrift auch bei § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG beibehalten
wollte. Eine dahin gehende Absicht des Gesetzgebers hätte im
Gesetz zumindest keinen erkennbaren Niederschlag gefunden.
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32
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cc) Die verfahrensrechtliche Verengung auf das
Haftungsverfahren fügt sich zudem sachgerecht in den
Normkontext ein, da auch eine Nacherhebung der Kapitalertragsteuer
beim Gläubiger der Erträge nicht in Betracht kommt,
solange die überhöhte Bescheinigung nicht berichtigt
worden ist. Insbesondere bei Publikumsgesellschaften ist eine
Berichtigung der Bescheinigungen häufig nicht möglich
oder zumindest untunlich (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.2015 - I R
3/14, BFHE 249, 448, BStBl II 2015, 816 = SIS 15 14 95, Rz 17). Die
Möglichkeit, die überhöhten Bescheinigungen zu
berichtigen, ist deshalb zwar vorgesehen, aber nicht verpflichtend
(vgl. BT-Drucks. 16/3369, S. 8). Beim Gläubiger der
Kapitalerträge kann die Kapitalertragsteuer danach in den
Fällen des § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG praktisch erst erhoben
werden, wenn zuvor der überhöht ausgewiesene Betrag der
Einlagenrückgewähr in der Bescheinigung freiwillig
berichtigt worden ist (§ 27 Abs. 5 Satz 5 KStG;
Brandis/Heuermann/Oellerich, § 27 KStG Rz 67 und 68).
Geschieht dies - wie im Streitfall - nicht, ist das FA von Gesetzes
wegen auf die Haftung des Entrichtungspflichtigen verwiesen, die es
durch Haftungsbescheid geltend machen muss.
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3. Das FA hat die Klägerin nicht durch
Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Ein Verwaltungsakt wird mit
dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (§ 124
Abs. 1 Satz 2 AO). Der angefochtene Bescheid ist kein
Haftungsbescheid. An die gegenteilige Annahme des FG ist der Senat
nicht gebunden, da sie mit den vom FG getroffenen Feststellungen
nicht in Einklang zu bringen ist.
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a) Bei der Prüfung, ob der Inhalt einer
behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt,
ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das
Tatsachengericht gebunden. Es handelt sich nicht um eine Tat-,
sondern um eine Rechtsfrage (vgl. BFH-Urteile vom 04.06.2008 - I R
72/07, BFH/NV 2008, 1977 = SIS 08 41 11 und vom 15.01.2015 - I R
69/12, BFHE 249, 99 = SIS 15 11 53). Dasselbe gilt für die
Frage, welchen Inhalt der Verwaltungsakt hat (BFH-Urteil vom
01.10.2015 - X R 32/13, BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139 = SIS 15 26 29). Dies schließt die Frage ein, ob es sich um einen
Haftungsbescheid handelt. Der BFH prüft auch ohne Bindung an
die Würdigung durch das FG, ob der Verwaltungsakt eindeutig
ist, ob er ausgelegt werden kann und muss oder ob er mangels
hinreichender Bestimmtheit unwirksam ist (BFH-Urteil vom 04.06.2008
- I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977 = SIS 08 41 11).
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b) Für die Auslegung von
Willenserklärungen des öffentlichen Rechts sind die
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergänzend
heranzuziehen (vgl. § 62 Satz 2 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes; BFH-Urteil vom 17.02.1988 - VII R
91/85, BFH/NV 1988, 814). Nach § 133 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs ist bei der Auslegung der wirkliche Wille zu erforschen
und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften,
wobei von dem Standpunkt desjenigen auszugehen ist, für den
die Erklärung bestimmt ist. Maßgeblich ist der objektive
Erklärungswert (BFH-Urteil vom 16.11.2000 - XI R 28/99, BFHE
193, 494, BStBl II 2001, 303 = SIS 01 06 12).
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c) Bei Beantwortung der Frage, ob der
angefochtene Bescheid ein Haftungsbescheid ist, muss auch
berücksichtigt werden, dass Steueranspruch und
Haftungsanspruch verschieden sind. Die Inanspruchnahme eines
Haftenden für fremde Schuld ist in der Regel von anderen,
strengeren Voraussetzungen abhängig als die Inanspruchnahme
eines Steuerschuldners. Für den Betroffenen muss deshalb
eindeutig aus dem Verwaltungsakt zu entnehmen sein, ob er als
Haftender oder als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird. Ein
Haftungsbescheid ist (als solcher) nur dann hinreichend bestimmt
(§ 119 Abs. 1 AO), wenn die Überschrift und der
verfügende Teil (Tenor) des Bescheids erkennen lassen, dass
der Inhaltsadressat als Haftender für fremde Schuld einstehen
soll (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1989 - I R 139/85, BFH/NV 1991,
497).
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d) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist
der angefochtene Bescheid entgegen der Annahme des FG kein
Haftungsbescheid.
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Er lässt weder in seiner Überschrift
noch im verfügenden Teil erkennen, dass die Klägerin als
Haftende in Anspruch genommen werden sollte. Der in der
Überschrift als
„Nachforderungsbescheid“ bezeichnete
Bescheid (gemeint: Nacherhebungsbescheid) setzt im verfügenden
Teil unter anderem die Kapitalertragsteuer fest.
Verfahrensrechtlich wird zur Begründung ausdrücklich auf
„§ 155 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 167 Abs. 1
AO“ verwiesen. Der Bescheid ist danach
eindeutig ein Nacherhebungsbescheid.
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Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass
in den Erläuterungen des Bescheids auf die Haftung
gemäß § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG und § 44 Abs. 5
Satz 1 Halbsatz 1 EStG verwiesen wird. Das deutet nicht auf den
Erlass eines Haftungsbescheids hin, denn nach der Rechtsprechung
des BFH erfasst die Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1
Alternative 2 AO denjenigen, der die Steueranmeldung als
Entrichtungsschuldner nicht ordnungsgemäß abgibt, gerade
in seiner Funktion als Haftungsschuldner, so dass es sich
materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs
handelt (BFH-Urteile vom 13.09.2000 - I R 61/99, BFHE 193, 286,
BStBl II 2001, 67 = SIS 01 02 45; vom 25.03.2021 - VIII R 1/18,
BFHE 272, 469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11, Rz 19). Zur
Begründung der Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1
Alternative 2 AO kann also auf den Haftungsanspruch verwiesen
werden. Dann erlaubt aber der Hinweis auf den Haftungsanspruch in
der Begründung nicht den Schluss, dass der Erlass eines
Haftungsbescheids beabsichtigt war.
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Der Bescheid vom 23.07.2013 kann auch nicht
dahin ausgelegt werden, dass es sich um einen Haftungsbescheid
handelt, denn er ist eindeutig und deshalb einer Auslegung nicht
zugänglich. Eine Umdeutung in einen Haftungsbescheid kommt
wegen der Wesensverschiedenheit von Steuerfestsetzung und Haftung
von vornherein nicht in Betracht.
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4. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen
Bestand haben. Die Sache ist spruchreif. Aufgrund der
tatsächlichen Feststellungen des FG steht eindeutig fest, dass
der angefochtene Bescheid kein Haftungsbescheid ist. Da § 27
Abs. 5 Satz 4 KStG jedoch den Erlass eines Haftungsbescheids
zwingend vorschreibt, ist die Klage auch in der Sache
begründet. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist deshalb
ersatzlos aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da die
Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die
gerügten Verfahrensmängel nicht mehr an.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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