Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 43 Abs.
14 Satz 2 und 3 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften
i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) gegen Art. 20 Abs.
2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1
des Grundgesetzes verstößt.
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A. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob Wertpapier-Sondervermögen Gewinne aus vor dem 01.01.2001
veräußerten Anteilen an ausländischen
Kapitalgesellschaften, die auf Ebene des Sondervermögens
zunächst thesauriert wurden (ausländische
Altveräußerungsgewinne), ab dem 01.01.2001 steuerfrei an
körperschaftsteuerpflichtige Anleger ausschütten
konnten.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine AG, hielt im Jahr 2001 (Streitjahr)
sämtliche Anteilscheine an den Wertpapier-Sondervermögen
der X-Spezialfonds im Direktbestand. Am 03.12.2001 beschlossen die
X-Spezialfonds Zwischenausschüttungen, in denen
ausländische Altveräußerungsgewinne in Höhe
von … DM (… EUR) enthalten waren. Diese
Ausschüttungen wurden der Klägerin am 06.12.2001
gutgeschrieben. Die Klägerin behandelte die
Ausschüttungen zunächst nach Maßgabe des § 43
Abs. 14 Satz 3 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften
(KAGG) i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes
(UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) in
voller Höhe als steuerpflichtige
Beteiligungserträge.
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Gegen den erklärungsgemäß
ergangenen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr
legte sie Einspruch ein und begehrte eine außerbilanzielle
Kürzung nach § 43 Abs. 14 Satz 2, § 40 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 KAGG i.V.m. § 8b Abs. 2 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG), alle jeweils i.d.F. des
Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433,
BStBl I 2000, 1428), in Höhe der ausgeschütteten
ausländischen Altveräußerungsgewinne. Die Anwendung
dieser vor Änderung durch das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz geltenden Rechtslage
begründete sie damit, dass § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG
i.d.F. des UntStFG aufgrund einer unzulässigen
Rückwirkung verfassungswidrig sei.
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Im Einspruchsverfahren erging am 30.09.2005
ein Änderungsbescheid, der den Ansatz der
Beteiligungserträge aus den Wertpapier-Sondervermögen
nicht betraf. Ferner erging am 08.03.2012 ein Bescheid über
die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur
Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 und ein Bescheid zur
gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, §
37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, gegen die die
Klägerin ebenfalls Einspruch einlegte. Sämtliche
Einsprüche blieben in Bezug auf die steuerliche Behandlung der
von den Wertpapier-Sondervermögen ausgeschütteten
ausländischen Altveräußerungsgewinne ohne
Erfolg.
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Der dagegen erhobenen Klage gab das
Finanzgericht (FG) München in Bezug auf die im späteren
Revisionsverfahren streitige Behandlung der von den
Wertpapier-Sondervermögen ausgeschütteten
ausländischen Altveräußerungsgewinne mit Urteil vom
05.02.2020 - 7 K 3182/17 (EFG 2020, 673 = SIS 20 06 04)
statt.
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Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte
und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) Revision
eingelegt.
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Das FA beantragt
sinngemäß,
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das FG-Urteil in Bezug auf die Bescheide
über Körperschaftsteuer für 2001, die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur
Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 und die gesonderte
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27
Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38
Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 aufzuheben und die gegen diese Bescheide
gerichtete Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene Bundesministerium der
Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt.
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B. Die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes geboten, weil zur
Überzeugung des Senats die Regelung des § 43 Abs. 14 Satz
2 und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG gegen Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs.
1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 GG
verstößt.
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I. Rechtsentwicklung der maßgebenden
Bestimmungen
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1. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG
i.d.F. des StSenkG sieht eine Steuerbefreiung für Erträge
aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaften vor und steht im
Zusammenhang mit dem durch das Steuersenkungsgesetz eingeleiteten
Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht vom früheren
Anrechnungsverfahren zum sogenannten Halbeinkünfteverfahren.
Auch die bis zum 31.12.2003 im Gesetz über
Kapitalanlagegesellschaften geregelte Besteuerung von
Wertpapier-Sondervermögen (s. zur Gesetzeshistorie: Beschluss
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.10.2019 - XI R 43/18, BFHE 266,
533, BStBl II 2020, 281 = SIS 20 02 13, Rz 20) war von dem
Systemwechsel betroffen, weil nach dem bei der Fondsbesteuerung
teilweise verwirklichten Transparenzprinzip Erträge aus
Beteiligungen an Kapitalgesellschaften so besteuert werden sollten,
als habe sie der Anleger direkt, ohne Zwischenschaltung des
Sondervermögens, bezogen (s. Senatsbeschluss vom 07.02.2024 -
I R 36/23 (I R 5/18), BFH/NV 2024, 1000 = SIS 24 09 51, Rz 65;
Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, Vor
§§ 37n ff. KAGG Rz 11). Um diesen Zweck zu erreichen,
wurde in § 40 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG im Wege einer
Rechtsgrundverweisung die Anwendung des § 3 Nr. 40 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 8b Abs. 2 KStG
für Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem
Wertpapier-Sondervermögen angeordnet, soweit sie Gewinne aus
der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf
Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten.
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§ 8b KStG regelt die steuerliche
Behandlung der Erträge (Bezüge und
Veräußerungsgewinne) von Körperschaften aus
Beteiligungen an anderen Körperschaften und der mit diesen
Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und
Gewinnminderungen. Nach § 8b Abs. 2 KStG sind Gewinne aus der
Veräußerung eines Anteils an einer anderen
Körperschaft grundsätzlich bei der Einkommensermittlung
der empfangenden Gesellschaft „außer
Ansatz“ zu lassen. Hierdurch wird zur
Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die
Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und
Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die
Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften bleiben (s.
Senatsbeschluss vom 07.02.2024 - I R 36/23 (I R 5/18), BFH/NV 2024,
1000 = SIS 24 09 51). Über die Verweisungsvorschrift des
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG auf
§ 8b Abs. 2 KStG werden die von Wertpapier-Sondervermögen
vorgenommenen Ausschüttungen an Kapitalgesellschaften insoweit
von der Steuer befreit, als sie Gewinne (und Verluste) aus der
Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
enthalten.
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2. Die zeitliche Anwendbarkeit der
Steuerbefreiung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F.
des StSenkG i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG war ursprünglich in
§ 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG geregelt. Danach
sollte § 52 Abs. 36 Satz 2 EStG i.d.F. des StSenkG
sinngemäß angewandt werden. Gemäß § 52
Abs. 36 Satz 2 EStG i.d.F. des StSenkG ist das Steuersenkungsgesetz
auf solche Erträge anzuwenden, für die § 52 Abs. 36
Satz 1 EStG i.d.F. des StSenkG nicht gilt. Dieser Satz 1 gilt
wiederum letztmalig für Ausschüttungen, für die der
Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes nach § 34 Abs.
10a KStG i.d.F. des Art. 3 StSenkG letztmals anzuwenden ist. §
34 Abs. 10a KStG i.d.F. des StSenkG regelt die letztmalige
Anwendung des Anrechnungsverfahrens (s. Senatsurteil vom 19.12.2007
- I R 52/07, BFHE 220, 180, BStBl II 2008, 431 = SIS 08 16 53). Da
in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerpflichtige
Kapitalgesellschaften prinzipiell nicht am Anrechnungsverfahren
teilnehmen konnten, geht der Senat in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass die speziellen zeitlichen Anwendungsregelungen
(u.a. in § 34 Abs. 10a KStG i.d.F. des StSenkG betreffend den
Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren) nicht auf
Auslandsbeteiligungen zugeschnitten sind. Daher wendet er diese auf
Auslandsbeteiligungen nicht an, sondern bestimmt die zeitliche
Anwendung nach der allgemeinen Regelung in § 34 Abs. 1 KStG
i.d.F. des StSenkG. Danach sind die Vorschriften des
Steuersenkungsgesetzes erstmals für den Veranlagungszeitraum
2001 anzuwenden (s. Senatsurteile vom 22.04.2009 - I R 57/06, BFHE
231, 35, BStBl II 2011, 66 = SIS 10 38 99 und vom 28.10.2009 - I R
27/08, BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229 = SIS 10 02 04;
Senatsbeschlüsse vom 08.06.2010 - I B 199/09, BFH/NV 2010,
1863 = SIS 10 27 69; vom 11.04.2011 - I B 180/10, BFH/NV 2011, 1696
= SIS 11 29 50 und vom 07.02.2024 - I R 36/23 (I R 5/18), BFH/NV
2024, 1000 = SIS 24 09 51, Rz 33).
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Mit Inkrafttreten des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 25.12.2001 (s. Art.
12 UntStFG) galt nunmehr für die zeitliche Anwendbarkeit des
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG anstelle
der bisherigen Regelung in § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG eine neue, in Satz 3 eingefügte Sonderregelung. Nach
§ 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG ist § 40 Abs.
1 KAGG i.d.F. des StSenkG auf solche Veräußerungen von
Anteilen an unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen
Kapitalgesellschaften und von Bezugsrechten auf derartige Anteile
anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der
Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, erfolgen,
für das das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Art. 3
StSenkG erstmals anzuwenden ist, und auf sonstige
Veräußerungen, die nach dem 31.12.2000 erfolgen.
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3. Das Gesetzgebungsverfahren zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz beruht auf einem
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/6882), der dem
Bundesrat am 17.08.2001 zugeleitet und am 10.09.2001 beim Deutschen
Bundestag eingebracht wurde (Senatsbeschluss vom 07.02.2024 - I R
36/23 (I R 5/18), BFH/NV 2024, 1000 = SIS 24 09 51). Der Entwurf
sah weder eine Regelung zur zeitlichen Anwendbarkeit der
Steuerbefreiungsvorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
KAGG i.d.F. des StSenkG noch eine Regelung zur steuerlichen
Behandlung von auf Ebene eines Wertpapier-Sondervermögens
thesaurierten Altveräußerungsgewinnen vor.
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Mit der Ausschüttung von
Altveräußerungsgewinnen durch
Wertpapier-Sondervermögen befasste sich der Finanzausschuss
des Deutschen Bundestages lediglich in dem weitgehend zeitlich
parallel zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz beratenen
Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794,
BStBl I 2002, 4). In seinem Bericht zum Steueränderungsgesetz
2001 (s. BT-Drucks. 14/7341, S. 9) führte er aus, dass die
Koalitionsfraktionen die Bundesregierung gebeten hätten, das
Problem, dass thesaurierte Altveräußerungsgewinne von
Investmentfonds bei der Ausschüttung ab dem 01.01.2001 durch
die Umstellung des Körperschaftsteuersystems steuerfrei
bleiben könnten, zu lösen. Die Bundesregierung habe
geantwortet, dass ihr dieses Problem bekannt sei und dass im BMF an
einer Lösung gearbeitet werde.
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Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und
des Berichts des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages
stimmte der Deutsche Bundestag dem Entwurf des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 09.11.2001 zu (vgl.
BR-Drucks. 893/01).
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Der zwecks „Überarbeitung des
Gesetzes“ (s. BR-Drucks. 893/01 und BT-Drucks.
14/7742) vom Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss nahm
erstmals am 11.12.2001 eine Regelung zur Änderung der
zeitlichen Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des §
40 Abs. 1 Satz 1 (Halbsatz 2) KAGG i.d.F. des StSenkG in § 43
Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG (s. BT-Drucks. 14/7780, S. 6) in seine
Beschlussempfehlung auf. Diesem Vermittlungsvorschlag stimmte der
Deutsche Bundestag am 14.12.2001 und der Bundesrat am 20.12.2001
zu. Am 24.12.2001 wurde das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001 im
Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I 2001, 3858).
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II. Verfassungsrechtliche Beurteilung
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§ 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des
UntStFG ist unter Überschreitung der dem Vermittlungsausschuss
durch Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1
und Art. 76 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen seines
Tätigkeitsbereichs zustande gekommen. Aufgrund der Evidenz des
Verfassungsverstoßes führt dieser zur Nichtigkeit der
Vorschrift.
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1. Der Vermittlungsausschuss hat
gemäß Art. 76 Abs. 1 GG kein eigenes
Gesetzesinitiativrecht, sondern er vermittelt zwischen den zuvor
parlamentarisch beratenen Regelungsalternativen; ihm kommt
lediglich die Aufgabe zu, auf der Grundlage des Gesetzesbeschlusses
und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens
Änderungsvorschläge zu erarbeiten, die sich ausgehend vom
Anrufungsbegehren im Rahmen der parlamentarischen Zielsetzung des
Gesetzgebungsvorhabens bewegen und die jedenfalls im Ansatz
sichtbar gewordenen politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen
dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat ausgleichen (s.
BVerfG-Urteil vom
07.12.1999 - 2 BvR
301/98, BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15, Rz 29; BVerfG-Beschlüsse
vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01,
BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 60; vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07,
BVerfGE 125, 104 = SIS 10 12 74, Rz 55; vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13,
BVerfGE 150, 204 = SIS 18 22 20, Rz 76; vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09, BVerfGE 150, 345 = SIS 19 00 53, Rz 54).
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a) Der Vermittlungsvorschlag muss dem
Deutschen Bundestag aufgrund der dort geführten
parlamentarischen Debatte zurechenbar sein und sich daher
inhaltlich und formal an den von diesem vorgegebenen Rahmen halten
(s. BVerfG-Urteil vom
07.12.1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15, Rz
31; BVerfG-Beschlüsse vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07, BVerfGE
125, 104 = SIS 10 12 74, Rz 56; vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL
4/13, BVerfGE 150, 204 = SIS 18 22 20, Rz 79 und vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09,
BVerfGE 150, 345 = SIS 19 00 53, Rz 56). Maßgeblich sind die
in das Gesetzgebungsverfahren eingeführten Anträge und
Stellungnahmen der Abgeordneten, des Bundesrates sowie der
Bundesregierung für den Fall einer Regierungsvorlage (s.
BVerfG-Urteil vom
07.12.1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15, Rz
30; BVerfG-Beschlüsse vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07, BVerfGE
125, 104 = SIS 10 12 74, Rz 56 und vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2
BvL 5/11, 2 BvL 4/13, BVerfGE 150, 204 = SIS 18 22 20, Rz 79). Es
sind nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die im
maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren selbst liegen; eine
Gesamtbetrachtung aller im parlamentarischen Prozess erkennbaren
Willens- und Absichtsbekundungen außerhalb des konkreten
Gesetzgebungsverfahrens würde die Förmlichkeit dieses
Verfahrens untergraben und damit die Gesetzgebungsfunktion des
Deutschen Bundestages schwächen (BVerfG-Beschlüsse vom
15.01.2008 - 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 70;
vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13, BVerfGE 150,
204 = SIS 18 22 20, Rz 79 und vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09, BVerfGE
150, 345 = SIS 19 00 53, Rz 56). Die Reichweite eines
Vermittlungsvorschlags ist deshalb durch diejenigen
Regelungsgegenstände begrenzt, die bis zur letzten Lesung im
Deutschen Bundestag in das jeweilige Gesetzgebungsverfahren
eingeführt waren (BVerfG-Beschlüsse vom 15.01.2008 - 2 BvL
12/01, BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 62; vom 11.12.2018 -
2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13, BVerfGE 150, 204 = SIS 18 22 20, Rz 79 und vom
15.01.2019 - 2 BvL 1/09, BVerfGE 150, 345 = SIS 19 00 53, Rz
56).
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24
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b) Bei einer Einführung von weiteren
Regelungsgegenständen in das Gesetzgebungsverfahren nach der
letzten Lesung im Deutschen Bundestag wird den Abgeordneten ihr in
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankertes Recht genommen, die
Anträge und Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren zu
erörtern, ihre Meinung zu vertreten, Regelungsalternativen
vorzustellen und hierfür eine Mehrheit im Parlament zu suchen
(s. BVerfG-Beschlüsse vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01, BVerfGE
120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 61 und vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09,
BVerfGE 150, 345 = SIS 19 00 53, Rz 58). Sie werden stattdessen mit
einem fertigen Gesetzesentwurf konfrontiert, dessen einzelne
Bestandteile sie in diesem Verfahrensabschnitt nicht mehr in das
übliche Beratungsverfahren aufnehmen können (s.
BVerfG-Urteil vom 07.12.1999 - 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15, Rz 27 und BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01,
BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 60). Im Übrigen wird auch
der Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit nach Art. 42 Abs. 1
Satz 1 GG und das Demokratieprinzip im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG
verletzt, wenn sich der Vermittlungsausschuss von der Grundlage des
Gesetzesbeschlusses und des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens
löst (s. BVerfG-Beschlüsse vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01,
BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, Rz 69 sowie vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09, BVerfGE 150,
345 = SIS 19 00 53, Rz 59).
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25
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c) Der Regelungsgegenstand muss
schließlich in so bestimmter Form vorgelegen haben, dass
seine sachliche Tragweite erkennbar wird. Ein ausformulierter
Gesetzesentwurf ist dafür zwar nicht erforderlich, eine
allgemeine Zielformulierung genügt jedoch noch nicht
(BVerfG-Beschlüsse vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01, BVerfGE 120,
56 = SIS 08 16 84, Rz 62; vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07, BVerfGE
125, 104 = SIS 10 12 74, Rz 59; vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2 BvL
5/11, 2 BvL 4/13, BVerfGE 150, 204 = SIS 18 22 20, Rz 80 und
vom 15.01.2019 - 2 BvL
1/09, BVerfGE 150, 345 = SIS 19 00 53, Rz 57).
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2. Nach diesen Maßstäben ist die
Vorschrift in § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des
UntStFG zur zeitlichen Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 KAGG
i.d.F. des StSenkG nicht in formell verfassungsmäßiger
Weise zustande gekommen. Der Vermittlungsausschuss hat diese
Regelung in seinen Einigungsvorschlag aufgenommen, obwohl ihr
Regelungsgegenstand nicht Teil des bisherigen
Gesetzgebungsverfahrens gewesen ist.
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a) Der zeitliche Anwendungsbereich des §
40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG war bis zum Gesetzesbeschluss des
Deutschen Bundestages weder Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens
zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz noch zum
Steueränderungsgesetz 2001.
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(1) Für das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz folgt dies schon daraus,
dass eine beabsichtigte Änderung der zeitlichen Anwendbarkeit
der Steuerbefreiungsvorschrift für Ausschüttungen eines
Wertpapier-Sondervermögens, soweit in diesen Erlöse aus
der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen enthalten
waren, an keiner Stelle im Gesetzgebungsverfahren Erwähnung
findet.
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(2) Auch für das
Steueränderungsgesetz 2001 lässt sich aus dem Bericht des
Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 08.11.2001 zu
diesem Gesetz nicht ableiten, dass eine entsprechende Regelung
Gegenstand des Gesetzes sein sollte. Denn aus diesem Bericht ergibt
sich lediglich, dass die Koalitionsfraktionen des Finanzausschusses
insoweit einen Regelungsbedarf erkannt haben, als thesaurierte
Altveräußerungsgewinne von Investmentfonds im Falle
ihrer Ausschüttung ab dem 01.01.2001 durch die Umstellung des
Körperschaftsteuersystems steuerfrei bleiben könnten
(BT-Drucks. 14/7341, S. 9) und sie die Bundesregierung über
diesen Regelungsbedarf informiert haben. Die bloße Kenntnis
des Finanzausschusses über einen bestehenden Regelungsbedarf
bei einer steuerlichen Vorschrift macht die Problematik jedoch
nicht automatisch zum Regelungsgegenstand des
Gesetzgebungsverfahrens, in dessen Zusammenhang der Regelungsbedarf
erkannt wird und erst recht nicht zum Regelungsgegenstand jedes
zeitgleich oder nachfolgend beratenen Gesetzes zur Anpassung von
steuerrechtlichen Vorschriften. Vielmehr muss im konkreten
Gesetzgebungsverfahren erkennbar werden, dass und in welcher Weise
der erkannte Regelungsbedarf in diesem Verfahren auch gesetzlich
behandelt werden soll.
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30
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Dass eine entsprechende Regelung noch nicht
Gegenstand des Steueränderungsgesetzes 2001 werden sollte,
ergibt sich schon daraus, dass der Finanzausschuss des Deutschen
Bundestages in seinem Bericht vom 08.11.2001 weiter ausführt,
dass die Bundesregierung auf die Information über den
bestehenden Regelungsbedarf geantwortet habe, dass das BMF an einer
Lösung des Problems arbeite. Dementsprechend musste der
Finanzausschuss des Deutschen Bundestages davon ausgehen, dass eine
entsprechende Regelung zur Behebung des erkannten Regelungsbedarfs
erst nach Erarbeitung einer Lösung durch das BMF Gegenstand
eines künftigen Gesetzgebungsverfahrens werden wird. Im
Übrigen enthält der Bericht des Finanzausschusses
keinerlei Lösungsvorschläge zur Beseitigung des erkannten
Regelungsbedarfs und ist daher vergleichbar mit einer nach der
Rechtsprechung des BVerfG nicht ausreichenden allgemeinen
Zielformulierung.
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31
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b) Da eine Regelung zum zeitlichen
Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG auch
nicht Gegenstand des Steueränderungsgesetzes 2001 gewesen ist,
kann die Frage offenbleiben, ob man bei parallel beratenen
Gesetzen, die in einem thematischen Sachzusammenhang stehen (wie
hier dem Steueränderungsgesetz 2001 und dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz), den
Regelungsgegenstand einheitlich betrachten kann.
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32
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c) Schließlich berührt der
festgestellte Mangel im Gesetzgebungsverfahren auch die
Gültigkeit des § 43 Abs. 14 KAGG i.d.F. des UntStFG, weil
er evident war. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe
waren spätestens durch das Urteil des BVerfG vom 07.12.1999 -
2 BvR 301/98
(BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15) geklärt (s.
BVerfG-Beschlüsse vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104 =
SIS 10 12 74, Rz 77 und vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09, BVerfGE 150,
345 = SIS 19 00 53, Rz 57). Für die am Gesetzgebungsverfahren
beteiligten Organe war im Streitjahr daher bei verständiger
Würdigung erkennbar, dass das Verfahren der Änderung des
§ 43 Abs. 14 KAGG durch das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz mit dem Grundgesetz nicht
vereinbar war.
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33
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(1) Aus den zeitlichen Abläufen sowie dem
Zweck des § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG
und dem Protokoll des Vermittlungsausschusses zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz ergibt sich vielmehr, dass
der formelle Mangel im Gesetzgebungsverfahren bewusst in Kauf
genommen wurde. Die „Problematik“ der
Einbeziehung der Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG
i.d.F. des UntStFG wurde ausweislich des Protokolls des
Vermittlungsausschusses zum
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz erkannt (s. Protokolle des
Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des
Bundesrates für die 13. bis 15. Wahlperiode [1994 bis 2005],
S. 4023 des PDF-Dokuments der DVD-Edition). Die Regelung wurde
dennoch in Kenntnis des formellen Mangels aufgenommen, weil es sich
bei dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz um das letzte nach
Ausarbeitung der Regelung noch nicht abgeschlossene
Gesetzgebungsverfahren mit steuerrechtlichen Regelungen handelte,
dessen planmäßiger Abschluss noch im Streitjahr
vorgesehen war. Bei einem formell ordnungsgemäßen
Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung des Parlaments hätte
die Regelung, da sie jedenfalls am 08.11.2001 vom BMF noch nicht
einmal konkret ausgearbeitet war, nicht mehr im Streitjahr
verabschiedet werden können. Eine Verabschiedung im Jahr 2002
bei einer nach dem Zweck des Gesetzes erforderlichen und
beabsichtigten Anwendung ab dem 01.01.2001 wäre mit einer
echten Rückwirkung für Ausschüttungen des Jahres
2001 und dem damit einhergehenden erheblichen Risiko verbunden
gewesen, dass die Regelung aus diesem Grund durch das BVerfG
für nichtig erklärt wird (s. z.B. BVerfG-Beschluss vom
17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79).
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(2) An einer Evidenz des Mangels fehlt es
entgegen der vom BMF vertretenen Auffassung auch nicht deshalb,
weil erst im Jahr 2008 durch das BVerfG klargestellt worden sei,
dass für die Befugnisse des Vermittlungsausschusses nur
diejenigen Umstände zu berücksichtigen seien, die im
maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren selbst liegen. Denn die
formelle Verfassungswidrigkeit ergibt sich selbst dann, wenn man
bei der Ermittlung des Regelungsgegenstandes des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes die in das mitberatene
Steueränderungsgesetz 2001 eingeführten Anträge und
Stellungnahmen der Abgeordneten, des Bundesrates und der
Bundesregierung mitberücksichtigt. Es fehlt in beiden
Verfahren an der Einführung eines hinreichend konkreten
Regelungsgegenstandes im Hinblick auf eine Änderung der
zeitlichen Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des
StSenkG. Die Grundsätze zur sachlichen Bestimmung des
Regelungsgegenstandes eines Gesetzgebungsverfahrens waren jedoch
seit der Entscheidung des BVerfG vom 07.12.1999 - 2 BvR 301/98
(BVerfGE 101, 297 = SIS 99 24 15) bekannt.
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(3) Es sind auch keine sonstigen Umstände
ersichtlich, die die Annahme rechtfertigen, für die Aufnahme
der Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des
UntStFG in den Vermittlungsvorschlag würden abweichende
verfassungsrechtliche Anforderungen gelten. Insbesondere die vom
BMF genannten Ankündigungseffekte vermögen die
Einführung einer Steuerpflicht von im Sondervermögen
thesaurierten Altveräußerungsgewinnen erst in dem unter
Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Vermittlungsausschuss
nicht zu rechtfertigen. Das Unterlaufen eines mit einer
gesetzlichen Regelung verfolgten Ziels vor Inkrafttreten dieser
Regelung kann bei einem ordnungsgemäß
durchgeführten Gesetzgebungsverfahren verhindert werden, indem
das Inkrafttreten auf den erstmaligen Zeitpunkt des
öffentlichen Bekanntwerdens der geplanten
Gesetzesänderung festgelegt wird. Eine solche Regelung
wäre auch im Hinblick auf den Grundsatz der Wahrung des
Vertrauensschutzes grundsätzlich möglich (s.
BVerfG-Beschlüsse vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 55 und vom 25.03.2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 = SIS 21 07 84, Rz 96).
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3. Ob und inwieweit § 43 Abs. 14 Satz 2
und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG, wie von der Klägerin
gerügt, auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes
gegen das sogenannte Rückwirkungsverbot (s. z.B. zu einer
Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften
durch das sogenannte Korb II-Gesetz: BFH-Beschluss vom 23.10.2019 -
XI R 43/18, BFHE
266, 533, BStBl II 2020, 281 = SIS 20 02 13) verfassungswidrig ist,
kann hier offenbleiben. Die zuvor dargestellte Unvereinbarkeit mit
Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und
Art. 76 Abs. 1 GG reicht aus, um die Vorlage zu rechtfertigen. Die
Beurteilung sonstiger verfassungsrechtlicher Fragen und Vorfragen
obliegt allein dem BVerfG; sie gehört nicht zur
Begründung des Vorlagebeschlusses (vgl. allgemein
BVerfG-Beschlüsse vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = SIS 95 17 08 und vom 15.01.2008 - 2 BvL 12/01, BVerfGE 120, 56 = SIS 08 16 84, dort unter III. der Gründe).
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III. Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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Ob die Regelung des § 43 Abs. 14 Satz 2
und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG verfassungsgemäß ist, ist
entscheidungserheblich. Im Falle der Gültigkeit der Regelung
hätte die Revision des FA Erfolg, da das FA die von der
Klägerin im Streitjahr über die X-Spezialfonds bezogenen
ausländischen Altveräußerungsgewinne in den
angefochtenen Steuerbescheiden zu Recht als steuerpflichtig
behandelt hätte. Sollte § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG
i.d.F. des UntStFG jedoch nichtig sein und daher die
Vorgängerregelung in § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG zur Anwendung gelangen, wären die von der
Klägerin im Streitjahr über die X-Spezialfonds bezogenen
ausländischen Altveräußerungsgewinne nach § 40
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG i.V.m. § 8b
Abs. 2 KStG steuerfrei und die Revision des FA wäre als
unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des
UntStFG wäre im Falle seiner Gültigkeit auf die zum
31.12.2001 entstandene streitige Körperschaftsteuer für
2001 anwendbar, da er am Tag nach der Verkündung, dem
25.12.2001, und damit vor Entstehung der Körperschaftsteuer
für das Streitjahr in Kraft getreten ist (Art. 12 UntStFG).
Nach § 43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG wäre die
Steuerbefreiungsvorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
KAGG i.d.F. des StSenkG i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG nicht auf die
an die Klägerin im Streitjahr ausgeschütteten
ausländischen Altveräußerungsgewinne anwendbar,
weil diese aus der Veräußerung von ausländischen
Kapitalbeteiligungen stammen, die wegen fehlender
unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht dieser
Kapitalgesellschaften zu den „sonstigen
Veräußerungen“ im Sinne des §
43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG zählen und die
Anteilsveräußerungen durch die
Wertpapier-Sondervermögen vor dem 31.12.2000 erfolgten. Die an
die Klägerin ausgeschütteten ausländischen
Altveräußerungsgewinne wären daher in vollem Umfang
steuerpflichtig; die Revision des FA hätte Erfolg. Der Senat
müsste die Vorentscheidung aufheben und die Klage abweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
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40
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2. Eine (verfassungskonforme) Auslegung
dahingehend, dass das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eine
- von der Vorinstanz angenommene - verdeckte Regelungslücke
zur zeitlichen Anwendbarkeit des § 43 Abs. 14 Satz 2 und 3
KAGG i.d.F. des UntStFG enthält, ist nicht möglich.
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a) Eine Auslegung gegen den eindeutigen
Gesetzeswortlaut ist nur in einem äußerst
beschränkten Maße - und zwar dann - zulässig, wenn
die wortgetreue Auslegung zu einem offenbar unrichtigen
beziehungsweise zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft
widersprechenden Ergebnis führen würde, das dem Zweck der
Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe
(BFH-Urteile vom 12.08.1997 - VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II
1998, 131 = SIS 98 03 77, unter I.3.; vom 17.06.2010 - VI R 50/09, BFHE
230, 150, BStBl II 2011, 43 = SIS 10 23 35, Rz 16 und vom
30.07.2020 - III R 1/18,
BFHE 270, 382, BStBl II 2021, 917 = SIS 21 02 77, Rz 36). In
keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische
Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder
verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des
Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (s. BVerfG-Beschluss vom
28.11.2023 - 2 BvL 8/13, HFR 2024, 261 = SIS 24 01 44, Rz 118).
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b) Nach diesen Maßstäben ist §
43 Abs. 14 Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG im Falle seiner
Gültigkeit ab seinem Inkrafttreten am 25.12.2001 anwendbar.
Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet aufgrund des
eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und dem mit diesem Wortlaut in
Einklang stehenden gesetzgeberischen Willen aus.
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(1) Schon der Umstand, dass durch das
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eine bereits zuvor durch
das Steuersenkungsgesetz eingeführte Regelung zur zeitlichen
Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F.
des StSenkG durch eine neue Regelung zur zeitlichen Anwendbarkeit
der Vorschrift punktuell ersetzt wurde, spricht für eine
bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, den zeitlichen
Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG
durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz in § 43
Abs. 14 Satz 3 KAGG umfassend und abschließend neu zu regeln,
ohne einen Vertrauensschutz vorzusehen.
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(2) Gegen ein „versehentliches
Vergessen“ einer einschränkenden Regelung
zur zeitlichen Anwendbarkeit der Vorschrift spricht ferner der
Zweck der Änderung. Die Einführung des § 43 Abs. 14
Satz 3 KAGG i.d.F. des UntStFG bezweckte die Sicherung des
Steueraufkommens. Mit der Änderung sollte die steuerliche
Erfassung bisher unversteuerter Veräußerungsgewinne von
Spezialfonds bei betrieblichen Anlegern sichergestellt werden (s.
Protokolle des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages
und des Bundesrates für die 13. bis 15. Wahlperiode (1994 bis
2005), S. 4023 des PDF-Dokuments der DVD-Edition). Um dies zu
verhindern, war eine Neuregelung der zeitlichen Anwendbarkeit in
§ 43 Abs. 14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG erforderlich
und intendiert, die einschränkungslos für das gesamte
Streitjahr gilt (ebenso zu dieser Intention: Forchhammer, EFG 2020,
678, 679).
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3. Im Falle der Nichtigkeit des § 43 Abs.
14 Satz 2 und 3 KAGG i.d.F. des UntStFG wäre die
Vorgängerregelung (§ 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG) für die Bestimmung der zeitlichen Anwendbarkeit der
Steuerbefreiungsvorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
KAGG i.d.F. des StSenkG maßgeblich. Nach dieser Regelung
wäre § 40 Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG bereits im
Streitjahr anwendbar und die an die Klägerin
ausgeschütteten ausländischen
Altveräußerungsgewinne blieben steuerfrei. Die Revision
des FA hätte in diesem Fall keinen Erfolg und wäre im
Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO). Die Änderung des § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F.
des StSenkG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz
hatte damit - entgegen der Auffassung des BMF - nicht nur lediglich
klarstellende Wirkung.
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a) § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG bestimmt im Hinblick auf die zeitliche Anwendbarkeit des
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG i.V.m.
§ 8b Abs. 2 KStG, dass von einem
Wertpapier-Sondervermögen an eine Körperschaft
ausgeschüttete Gewinne aus der Veräußerung von
Anteilen an Kapitalgesellschaften dann steuerfrei sind, wenn die
Ausschüttung ab dem 01.01.2001 erfolgt (ebenso:
Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG,
§ 43 KAGG Rz 43 f.; wohl ebenso Mertes/Feyerabend in
Erle/Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 329). Die
zeitliche Anwendbarkeit richtet sich mithin nach dem Zeitpunkt, zu
dem das Wertpapier-Sondervermögen die Ausschüttung
vornimmt. Nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem das
Wertpapier-Sondervermögen die Kapitalbeteiligung
veräußert.
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b) Nach § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F.
des StSenkG ist für die Bestimmung der erstmaligen zeitlichen
Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG die Vorschrift des § 52 Abs. 36 Satz 2 EStG i.d.F. des
StSenkG sinngemäß anzuwenden. Danach ist das
Steuersenkungsgesetz auf solche Erträge anzuwenden, für
die § 52 Abs. 36 Satz 1 EStG i.d.F. des StSenkG nicht gilt.
Dieser Satz 1 gilt wiederum letztmalig für
Ausschüttungen, für die der Vierte Teil des
Körperschaftsteuergesetzes nach § 34 Abs. 10a KStG i.d.F.
des Art. 3 StSenkG letztmals anzuwenden ist. Dementsprechend gilt
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG erstmals
für Ausschüttungen von Veräußerungsgewinnen
durch das Sondervermögen, für die der Vierte Teil des
Körperschaftsteuergesetzes nach § 34 Abs. 10a KStG i.d.F.
des Art. 3 StSenkG nicht mehr anzuwenden ist. Auf solche
Ausschüttungen waren die Vorschriften des Vierten Teils des
Körperschaftsteuergesetzes allerdings nie anwendbar, weil
Sondervermögen am Anrechnungsverfahren nicht teilgenommen
haben (Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer,
KAGG/AuslInvestmG, § 43 KAGG Rz 43). Selbst wenn man bei
sinngemäßer Anwendung des § 52 Abs. 36 Satz 2 EStG
i.d.F. des StSenkG nicht auf die Teilnahme des Sondervermögens
selbst am Anrechnungsverfahren, sondern auf die Teilnahme der
Kapitalgesellschaft am Anrechnungsverfahren abstellen sollte, deren
Anteile auf Ebene des Sondervermögens veräußert
wurden (so Mertes/Feyerabend in Erle/Sauter, Reform der
Unternehmensbesteuerung, S. 329), ergibt sich im vorliegenden Fall
kein anderes Ergebnis. Denn in Streit steht der
Veräußerungsgewinn von Anteilen an ausländischen
Kapitalgesellschaften. Ausländische Kapitalgesellschaften
haben ebenfalls nicht am Anrechnungsverfahren teilgenommen. Deshalb
kann die erstmalige zeitliche Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1
Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG im Falle von
Ausschüttungen ausländischer
Altveräußerungsgewinne durch Sondervermögen nur
nach der allgemeinen Anwendungsvorschrift des § 34 Abs. 1 KStG
i.d.F. des StSenkG bestimmt werden (so zum ebenfalls in § 43
Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG genannten § 40a KAGG:
Senatsurteil vom 28.10.2009 - I R 27/08, BFHE 227, 73, BStBl II
2011, 229 = SIS 10 02 04, unter II.2.c; zu Fällen der
Direktanlage s. Senatsurteil vom 18.05.2021 - I R 12/18, BFHE 273, 223, BStBl II
2021, 875 = SIS 21 14 46, Rz 30). Nach § 34 Abs. 1 KStG
i.d.F. des StSenkG sind die Vorschriften des
Körperschaftsteuergesetzes erstmals für den
Veranlagungszeitraum 2001 und damit auch auf die angefochtenen
Steuerbescheide anzuwenden.
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(1) Für diese Auslegung spricht, dass
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG, dessen
zeitliche Anwendung § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG regelt, eine Vorschrift zur Besteuerung von
Ausschüttungen eines Wertpapier-Sondervermögens auf
Anlegerebene ist. Für die Besteuerung von
Veräußerungsgewinnen auf Anlegerebene ist allerdings
allein der Zeitpunkt der Ausschüttung durch das
Sondervermögen maßgeblich. Die zeitlich davor liegende
Veräußerung der Anteile auf Ebene des
Sondervermögens und die Thesaurierung des realisierten Gewinns
auf Ebene des Sondervermögens lösen beim Anleger des
Sondervermögens wegen fehlender entsprechender gesetzlicher
Anordnung keine steuerrechtlichen Folgen aus (s.
Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG,
§ 39 KAGG Rz 35). Ohne eine explizit anderslautende Regelung
ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung
der zeitlichen Anwendbarkeit an den Zeitpunkt anknüpfen
wollte, zu dem der Steuertatbestand verwirklicht wird. Wenn er es
ausnahmsweise für sachgerecht erachtet, bei der Bestimmung der
zeitlichen Anwendbarkeit einer Steuervorschrift an einen davon
abweichenden Zeitpunkt anzuknüpfen, muss dies in der
entsprechenden gesetzlichen Regelung ausdrücklich zum Ausdruck
kommen. Dafür finden sich in § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG
i.d.F. des StSenkG jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
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(2) Gegen eine Anknüpfung an den
Zeitpunkt der Veräußerung der
Kapitalgesellschaftsanteile auf Fondsebene zur Bestimmung der
zeitlichen Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
KAGG i.d.F. des StSenkG spricht auch der Umstand, dass der
Gesetzgeber die Regelung des § 52 Abs. 36 Satz 2 EStG i.d.F.
des StSenkG in Bezug genommen hat. Bei dieser Regelung handelt es
sich um eine Regelung zu Ausschüttungen aus
Kapitalgesellschaften (= laufende Erträge), wie auch § 40
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG eine Regelung zur
Ausschüttung durch das Sondervermögen ist. Hätte der
Gesetzgeber für die Bestimmung der zeitlichen Anwendbarkeit
des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG
schon vorgelagert an den auf Fondsebene stattfindenden
Veräußerungsvorgang anknüpfen wollen, hätte er
dies dadurch deutlich machen können und müssen, dass er
eine Regelung zur erstmaligen zeitlichen Anwendbarkeit des
Halbeinkünfteverfahrens in Bezug nimmt, die
Veräußerungsgewinne betrifft (z.B. § 52 Abs. 4a Nr.
2 oder Abs. 34a EStG i.d.F. des StSenkG).
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(3) Schließlich lässt sich eine
Anknüpfung des § 43 Abs. 14 Satz 2 KAGG i.d.F. des
StSenkG an den vorgelagerten Veräußerungsvorgang auf
Ebene des Wertpapier-Sondervermögens auch nicht aus dem bei
der Besteuerung von Anlegern von Wertpapier-Sondervermögen
weitgehend geltenden Transparenzprinzip ableiten. Denn dieses wird
bei der Besteuerung von Wertpapier-Sondervermögen und ihren
Anlegern nicht voll verwirklicht, sondern lediglich in dem Umfang,
in dem dessen Geltung durch die einzelnen Spezialregelungen
angeordnet wird (s. Senatsurteile vom 03.03.2010 - I R 109/08, BFHE
229, 351 = SIS 10 15 75, Rz 27 und vom 25.06.2014 - I R 33/09, BFHE
246, 310, BStBl II 2016, 699 = SIS 14 25 06, Rz 13; BFH-Beschluss
vom 23.10.2019 - XI R 43/18, BFHE 266, 533, BStBl II 2020, 281 =
SIS 20 02 13, Rz 53; Senatsbeschluss vom 07.02.2024 - I R 36/23 (I
R 5/18), BFH/NV 2024, 1000 = SIS 24 09 51, Rz 33; s.a.
BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79). Zudem wird das Transparenzprinzip gerade bei den hier
streitigen Veräußerungsgewinnen durchbrochen, da diese -
abweichend zur Situation einer Direktanlage im Zeitpunkt der
Realisation des Veräußerungserlöses auf Ebene des
Wertpapier-Sondervermögens - bei dem Anleger noch keine
Besteuerung auslösen.
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(4) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom
BMF angeführten Umstand, dass die
Altveräußerungsgewinne
„steuerverstrickt“ gewesen seien, weil
sie im Falle einer Ausschüttung noch unter Geltung der bis
einschließlich des Jahres 2000 anwendbaren Regelungen im
Körperschaftsteuergesetz unter dem Regime des
Anrechnungsverfahrens steuerpflichtig gewesen wären. Denn die
Ausschüttungen erfolgten hier nicht mehr im Jahr 2000, sondern
erst im Jahr 2001. Die Besteuerung thesaurierter
Altveräußerungsgewinne, die erst nach dem Systemwechsel
ab dem Jahr 2001 ausgeschüttet werden, ist nicht
systemimmanent.
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Insbesondere führt die Anwendung der
Steuerbefreiungsvorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
KAGG i.d.F. des StSenkG bei einer Ausschüttung von
ausländischen Altveräußerungsgewinnen unter Geltung
des Halbeinkünfteverfahrens nicht zu einer steuerlichen
Überbegünstigung in der Ausschüttungskette, weil
Vorteile aus der teilweisen Anwendung des Anrechnungsverfahrens mit
solchen aus der teilweisen Anwendung des
Halbeinkünfteverfahrens in nicht vorgesehener Weise
miteinander kombiniert würden. Dies ist in der vorliegenden
Konstellation der Veräußerung von ausländischen
Aktien schon deshalb ausgeschlossen, weil das Anrechnungsverfahren
auf ausländische Kapitalgesellschaften nicht anwendbar gewesen
ist. Letztlich führt die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 KAGG i.d.F. des StSenkG im Streitfall lediglich zu einer
früheren Beseitigung der unionsrechtswidrigen Rechtslage zu
den Gewinnen aus der Veräußerung ausländischer
Kapitalgesellschaftsanteile (s. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union Verkooijen vom 06.06.2000 - C-35/98,
EU:C:2000:294, Slg. 2000, I-4071 = SIS 00 08 51), wenn diese bis zum Systemwechsel zum
Halbeinkünfteverfahren in einem Wertpapier-Sondervermögen
thesauriert wurden.
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