Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.10.2019 - 5 K
309/17 = SIS 19 22 31 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Stiftung öffentlichen Rechts und
Trägerin einer Universität, die auch einen Bereich
Universitätsmedizin unterhielt. Die Klägerin erbrachte im
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mit mehreren Betrieben
gewerblicher Art Dienstleistungen gegen Entgelt. Soweit die
entgeltlichen Dienstleistungen auf den Krankenhausbetrieb
entfielen, waren sie steuerfrei. Zugleich nahm die Klägerin
als juristische Person des öffentlichen Rechts hoheitliche
Aufgaben wahr. Die Klägerin ging davon aus, dass sie nach
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
Organträgerin der U-GmbH sei. Die U-GmbH erbrachte für
die Klägerin im Jahr 2005 (Streitjahr) verschiedene
Dienstleistungen, unter anderem Reinigungsleistungen in den
Räumen der Klägerin gegen Entgelt, wobei ein Teil der zu
reinigenden Fläche auf den hoheitlichen Bereich der
Klägerin entfiel.
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid
für das Streitjahr an, dass es sich bei den Betrieben der
Klägerin um ein einheitliches Unternehmen handele, für
das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und
dementsprechend nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei. Das
FA sah dabei - wie von der Klägerin zuvor auch erklärt -
sämtliche von der U-GmbH erbrachten Leistungen als
Umsätze an, die innerhalb der zwischen der Klägerin und
der U-GmbH bestehenden Organschaft erbracht worden und damit
nichtsteuerbar gewesen seien. Soweit allerdings die
Reinigungsleistungen für den Hoheitsbereich der Klägerin
erfolgt seien, hätten sie einer unternehmensfremden
Tätigkeit gedient und lösten daher eine unentgeltliche
Wertabgabe bei der Klägerin aus. Demgemäß
erhöhte das FA die festgesetzte Umsatzsteuer. Der hiergegen
eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) mit seinem in EFG 2020, 881 = SIS 19 22 31 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Es liege
eine Organschaft vor, die zur Zusammenfassung der Klägerin als
Organträgerin und der U-GmbH als Organgesellschaft zu einem
Unternehmen führe. Die Organschaft erstrecke sich auch auf den
Hoheitsbereich der Klägerin. Die Voraussetzungen einer
unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG
lägen aber nicht vor. Es fehle bereits an einer
unentgeltlichen Leistung. Die U-GmbH habe die Reinigungsleistungen
auch nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens
liegen, erbracht.
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Hiergegen wendet sich das FA mit seiner
Revision.
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Der Senat hat im Revisionsverfahren das
Verfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 07.05.2020 - V R 40/19
(BFHE 270, 166 = SIS 20 06 63) dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob
die nationale Regelung zur Organschaft mit einer
Steuerschuldnerschaft des Organträgers überhaupt
unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung
kommt. Der EuGH hat mit seinem Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 -
C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92 wie folgt entschieden:
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„1. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [Richtlinie 77/388/EWG] ist
dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt,
zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar
rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle,
wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander
verbunden sind, den Organträger dieser Gruppe zu bestimmen,
wenn dieser in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen
Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen, und unter der
Voraussetzung, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von
Steuerverlusten führt.
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2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen,
dass im Fall einer Einheit, die die einzige Steuerpflichtige einer
Gruppe von Personen ist, die zwar rechtlich unabhängig, aber
durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, und
die zum einen wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt,
für die sie der Steuer unterliegt, und zum anderen
Tätigkeiten im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben,
für die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der [Richtlinie
77/388/EWG] nicht als mehrwertsteuerpflichtig gilt, die Erbringung
einer Dienstleistung im Zusammenhang mit dieser hoheitlichen
Tätigkeit durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht
gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie
besteuert werden darf.“
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Im Hinblick auf die EuGH-Urteile
Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 -
C-141/20, EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90 und Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944
= SIS 22 20 92 hat der Senat das
Verfahren nochmals ausgesetzt und dem EuGH weitere Fragen zur
Entscheidung vorgelegt, mit denen für den Streitfall zu
klären war, ob im Rahmen einer Organschaft ausgeführte
Innenumsätze entgegen der ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer
unterliegen und damit steuerbar sind. Hierauf hat der EuGH mit
seinem Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 - C-184/23,
EU:C:2024:599 = SIS 24 12 81 wie
folgt geantwortet:
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„Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der [Richtlinie 77/388/EWG] sind dahin auszulegen, dass
gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und
derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die aus rechtlich
selbständigen, aber durch gegenseitige finanzielle,
wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander
verbundenen Personen besteht und von einem Mitgliedstaat als
einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der
Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser
Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als
Vorsteuer abgezogen werden darf.“
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Das FA bringt vor, die Entnahmebesteuerung
solle sicherstellen, dass der selbst versorgende Unternehmer nicht
bessergestellt sei als ein normaler Verbraucher, welcher eine
(identische) Leistung mit Umsatzsteuer belastet in Anspruch nehme.
Danach dürfe es unter dem Aspekt der systemgerechten
Besteuerung auch keinen Unterschied machen, ob eine natürliche
Person Dienstleistungen ihres Unternehmens für private Zwecke
verwendet oder eine juristische Person für hoheitliche
Zwecke.
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Das FA beantragt,
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das Urteil des FG aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Sie sieht sich durch die beiden Urteile des
EuGH in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die von der U-GmbH an die Klägerin erbrachten Leistungen
nichtsteuerbare Innenumsätze innerhalb der
umsatzsteuerrechtlichen Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2
Nr. 2 UStG sind und dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a
Nr. 2 UStG nicht vorliegen, soweit die U-GmbH Leistungen für
den hoheitlichen Bereich der Klägerin gegen Entgelt erbracht
hat.
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1. Im Streitfall liegt eine Organschaft im
Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, bei der die Klägerin
Organträgerin der U-GmbH als Organgesellschaft ist.
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a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 bis 3
UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht
selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach
dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des
Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen
der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland
gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese
Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.
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Dies beruhte im Streitjahr unionsrechtlich auf
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht
es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie
77/388/EWG jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige
Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch
gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische
Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen
Steuerpflichtigen zu behandeln.
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b) Aufgrund der EuGH-Urteile Norddeutsche
Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 - C-141/20,
EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90 und
Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92 ist geklärt, dass die sich
aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des
Organträgers unionsrechtskonform ist, wie der BFH auch bereits
entschieden hat (Urteil vom 18.01.2023 - XI R 29/22 (XI R 16/18),
BFHE 279, 320 = SIS 23 04 64). Dem schließt sich der
erkennende Senat an (ebenso bereits BFH-Beschluss vom 13.03.2024 -
V B 67/22, BFH/NV 2024, 682 = SIS 24 06 09, Rz 12).
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c) Aufgrund der im Revisionsverfahren nicht
angegriffenen, nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen
des FG liegen die Voraussetzungen einer Organschaft im Sinne des
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zwischen der Klägerin als
Organträgerin und der U-GmbH als Organgesellschaft vor.
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2. Ist eine Organschaft zu bejahen, sind
entgeltliche Leistungen,
die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt,
entsprechend der ständigen BFH-Rechtsprechung (so etwa
Beschluss vom 26.01.2023 - V R 20/22 (V R 40/19), BFHE 280, 68,
BStBl II 2023, 530 = SIS 23 04 65, Rz 22) nichtsteuerbar.
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a) Zweifel, die hieran im Hinblick auf die
EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom
01.12.2022 - C-141/20, EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90 und Finanzamt T vom 01.12.2022 -
C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92 bestanden (BFH-Beschluss vom 26.01.2023 - V R 20/22 (V R
40/19), BFHE 280, 68, BStBl II 2023, 530 = SIS 23 04 65), sind
durch das im Streitfall auf Vorlage durch den erkennenden Senat
ergangene EuGH-Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 - C-184/23,
EU:C:2024:599 = SIS 24 12 81
entfallen. Danach unterliegen gegen Entgelt erbrachte Leistungen
zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe
angehören, die von einem Mitgliedstaat als einzige
Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der
Mehrwertsteuer, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen
geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer
abgezogen werden darf.
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b) Auf dieser Grundlage sind entgeltliche Leistungen einer
Organgesellschaft an ihren Organträger auch dann
nichtsteuerbar, wenn der Organträger diese für
hoheitliche Zwecke, das heißt für
außerunternehmerische Zwecke (nichtwirtschaftliche
Tätigkeiten im engeren Sinne nach Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4
des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE - ) verwendet
(Senatsurteil vom 20.08.2009 - V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II
2010, 863 = SIS 09 33 08, unter II.2.c ee (3); dem zustimmend Heber
in Wäger, UStG, 3. Aufl., § 2 Rz 98). Denn liegen die in
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG genannten Voraussetzungen
für eine Organschaft vor, übt die Organgesellschaft ihre
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig
aus, ohne dass es hierfür auf die Verwendung der durch die
Organgesellschaft erbrachten Leistung durch den Organträger
ankommt. Aus der zudem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG
angeordneten Behandlung der Unternehmensteile von Organträger
und Organgesellschaft als ein Unternehmen folgt keine
Einschränkung der sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG
ergebenden Unselbständigkeit der Organgesellschaft.
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Dies steht im Einklang mit dem Unionsrecht.
Der EuGH hat die Nichtsteuerbarkeit der Innenleistung damit
begründet, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe
angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter
Steuerpflichtiger betrachtet werden kann und diese
Nichtsteuerbarkeit nicht unter dem Vorbehalt eines beim
Leistungsempfänger bestehenden Rechts auf Vorsteuerabzug steht
(EuGH-Urteil Finanzamt T II vom 11.07.2024 - C-184/23,
EU:C:2024:599 = SIS 24 12 81, Rz
40 und 46). Unionsrechtlich ist zudem zu beachten, dass der EuGH
auch die Einbeziehung von Nichtunternehmern in den
Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG als zulässig ansieht (EuGH-Urteil Kommission/Irland
vom 09.04.2013 - C-85/11, EU:C:2013:217, Rz 50). Zwar kommt dies
für die Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Hinblick
auf die auch bei einer richtlinienkonformen Auslegung zu beachtende
Wortlautgrenze nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 12.10.2016 - XI R
30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597 = SIS 16 27 85, Rz 41
unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 02.12.2015 - V R 67/14,
BFHE 251, 547, BStBl II 2017, 560 = SIS 16 00 93). Können aber
selbst Nichtunternehmer zu den Personen im Sinne von Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG gehören, lassen sich die
Wirkungen der Organschaft - wie etwa eine Nichtsteuerbarkeit von
Innenumsätzen - nicht auf Leistungen beschränken, die der
Organträger für unternehmerische Zwecke verwendet. Im
Hinblick hierauf schließt sich der Senat einer im Schrifttum
vertretenen Gegenauffassung, wonach Leistungen, die für einen
nicht zum Unternehmen gehörenden Bereich erbracht werden,
entgegen dem Senatsurteil vom 20.08.2009 - V R 30/06, BFHE 226, 465,
BStBl II 2010, 863 = SIS 09 33 08 steuerbar sein sollen
(Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz
100.2), nicht an. Zudem wäre über eine „partielle
Selbständigkeit“ der Organgesellschaft
und eine sich hieraus für diese ergebende
Steuerschuldnerschaft in einem die Organgesellschaft betreffenden
Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Im Übrigen ist nicht zu
entscheiden, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn - anders als im
Streitfall - der Organträger entgeltliche Leistungen an die
Organgesellschaft erbringt, die diese für Zwecke verwendet,
die außerhalb ihres Unternehmens liegen (die Steuerbarkeit
jedenfalls insoweit bejahend Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 934; zur Annahme einer
Beschränkung der Organschaft auf den unternehmerischen Bereich
der Organgesellschaft Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
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3. Wie sich aus dem EuGH-Urteil Finanzamt T
vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92 weiter ergibt, hat das FG die
Entnahmebesteuerung im Hinblick auf die Entgeltlichkeit der von der
U-GmbH erbrachten Leistungen zutreffend verneint. Erbringt eine
Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger,
lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, so
dass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer
Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG
beim Organträger kommt.
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a) Nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird einer
sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt die unentgeltliche
Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer
für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder
für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine
Aufmerksamkeiten vorliegen. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 6
Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 26 Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - ),
wonach die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den
Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für
den Bedarf seines Personals oder allgemein für
unternehmensfremde Zwecke den Dienstleistungen gegen Entgelt
gleichgestellt wird.
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b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH
zum Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
Buchst. b UStG i.d.F. des Gesetzes zur Neufassung des
Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom
26.11.1979 - UStG a.F. - (BGBl I 1979, 1953), wonach Eigenverbrauch
vorlag, wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens sonstige
Leistungen der in § 3 Abs. 9 UStG a.F. bezeichneten Art
für Zwecke ausführte, die außerhalb des
Unternehmens lagen, war dieser Tatbestand bei einer Person des
öffentlichen Rechts regelmäßig dann erfüllt,
wenn sie ansonsten unternehmerisch genutzte Einrichtungen in
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Schulen und
Vereinen unentgeltlich zur Nutzung überließ (so
insbesondere BFH-Urteil vom 10.02.1994 - V R 33/92, BFHE 174, 258,
BStBl II 1994, 668 = SIS 94 15 64, unter II.3.a).
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In diesem Zusammenhang konnte es zu einer
Entnahmebesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a bis
c UStG a.F. beim Organträger führen, wenn der
Organträger von einer Organgesellschaft nichtsteuerbar
bezogene Innenleistungen für hoheitliche und damit für
außerunternehmerische Zwecke (nichtwirtschaftliche
Tätigkeiten im engeren Sinne nach Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4
UStAE) verwendet (BFH-Urteil vom 20.08.2009 - V R 30/06, BFHE 226,
465, BStBl II 2010, 863 = SIS 09 33 08, unter II.2.c ee (3)). Die
Verwaltung ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Abschn. 2.11 Abs. 18
Satz 5 UStAE; vgl. auch Abschn. 2.10 Abs. 4 UStAE zu § 3 Abs.
9a Nr. 1 UStG).
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c) Demgegenüber geht der EuGH davon aus,
dass die Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit der
hoheitlichen Tätigkeit des Organträgers, der auch der
Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeiten
ausübt, durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht
gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG besteuert werden
darf (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20,
EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92,
Antwort 2; zur Bindungswirkung derartiger Entscheidung allgemein
BFH-Urteil vom 28.05.2013 - XI R 11/09, BFHE 242, 84, BStBl II
2023, 537 = SIS 13 20 49, Rz 66).
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Der EuGH begründet dies zum einen damit,
dass mit Art. 6 Abs. 2
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine allgemeine Regel
eingeführt werden sollte, nach der Tätigkeiten, die nicht in den
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, als Tätigkeiten
betrachtet werden können, die für
„unternehmensfremde“ Zwecke im Sinne
dieser Vorschrift ausgeführt werden. Werde an einen einzigen
Steuerpflichtigen einer Mehrwertsteuergruppe von einem Mitglied
dieser Gruppe eine Dienstleistung erbracht, die für den
Bereich der hoheitlichen Tätigkeit dieses Steuerpflichtigen
bestimmt ist, käme die Annahme, dass eine solche
Dienstleistung gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG steuerbar ist, der Annahme gleich, dass diese
Dienstleistung zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird, und
führte somit dazu, die hoheitliche Tätigkeit, die
gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht in den
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer falle, einer solchen
Tätigkeit gleichzustellen, wobei eine solche Auslegung sowohl
Art. 2 Nr. 1 als auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG ihren
Sinn nähme (EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 - C-269/20,
EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz
57 bis 59).
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Zum anderen führt der EuGH hierfür
an, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG
jedenfalls nur die „unentgeltlichen“
Umsätze betreffe, die für die Zwecke der Mehrwertsteuer
den entgeltlichen Umsätzen gleichgestellt seien, so dass Art.
6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG auch deshalb keine
Anwendung finde, da die den Streitfall betreffenden
Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie
77/388/EWG (nunmehr Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) gegen
Entgelt erbracht worden seien (EuGH-Urteil Finanzamt T vom
01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz 60 bis 62).
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d) Liegt danach ein Entgelt vor und fehlt es
schon deshalb tatbestandlich an einer „unentgeltlichen
Erbringung einer anderen sonstigen Leistung“
(Dienstleistung) im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG, ist an
dem Senatsurteil vom 20.08.2009 - V R 30/06 (BFHE 226, 465, BStBl
II 2010, 863 = SIS 09 33 08, unter II.2.c ee (3)) insoweit nicht
festzuhalten, als der erkennende Senat dort aus der
organschaftlichen Zusammenfassung zu einem Unternehmen und der sich
hieraus ergebenden Unselbständigkeit der Organgesellschaft
abgeleitet hat, dass diese trotz vereinbarter Vergütung ihre
Leistung nicht gegen Entgelt erbringt, so dass für Zwecke der
Entnahmebesteuerung (früher auf derselben unionsrechtlichen
Grundlage: Eigenverbrauch) von einer unentgeltlichen Leistung
auszugehen war (so auch Senatsbeschluss vom 07.05.2020 - V R 40/19,
BFHE 270, 166 = SIS 20 06 63, Rz 65). Stattdessen folgt aus der
Zusammenschau der EuGH-Urteile Finanzamt T vom 01.12.2022 -
C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz 60 bis 62 und Finanzamt T II vom 11.07.2024 -
C-184/23, EU:C:2024:599 = SIS 24 12 81, Rz 40, dass es sich bei der von der U-GmbH an die
Klägerin erbrachten Leistungen um entgeltliche und zugleich
als Innenumsatz nichtsteuerbare Leistungen handelt.
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Da es bereits an einer Unentgeltlichkeit
fehlt, ist nicht zu entscheiden, ob Dienstleistungen für
hoheitliche Tätigkeiten für
„unternehmensfremde“ Zwecke im Sinne des
Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden.
Ebenso kann offen bleiben, ob - hierauf aufbauend - bei Bejahung
dieser Frage hieraus folgt, dass hoheitliche Tätigkeiten,
obwohl sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen,
Tätigkeiten gleichgestellt werden, die dem Anwendungsbereich
der Mehrwertsteuer unterliegen. Daher ist auch weder auf die in
diesem Zusammenhang am EuGH-Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 -
C-269/20, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92 geübte Kritik (Wüst, UR 2023, 1, 4 = SIS 22 20 92) noch auf den Vortrag des FA, eine Entnahmebesteuerung sei aus
Gründen der Gleichbehandlung vorzunehmen, einzugehen.
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4. Das FG-Urteil ist auch nicht aus anderen
Gründen rechtsfehlerhaft.
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Auf der Grundlage der vom FG getroffenen
Feststellungen ist davon auszugehen, dass sämtliche Leistungen
der U-GmbH sowohl nach der ursprünglichen Erklärung der
Klägerin als auch nach der Außenprüfung durch das
FA als nichtsteuerbare Innenumsätze der Organschaft betrachtet
wurden, Ausgangsleistungen an Dritte nicht vorlagen und für
von der U-GmbH bezogene Eingangsleistungen kein Recht auf
Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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