Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 10.03.2022 - 8 K 1945/19
GrE = SIS 22 06 60 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stiftung nach
niederländischem Recht, die ihren Sitz im Königreich der
Niederlande (Niederlande) hat. Sie wurde am 14.10.2009
gegründet. Alleiniger Vorstand der Klägerin war der
niederländische Staatsangehörige B. Als Stiftungszweck
wurde die Verwaltung der Anteile an der … Holding B.V.
(Holding B.V.), einer Kapitalgesellschaft niederländischen
Rechts, sowie die Herausgabe von Zertifikaten zu diesen Anteilen
festgelegt. Am gleichen Tag wurde die Holding B.V. mit Sitz in den
Niederlanden gegründet und B zu deren alleinigem
Geschäftsführer bestellt. Es wurden 180 Anteile im
Nennwert von jeweils 100 EUR ausgegeben. Unmittelbar nach der
Gründung erfolgte eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von
442.900 Anteilen an den B. Dieser brachte seine Anteile an der
Holding B.V. in die Klägerin ein. Im Gegenzug gab die
Klägerin Zertifikate an den B aus.
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Am 24.12.2009 beschloss die
Gesellschafterversammlung der Holding B.V. eine weitere
Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 298.064 Anteilen im Nennwert
von 100 EUR an den B. Als Gegenleistung für die Übernahme
dieser Anteile übertrug B 100 % seiner Anteile an der A-N.V.,
einer Kapitalgesellschaft belgischen Rechts mit Sitz im
Königreich Belgien, auf die Holding B.V. Die A-N.V. war
Alleingesellschafterin der C-GmbH, die mit notariellem Vertrag vom
20.05.2009 das Grundstück X-Straße … in Y zu
einem Kaufpreis von 915.000 EUR erworben hatte.
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Ebenfalls am 24.12.2009 brachte B seine am
gleichen Tag im Rahmen der Kapitalerhöhung übernommenen
Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin ein. Hierfür
erhielt er von der Klägerin entsprechende Zertifikate.
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Nach einer bei der C-GmbH
durchgeführten Außenprüfung setzte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) aufgrund der Übertragung
der Anteile des B an der Holding B.V. auf die Klägerin mit
Vertrag vom 24.12.2009 mit Bescheid vom 06.10.2016
Grunderwerbsteuer in Höhe von 194.789 EUR gegenüber der
Klägerin fest. Als Bemessungsgrundlage legte es im Wege der
Schätzung das Siebenfache des zuletzt festgestellten
Einheitswerts des Grundstücks X-Straße … in Y in
Höhe von 5.565.400 EUR zugrunde.
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Mit Bescheid vom 22.05.2019 stellte das FA
den Grundbesitzwert für das in seinem Bezirk liegende
Grundstück für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf 915.000
EUR fest. Daraufhin erging am 22.05.2019 ein nach § 175 Abs. 1
Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter
Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem die Grunderwerbsteuer
gegenüber der Klägerin auf 32.025 EUR herabgesetzt
wurde.
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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch
erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in EFG 2022, 869 =
SIS 22 06 60 veröffentlichtem
Urteil ab.
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Mit der gegen das FG-Urteil erhobenen
Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts.
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Sie trägt vor, dass bereits mit der
Anteilsübertragung am 14.10.2009 mehr als 95 % der Anteile an
der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt worden
seien. Dass die Schwelle von 95 % der Anteile infolge der
Kapitalerhöhung der Holding B.V. am 24.12.2009 wieder
unterschritten worden sei, sei unerheblich. Nur die erstmalige
Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile könne die
Besteuerungsfolge auslösen. Jedenfalls aber wäre ein
etwaiger grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 5 Abs. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr (2009) geltenden
Fassung (GrEStG) steuerfrei. Die Klägerin stehe einer
Gesamthandsgemeinschaft im Sinne der Vorschrift gleich. Das FG sei
nur deswegen zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil der von ihm
angestellte Rechtstypenvergleich unvollständig sei. Es
hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen,
dass die Klägerin in den Niederlanden transparent besteuert
werde.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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die Vorentscheidung aufzuheben und den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 22.05.2019 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019 dahin abzuändern, dass
die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden,
dass die Vereinigung der Anteile an der Holding B.V. in der Hand
der Klägerin aufgrund des Vertrags vom 24.12.2009 der
Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG
unterliegt und nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der
Grunderwerbsteuer befreit ist.
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1. Im Streitfall kann offenbleiben, ob beim
Erwerb der Anteile an der Holding B.V. durch die Klägerin am
24.12.2009 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG
erfüllt ist.
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a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
unterliegt, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht
kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf
Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer
grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der
Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder
mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand
des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem
Anteilserwerb wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile
vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der
Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand
vereinigen. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass
demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer
grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem
zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare
Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück
zuwächst (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
12.02.2014 - II R 46/12, BFHE 244, 455, BStBl II 2014, 536 = SIS 14 11 25, Rz 14, 17 und vom 25.11.2015 - II R 35/14, BFHE 251, 498,
BStBl II 2016, 234 = SIS 16 00 88, Rz 14, m.w.N.).
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Dieselben Grundsätze gelten im Rahmen des
§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Danach unterliegt die Vereinigung
unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer
grundbesitzenden Gesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn kein
schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG vorausgegangen ist. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist
gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG subsidiär. Ist der
Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch einen
Rechtsvorgang verwirklicht worden, unterliegt die nachfolgende
Übertragung der Anteile nicht erneut nach § 1 Abs. 3 Nr.
2 GrEStG der Grunderwerbsteuer (BFH-Urteil vom 28.11.1979 - II R
117/78, BFHE 130, 66, BStBl II 1980, 357 = SIS 80 01 95, Rz
12).
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b) Im vorliegenden Fall ist das FG ohne
Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des §
1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG erfüllt sind. Selbst wenn nach
niederländischem Recht dem Übergang der Anteile an der
Holding B.V. auf die Klägerin ein anspruchsbegründendes
Rechtsgeschäft nicht vorausgegangen sein sollte, wurde die
Anteilsvereinigung durch die Einbringung der Anteile des B an der
Holding B.V. in die Klägerin am 24.12.2009 vollzogen. Vor
Abschluss des Vertrags vom 24.12.2009 war die Klägerin
aufgrund der Kapitalerhöhung der Holding B.V. nur mit 59,76 %
der Anteile an der Holding B.V. beteiligt. Nach Abschluss des
Vertrags vom 24.12.2009 entfielen auf sie insgesamt 99,98 % der
Anteile an der Holding B.V., so dass sich mindestens 95 % der
Anteile der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt
haben.
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2. Offenbleiben kann im Streitfall auch die
Frage, ob eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG
auch dann vorliegt, wenn die Beteiligungsgrenze von 95 % nach einem
Absinken der Beteiligung erneut überschritten wird, da die
Voraussetzungen beider Besteuerungstatbestände erstmals bei
der Anteilsvereinigung mit Vertrag vom 24.12.2009 vorlagen.
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a) Zwar waren bereits am 14.10.2009, dem Tag
der Einbringung der 442.900 Anteile an der Holding B.V. durch den B
in die Klägerin, mehr als 95 % der Anteile an der Holding B.V.
in der Hand der Klägerin vereinigt. Zu diesem Zeitpunkt war
die Holding B.V. jedoch weder unmittelbar noch mittelbar an der
grundbesitzenden C-GmbH beteiligt, so dass der Tatbestand des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG zu diesem Zeitpunkt nicht
erfüllt war. Die Frage, ob bei einer erneuten
Überschreitung der 95 %-Schwelle die Steuerbarkeit
ausgeschlossen ist, ist daher im vorliegenden Fall nicht
entscheidungserheblich.
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b) Der Anteilsvereinigung im Sinne des §
1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG steht nicht entgegen, dass aufgrund
des Vertrags vom 24.12.2009 lediglich 40,22 % der Anteile an der
Holding B.V. von B auf die Klägerin übergingen. Entgegen
der Auffassung der Klägerin ist nicht erforderlich, dass
sämtliche Anteile, die zu einem Überschreiten der 95
%-Grenze führen, in einem einheitlichen
Übertragungsvorgang auf den Anteilserwerber übergehen.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG kann auch
durch mehrere sukzessive Rechtsakte verwirklicht werden, sofern
diese - wie vorliegend - in der Summe zu einer Anteilsvereinigung
von mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden
Gesellschaft führen (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.2006 - II B
26/06, BFH/NV 2007, 500 = SIS 07 07 39, m.w.N.).
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3. Zum Vermögen der Holding B.V.
gehörte im Zeitpunkt der Vereinigung von mindestens 95 % ihrer
Anteile in der Hand der Klägerin mit Vertrag vom 24.12.2009
ein inländisches Grundstück, so dass der Tatbestand des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG erfüllt ist.
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a) Ob ein Grundstück im Sinne des §
1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft gehört,
richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO.
Maßgeblich ist vielmehr eine grunderwerbsteuerrechtliche
Zuordnung. Ein inländisches Grundstück ist danach einer
Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld
grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen, wenn die Gesellschaft in
Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, 2, 3
oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat (z.B.
BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II
2023, 1012 = SIS 23 05 17, Rz 24 f., m.w.N.). Dies gilt auch bei
mehrstöckigen Beteiligungen. Ein Grundstück einer
Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft
grunderwerbsteuerrechtlich daher nur zuzurechnen, wenn die
Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach
§ 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG erworben hat. Der bloße
Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt
nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft
beziehungsweise im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei
den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in
einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen
grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar (BFH-Urteile vom
01.12.2021 - II R 44/18, BFHE 275, 373, BStBl II 2023, 1009 = SIS 22 11 06, Rz 25; vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl
II 2023, 1012 = SIS 23 05 17, Rz 30).
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b) Danach genügt - entgegen der
Auffassung des FG - zur Erfüllung des Tatbestands des § 1
Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG nicht bereits die 100%ige Beteiligung
der Holding B.V. an der A-N.V., die ihrerseits zu 100 % an der
C-GmbH beteiligt war, um das Grundstück
grunderwerbsteuerrechtlich der Holding B.V. zuzurechnen.
Entscheidend ist, dass die C-GmbH zu dem Zeitpunkt (24.12.2009),
als ihre Anteile mittelbar über die Anteile der A-N.V. in die
Holding B.V. eingebracht wurden, bereits (seit dem 20.05.2009)
grundbesitzend war.
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c) Bei der Holding B.V. handelt es sich um
eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG.
Grundbesitzende Gesellschaft im Sinne der Vorschrift kann sowohl
eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein (BFH-Urteil
vom 27.05.2020 - II R 45/17, BFHE 270, 247, BStBl II 2021, 315 =
SIS 20 18 59, Rz 12). Die Holding B.V. ist eine Kapitalgesellschaft
niederländischen Rechts. Sie steht im Rahmen der Anwendung des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG einer deutschen
Kapitalgesellschaft gleich (vgl. BFH-Urteile vom 22.08.2006 - I R
6/06, BFHE 215, 103, BStBl II 2007, 163 = SIS 06 47 36; vom
26.10.2021 - IX R 13/20, BFHE 275, 28, BStBl II 2022, 172 = SIS 22 00 33, Rz 17 und vom 27.06.2023 - VIII R 15/21, BFHE 280, 552,
BStBl II 2023, 903 = SIS 23 13 05, Rz 14; vgl. auch
Hagedorn/Tervoort, Niederländisches Wirtschaftsrecht, Kap. I,
unter A.1.a). Aus diesem Grund scheidet eine Anwendung des
vorrangigen § 1 Abs. 2a GrEStG, der nur Personengesellschaften
erfasst, aus. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F., der
den Austausch von Gesellschaftern bei einer Kapitalgesellschaft
erfasst, war im Streitjahr noch nicht in Kraft (§ 1 Abs. 2b
GrEStG n.F. wurde erst eingefügt mit Wirkung vom 01.07.2021
durch Gesetz vom 12.05.2021, BGBl I 2021, 986).
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d) Für die Besteuerung der
Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG
spielt es keine Rolle, dass sich der Sitz der Klägerin als
Erwerberin der Anteile an der Holding B.V. im Ausland befindet.
Gegenstand der Steuer ist der unmittelbare oder mittelbare Erwerb
aller Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand
und die damit verbundene Fiktion des Erwerbs eines
Grundstücks. Dementsprechend kommt es nur auf die Lage des von
dem fiktiven Grunderwerb erfassten Grundstücks im Inland an
(vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2002 - II R 23/00, BFH/NV 2003, 505 =
SIS 03 18 06, Rz 16). Das vorliegend von dem Anteilserwerb der
Klägerin erfasste Grundstück der C-GmbH, deren Anteile
die Klägerin über ihre Beteiligung an der Holding B.V.
mittelbar erworben hat, befindet sich im Inland.
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4. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Anteilsvereinigung nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der
Grunderwerbsteuer befreit ist.
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a) Geht ein Grundstück von einem
Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die
Steuer gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe des
Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am
Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vorschrift gilt
auch bei „fiktiven“
Grundstückserwerben im Sinne des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG
und ist daher auch im Falle einer Anteilsvereinigung im Sinne des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG anwendbar (vgl. Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 Rz 34).
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b) Ausländische Gesellschaften
können ebenfalls nach § 5 Abs. 2 GrEStG begünstigt
sein, sofern deren Struktur mit einer inländischen
Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar ist (allgemeine Ansicht, vgl.
z.B. Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 Rz 17;
Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 5 Rz
5; Schley in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl.,
§ 5 Rz 23; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG,
§ 5 GrEStG Rz 8, Stand 05.2024; vgl. auch Gleich lautende
Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom
12.11.2018, BStBl I 2018, 1334 = SIS 18 18 59, Rz 2; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076
= SIS 00 04 71). Das ist der Fall, wenn eine Gesamtwürdigung
der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die
Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese
rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen
Gesamthandsgemeinschaft gleichsteht. Es muss im Einzelfall
geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige
Gesellschaft oder Vermögensmasse dem
„Typ“ und der tatsächlichen
Handhabung nach einer Gesamthandsgemeinschaft nach innerstaatlichem
Recht entspricht. Die Feststellung der einschlägigen
ausländischen Rechtsnormen sowie die Ermittlung der für
den Rechtsformtypenvergleich notwendigen gesellschaftlichen
Merkmale gehört zu den vom FG von Amts wegen vorzunehmenden
Tatsachenfeststellungen, an die der BFH im Revisionsverfahren
grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden
ist (BFH-Urteile vom 06.06.2012 - I R 52/11, BFHE 237, 356, BStBl
II 2014, 240 = SIS 12 22 63 und vom 20.01.2015 - II R 42/12, BFH/NV
2015, 1079 = SIS 15 15 13). Im Revisionsverfahren kann lediglich
überprüft werden, ob die Ermittlung der Rechtsnormen und
ihres Inhalts verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist
und ob das FG bei seinen Ermittlungen die Denkgesetze und
allgemeinen Erfahrungssätze beachtet hat (BFH-Urteil vom
19.12.2007 - I R 46/07, BFH/NV 2008, 930 = SIS 08 20 94, Rz
15).
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c) Nach diesen Maßstäben ist die
Würdigung des FG, die Klägerin sei ihrer rechtlichen
Struktur nach nicht mit einer inländischen
Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. An diese Würdigung ist der BFH nach § 118
Abs. 2 FGO gebunden.
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aa) Das FG hat in seinem Urteil zum
niederländischen Zivilrecht festgestellt, dass es sich bei der
Klägerin, die in der Rechtsform einer
„stichting“ organisiert ist, um eine
durch Rechtsgeschäft gegründete rechtsfähige
juristische Person in Form eines verselbständigten
Zweckvermögens handelt, das keine Mitglieder hat und das dem
Zweck dient, mithilfe eines dazu bestimmten Vermögens ein in
der Satzung festgelegtes Ziel zu verwirklichen (vgl. Art. 285 des
Zweiten Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Niederlande).
Ausgehend hiervon hat das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze darauf abgestellt, dass sich
die Klägerin nach ihrer rechtlichen Struktur bereits aufgrund
des Fehlens von Mitgliedern oder Anteilseignern von einer
Gesamthandsgemeinschaft, deren Entstehung als Personenverband die
Beteiligung von mindestens zwei Gesellschaftern voraussetzt (vgl.
§ 705 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
unterscheidet. Ebenso durfte das FG beim Rechtstypenvergleich
berücksichtigen, dass eine
„stichting“ im Unterschied zu einer
Gesamthandsgemeinschaft nicht durch eine gesamthänderische
Bindung des Gesellschaftsvermögens gekennzeichnet ist. Etwas
anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die
Klägerin in ihrer konkreten Ausgestaltung als „stichting
administratiekantoor“ die Zertifizierung von
Anteilen ermöglicht. Denn ungeachtet der wirtschaftlichen
Berechtigung der Zertifikatsinhaber in Bezug auf die Erträge
aus den verwalteten Anteilen verbleibt es nach den Feststellungen
des FG bei der Verselbständigung des zweckgebundenen
Vermögens auf Ebene der „stichting“
als zivilrechtliche Inhaberin der verwalteten Anteile, ohne dass
die Zertifikatsinhaber an den Anteilen vermögensrechtlich
beteiligt sind. Ebenso wenig hat das FG Anhaltspunkte für das
Erfordernis einer Selbstorganschaft oder der persönlichen
Haftung der Zertifikatsinhaber für von der Klägerin
eingegangene Verbindlichkeiten festgestellt.
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bb) Vor diesem Hintergrund begegnet die
Schlussfolgerung des FG, die Klägerin sei nicht mit einer
inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar, keinen
revisionsrechtlichen Bedenken. Die Klägerin hat auch nicht
geltend gemacht, dass dem FG bei der Ermittlung der
ausländischen Rechtsgrundlagen Verfahrensfehler unterlaufen
sind. Soweit sie darauf hinweist, dass das FG einen
unvollständigen Rechtstypenvergleich angestellt habe, macht
sie der Sache nach lediglich geltend, dass die Würdigung des
FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen. Da
insoweit keine Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine
Erfahrungssätze vorliegen, ist der BFH an diese Würdigung
nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Der Hinweis der Klägerin,
dass die „stichting“ in den Niederlanden
einer transparenten Besteuerung unterliegt, ist für den im
Rahmen von § 5 Abs. 2 GrEStG vorzunehmenden - allein auf den
Abgleich der zivilrechtlichen Strukturmerkmale gerichteten -
Rechtstypenvergleich unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2017 -
I R 42/15, BFH/NV 2018, 616 = SIS 18 05 21; gleicher Ansicht
Wischott/Graessner/Lottermoser, Die Unternehmensbesteuerung 2021,
331, 338; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl.,
§ 5 Rz 5).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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6. Der Senat entscheidet im
Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m.
§ 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
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