Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23.11.2022 - 7 K
195/21 = SIS 23 14 52 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens wegen
Einkommensteuer 2017 trägt die Klägerin, die Kosten des
Revisionsverfahrens wegen Einkommensteuer 2018 tragen die
Klägerin und der Kläger gemeinsam.
1
|
I. Streitig sind die Reichweite der
Steuerbarkeit von Schadenersatz wegen Verdienstausfalls sowie die
Anwendung einer tarifermäßigten Besteuerung.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Ehegatten, die für die Streitjahre 2017 und
2018 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Die
Klägerin war nichtselbständig tätig. Sie wurde
infolge eines medizinischen Behandlungsfehlers erwerbsunfähig.
Ihren Verdienstausfallschaden erhält sie von einer
Versicherung (V) des Schädigers ersetzt. Nach längerer
Unklarheit über Grund und Höhe der Einstandspflicht
verständigten sich V und die Klägerin, dass der Schaden
„nach der modifizierten Nettolohntheorie
abgerechnet“ wird. Demzufolge sollte
zunächst der ausgefallene Nettoverdienst gezahlt und
später die tatsächlich angefallene Einkommensteuer
erstattet werden.
|
|
|
3
|
In beiden Streitjahren leistete V einen
Nettoersatz des Verdienstausfalls von jeweils 21.395,28 EUR.
Über dessen einkommensteuerliche Behandlung als Einkünfte
gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht kein
Streit.
|
|
|
4
|
Im Jahr 2017 erstattete V darüber
hinaus die durch ein Gutachten ermittelte Steuerlast des für
die Jahre 1997 bis 2015 gezahlten Verdienstausfalls (insgesamt
59.956,19 EUR), ebenso die Steuerlast des Jahres 2016 (6.160,40
EUR). Ferner zahlte V 4.600 EUR zur Abgeltung eines (fiktiven) 13.
Monatsgehalts für die Jahre 1997 bis 2017. Im Streitjahr 2018
erstattete V die Steuerlast für die im Vorjahr gezahlten
Entschädigungen (38.511,16 EUR).
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) erfasste in den Einkommensteuerbescheiden
für die Streitjahre auch die vorgenannten Zahlungen der V als
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die
Einsprüche hatten keinen Erfolg.
|
|
|
6
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, die
für das Streitjahr 2017 nur durch die Klägerin und
für das Streitjahr 2018 durch beide Kläger erhoben worden
war, mit in EFG 2023, 836 = SIS 23 14 52 veröffentlichtem Urteil ab.
|
|
|
7
|
Mit ihrer Revision machen die Klägerin
(für das Streitjahr 2017) sowie beide Kläger (für
das Streitjahr 2018) geltend, das FG habe § 24 Nr. 1 Buchst. a
EStG zu weit ausgelegt. Die Erstattungen durch V ersetzten keine
Einnahmen, sondern Ausgaben in Form eines Steuerschadens.
Hilfsweise bringt die Klägerin für das Streitjahr 2017
vor, die den Zeitraum der Jahre 1997 bis 2015 abdeckende Erstattung
der Steuerlast sowie die Zahlung eines fiktiven 13. Monatsgehalts
für die Jahre 1997 bis 2017 seien nach § 34 EStG
ermäßigt zu besteuern. Schließlich führen die
Kläger einen Sachaufklärungsmangel des FG an.
|
|
|
8
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
das angefochtene Urteil hinsichtlich der
Einkommensteuer für 2017 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 31.08.2018 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.12.2020 dahingehend zu ändern,
dass Zahlungen der V von insgesamt 66.116,59 EUR nicht besteuert
werden, hilfsweise für Zahlungen von 64.556,19 EUR die
Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG zu
gewähren.
|
|
|
9
|
Beide Kläger beantragen
(sinngemäß),
|
|
das angefochtene Urteil hinsichtlich der
Einkommensteuer für 2018 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 10.10.2019 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.12.2020 dahingehend zu ändern,
dass die Zahlung der V von 38.511,16 EUR nicht besteuert
wird.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
die der Klägerin in den Streitjahren 2017 und 2018
zugeflossenen Zahlungen der V steuerbar sind (dazu unter 1.). Frei
von Rechtsfehlern hat es auch eine tarifermäßigte
Besteuerung für das Streitjahr 2017 abgelehnt (unter 2.). Ein
Sachaufklärungsmangel liegt nicht vor (unter 3.).
|
|
|
13
|
1. Die Erstattung der Steuerlasten für
den in den Vorjahren geleisteten Ersatz des Verdienstausfalls ist
nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG steuerbar.
|
|
|
14
|
a) Zu den Einkünften im Sinne des §
2 Abs. 1 EStG gehören auch Entschädigungen, die
gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder
entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG).
|
|
|
15
|
Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt
werden soll, muss es sich um steuerbare und steuerpflichtige
Einnahmen handeln; sie müssen - hypothetisch, aber auch
eindeutig - einer bestimmten Einkunftsart (§ 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 bis 7 EStG) unterfallen (Senatsurteil vom 26.05.2020 - IX R
15/19, BFHE 269, 94, BStBl II 2021, 901 = SIS 20 15 25, Rz 11).
|
|
|
16
|
Erfasst werden dem Wortlaut folgend nur
Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche,
die Ausgaben ausgleichen (Senatsurteil vom 11.07.2017 - IX R 28/16,
BFHE 259, 272, BStBl II 2018, 86 = SIS 17 20 68, Rz 20).
Unschädlich ist es, wenn der Ersatz von dritter Seite, zum
Beispiel von einer Versicherung des Schädigers geleistet wird,
sofern der Dritte dem Geschädigten gegenüber zur Leistung
verpflichtet ist (Senatsurteil vom 26.05.2020 - IX R 15/19, BFHE
269, 94, BStBl II 2021, 901 = SIS 20 15 25, Rz 13).
|
|
|
17
|
Die Entschädigung muss unmittelbar durch
den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt und dazu bestimmt
sein, diesen Schaden auszugleichen. Der erforderliche unmittelbare
Zusammenhang ist anhand der gesamten Umstände festzustellen
(Senatsurteil vom 26.05.2020 - IX R 15/19, BFHE 269, 94, BStBl II
2021, 901 = SIS 20 15 25, Rz 12).
|
|
|
18
|
Die gegebenenfalls erforderliche Auslegung der
Entschädigungsvereinbarung gehört zu den
tatsächlichen, den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht
grundsätzlich bindenden Feststellungen gemäß §
118 Abs. 2 FGO (Senatsurteil vom 18.10.2011 - IX R 58/10, BFHE 235,
423, BStBl II 2012, 286 = SIS 12 03 26, Rz 14).
|
|
|
19
|
b) Ist der Schädiger oder dessen
Versicherer dem Geschädigten zum Ersatz dessen
Verdienstausfalls verpflichtet, erstreckt sich die Ersatzpflicht
auch auf die hierauf entfallende Steuer (dazu unter aa). Dies hat
steuerrechtlich zur Folge, dass nicht nur der gezahlte Ausfall des
Nettoverdienstes, sondern ebenso die vom Schädiger erstattete
Steuerlast als nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbare
Entschädigung zu behandeln ist (unter bb). Ein nicht
steuerbarer Ausgabenersatz liegt insoweit nicht vor (unter cc).
|
|
|
20
|
aa) Im Fall einer Personenschädigung hat
der Schädiger neben dem körperlichen
Integritätsschaden auch den gesamten auf dem schädigenden
Ereignis beruhenden Verdienstausfallschaden zu ersetzen (§ 249
Abs. 1, § 252 Satz 1 sowie § 842, § 843 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ). Jener Schaden umfasst bei
einem abhängig Beschäftigten sowohl den entgangenen
Nettoverdienst als auch die hierauf entfallende Einkommensteuer
(Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20 =
SIS 21 12 34, Rz 9). Dies ist
deshalb der Fall, da der Geschädigte für den empfangenen
Ersatz des Verdienstausfalls Einkommensteuer zu entrichten hat.
Bliebe der Schadenersatz auf den Nettoverdienst beschränkt,
stünde der Geschädigte, gerade weil die Einkommensteuer
aus dem erwirtschafteten Einkommen herrührt,
vermögensmäßig schlechter als ohne das
schädigende Ereignis (vgl. auch BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI
ZR 924/20 = SIS 21 12 34, Rz 17,
m.w.N.). Die Ansicht der Kläger, der Verdienstausfallschaden
und die hierauf lastende Steuer seien zivilrechtlich getrennt
voneinander zu beurteilen, trifft daher nicht zu. Es handelt sich
vielmehr um zwei unmittelbar miteinander im Zusammenhang stehende
Positionen eines Verdienstausfallschadens im Sinne von §§
842, 843 Abs. 1 BGB.
|
|
|
21
|
Die Rechtspraxis hat für den Ersatz
dieses Schadens abhängig Beschäftigter - wie die
Vorinstanz zutreffend herausgestellt hat - zwei Berechnungsmethoden
entwickelt. Nach der Bruttolohnmethode ist Maßstab für
die Schadensberechnung der entgangene Bruttoverdienst des
Geschädigten; Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
sind somit von vornherein enthalten. Dagegen stellt nach der
(modifizierten) Nettolohnmethode der ersatzpflichtige Schaden das
fiktive Nettoeinkommen des Geschädigten zuzüglich aller
seiner aus dem Schadenereignis folgenden weiteren Nachteile
einschließlich der auf die Schadenersatzleistung geschuldeten
Steuer dar (BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20 = SIS 21 12 34, Rz 18, m.w.N.). Beide
Berechnungsmethoden stehen gleichberechtigt nebeneinander (vgl.
BGH-Urteil vom 15.11.1994 - VI ZR 194/93, BGHZ 127, 391, unter
II.1.a) und führen - richtig angewandt - zu gleichen
Ergebnissen (BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20 =
SIS 21 12 34, Rz 18).
|
|
|
22
|
bb) An diese zivilrechtliche Ausgangslage
anknüpfend ist die vom Schädiger erbrachte Erstattung der
Steuerlast als Einnahmenersatz im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst.
a EStG zu werten. Die Erstattung beruht unmittelbar auf dem Verlust
steuerbarer Einnahmen. Es handelt sich nicht um eine gesondert zu
beurteilende Schadensposition im Sinne der vom Senat in seiner
Entscheidung vom 11.07.2017 - IX R 28/16 (BFHE 259, 272, BStBl II
2018, 86 = SIS 17 20 68, Rz 24) erwähnten Art.
|
|
|
23
|
Ohne die erlittene Schädigung wäre
der Geschädigte im Stande gewesen, Einnahmen zu erzielen und
aus seinem Bruttoverdienst die Steuer zu entrichten. Demnach tritt
nicht nur der „netto“ gezahlte
Verdienstausfall, sondern gleichsam der zivilrechtlich
verpflichtende Ersatz der hierauf entfallenden Steuer an die Stelle
weggefallener Einnahmen (zutreffend Brandis/Heuermann/Heuermann,
§ 24 EStG Rz 33; List, Versicherungsrecht - VersR - 2018, 700,
702; a.A. [allerdings ohne Begründung] Horn in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 24 EStG Rz 38). Diese
Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob der
Verdienstausfallschaden nach Maßgabe der Bruttolohnmethode
oder - hinsichtlich des Ersatzes der Steuerlast zeitlich gestreckt
- nach der modifizierten Nettolohnmethode berechnet wird.
|
|
|
24
|
cc) Die Erstattung der auf dem Ersatz des
Verdienstausfalls lastenden Steuer stellt keine
Ausgabenentschädigung dar. Es handelt sich nicht um den Ersatz
eines echten Steuerschadens.
|
|
|
25
|
Voraussetzung hierfür wäre eine
Vermeidbarkeit des Schadens. Dies hat der BFH unter anderem
angenommen für den Fall, dass ein Steuerberater (BFH-Urteil
vom 18.06.1998 - IV R 61/97, BFHE 186, 363, BStBl II 1998, 621 =
SIS 98 19 24) oder ein Arbeitgeber (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - VI
R 34/16, BFHE 261, 313, BStBl II 2018, 600 = SIS 18 11 65) für
eine überhöhte Einkommensteuerfestsetzung Schadenersatz
an den Mandanten beziehungsweise Arbeitnehmer zu leisten hatte.
Begründet wurde dies damit, dass Schadenersatz, der wegen
einer überhöhten Steuerfestsetzung zu leisten ist, dem
Ausgleich einer Vermögenseinbuße dient, die nicht in der
Erwerbs-, sondern in der Privatsphäre eingetreten ist
(BFH-Urteil vom 25.04.2018 - VI R 34/16, BFHE 261, 313, BStBl II
2018, 600 = SIS 18 11 65, Rz 16, m.w.N.).
|
|
|
26
|
Dieser Rechtsgrundsatz ist auf den Ersatz
eines Verdienstausfallschadens nicht übertragbar. Mit der
Erstattung der auf den Schaden entfallenden Steuer ersetzt der
Schädiger keinen vermeidbaren Steuerschaden des
Geschädigten, sondern die - rechtmäßige -
Steuerfolge aus dem Ersatz des Nettoverdienstausfalls. Abweichendes
kann im Einzelfall nur gelten, wenn festgestellt wird, dass der
Schädiger Steuern in einem Umfang erstattet, die den Betrag,
die der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis auf
seine weggefallenen steuerbaren Einnahmen hätte zahlen
müssen, übersteigt.
|
|
|
27
|
c) Nach diesen Maßstäben sind im
Streitfall nicht nur die laufenden Nettozahlungen für den
Ersatz des Verdienstausfalls, sondern ebenso die der Klägerin
in den Streitjahren zugeflossenen Erstattungen der Steuerlast
steuerbar nach § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG.
|
|
|
28
|
aa) V war als Versicherer des Schädigers
gegenüber der Klägerin aufgrund eines medizinischen
Behandlungsfehlers zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Die
Ersatzpflicht umfasste den Verdienstausfall der Klägerin, den
sie deshalb erlitt, weil sie wegen des schadensauslösenden
Ereignisses ihrer bisherigen Arbeitnehmertätigkeit nicht mehr
nachgehen konnte. Die gesamten Leistungen der V sind an die Stelle
weggefallener Einnahmen getreten und unmittelbare Folge des
schädigenden Ereignisses. Dies gilt sowohl für die auf
dem Nettoverdienstausfallschaden lastende Einkommensteuer
(einschließlich Zuschlagsteuern) als auch für die
Erstattung derjenigen Steuer, die anfiel, weil V zuvor Steuer auf
den gezahlten Verdienstausfall an die Klägerin erstattet hatte
(ebenso Brandis/Heuermann/Heuermann, § 24 EStG Rz 33; Bodden
in Korn, § 2 EStG Rz 51.6). Sämtliche erstatteten
Steuerzahlungen wären auch ohne den medizinischen
Behandlungsfehler angefallen, da ein hypothetischer Verdienst der
Klägerin gleichsam der Einkommensteuer unterlegen
hätte.
|
|
|
29
|
bb) Das FG hat bindend festgestellt, dass V
und die Klägerin eine Nettoberechnung des
Verdienstausfallschadens vereinbart hatten. Dies ist zwischen den
Beteiligten im Kern auch nicht streitig, ergibt sich zudem aus dem
vom FG festgestellten Bestätigungsschreiben der V vom
24.04.2006 („… nach der modifizierten Nettolohntheorie
abgerechnet …“) und rechtfertigt sich
schließlich aus dem Umstand, dass V die auf den gezahlten
Verdienstausfall lastende Steuer in den Streitjahren - wenn auch
mit erheblicher zeitlicher Verzögerung - tatsächlich
erstattete. Anhaltspunkte dafür, dass jene Erstattungen eine
andere Ursache oder einen anderen Zweck hatten, als den
Verdienstausfall der Klägerin zu kompensieren, hat das FG
nicht festgestellt und wurde von den Klägern auch nicht
behauptet. Ebenso wenig hat die Vorinstanz festgestellt, dass V
Steuern erstattet hatte, die den Betrag, den die Klägerin ohne
das schädigende Ereignis hätte zahlen müssen,
überstiegen.
|
|
|
30
|
cc) Dass die Vertragsbeteiligten - wie die
Kläger anführen - die Steuerlast als vom
Nettoverdienstausfall zu separierende
„Schadensposition“ angesehen haben
sollen, ist für den Senat in Anbetracht der klaren
tatsächlichen und zivilrechtlichen Umstände nicht
nachvollziehbar. Es handelt sich im Übrigen um eine nicht
bindende rechtliche Einschätzung.
|
|
|
31
|
d) Die weiteren Einwendungen der Kläger
greifen nicht durch.
|
|
|
32
|
aa) Unzutreffend ist die Annahme, die
Erstattung der Steuerlast habe die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht erhöht. Das
Gegenteil ist der Fall. Die Klägerin war verpflichtet, die auf
der Zahlung des (Netto-)Verdienstausfalls lastende Steuer zu
erbringen. Aus diesem Grund sind die streitigen Zahlungen der V
auch kein durchlaufender Posten im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 2
EStG. Die Klägerin hat die Erstattungen weder in fremdem Namen
und für fremde Rechnung vereinnahmt noch zuvor die
Steuerzahlungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung
geleistet. Sie war insoweit unmittelbar selbst berechtigt und
verpflichtet.
|
|
|
33
|
bb) Das Abzugsverbot für gezahlte
Einkommensteuer gemäß § 12 Nr. 3 EStG
begründet die von den Klägern vertretene Ansicht nicht.
Zwar belegt die Norm, dass die Einkommensteuer als Personensteuer
nicht der Erwerbs-, sondern der steuerrechtlich irrelevanten
Vermögenssphäre zuzuordnen ist. Dies lässt
allerdings nicht den Schluss zu, dass sich - umgekehrt betrachtet -
jede Erstattung von Einkommensteuer durch einen Dritten
außerhalb der Erwerbssphäre vollzieht. Durch die
Rechtsprechung ist geklärt, dass dies nur der Fall ist, wenn
die Erstattung dem Zweck dient, eine dem Steuerpflichtigen
entstandene vermeidbare steuerliche Mehrbelastung auszugleichen
(BFH-Urteile vom 18.06.1998 - IV R 61/97, BFHE 186, 363, BStBl II
1998, 621 = SIS 98 19 24, unter 3. und vom 25.04.2018 - VI R 34/16,
BFHE 261, 313, BStBl II 2018, 600 = SIS 18 11 65, Rz 16 ff.; siehe
auch oben II.1.b cc). Im Streitfall liegen die Dinge anders. Nicht
die (erstattete) Steuer ist der Schaden, sondern der
schädigungsbedingte Verdienstausfall der Klägerin.
|
|
|
34
|
cc) Die
„Permanentbesteuerung“ infolge des
jährlichen Ersatzes der Steuerzahlung des Vorjahres
ändert daran nichts. Im Übrigen hat das FG zu Recht
darauf hingewiesen, dass die steuerrechtliche Beurteilung an die
Wahl des Geschädigten und Schädigers, den
Verdienstausfall entweder nach der Bruttolohn- oder aber der
modifizierten Nettolohnmethode zu bestimmen, lediglich
anknüpft. Während bei einer Bruttoberechnung der
Verdienstausfallschaden und die darauf entfallende Steuer vom
Schädiger in einem Zuge zu ersetzen sind und der
Geschädigte die Besteuerungsfolgen hieraus wirtschaftlich
selbst zu tragen hat, folgt die Nettoberechnung einem stufenweise -
zeitlich gestreckt - gezahlten Schadenersatz. Trotz des
beachtlichen Verwaltungsaufwands, der durch den langfristigen
jährlichen Ausgleich der jeweiligen Steuerlast entsteht,
wäre eine nur aus diesem Grund anzuordnende Steuerfreistellung
nicht hinnehmbar. Es entstünde ein nicht aufzulösender
Widerspruch zur Bruttolohnmethode, bei der - anders als die
Kläger meinen - der in einem Akt ausgezahlte Gesamtbetrag der
Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar
gewesen wäre.
|
|
|
35
|
2. Die Revision der Klägerin für das
Streitjahr 2017 hat auch im Hilfsvorbringen keinen Erfolg.
|
|
|
36
|
Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine
tarifermäßigte Besteuerung gemäß § 34
Abs. 1 EStG für die im Streitjahr 2017 zugeflossene Zahlung
zur Erstattung der Steuerlast der Jahre 1997 bis 2015 (59.956,19
EUR) sowie für die Zahlung eines fiktiven 13. Monatsgehalts
für die Jahre 1997 bis 2017 (4.600 EUR) abgelehnt. Es liegen
weder außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2
Nr. 2 EStG (dazu unter a) noch solche nach Nr. 4 der Vorschrift
(unter b) vor.
|
|
|
37
|
a) Die Zahlungen der V unterfallen nicht
§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG.
|
|
|
38
|
aa) Hiernach kommen als außerordentliche
Einkünfte zwar Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr.
1 EStG in Betracht. Voraussetzung für eine die
Tarifermäßigung rechtfertigende
Außerordentlichkeit ist allerdings, dass die
Entschädigung in Gänze in einem Veranlagungszeitraum
erbracht wird und dass durch die Zusammenballung von
Einkünften eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht
(vgl. statt vieler BFH-Urteile vom 15.12.2022 - VI R 19/21 = SIS 23 03 38, Rz 14 sowie vom 13.03.2018 -
IX R 16/17, BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709 = SIS 18 09 66, Rz
10, jeweils m.w.N.). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt
typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehr
verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn
die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften
zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (z.B.
Senatsurteil vom 08.04.2014 - IX R 28/13 = SIS 14 24 35, Rz 12).
|
|
|
39
|
Ausnahmen vom Erfordernis der Zusammenballung
von Einkünften sind nur in eng begrenzten Konstellationen
gerechtfertigt, weil sich ansonsten außerordentliche und
nicht begünstigte Einkünfte kaum noch unterscheiden
ließen (BFH-Urteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21 = SIS 23 03 38, Rz 16 f.). Eine solche Ausnahme
liegt vor, wenn mehrere Teilzahlungen sich eindeutig als Haupt- und
Nebenleistung darstellen und die Nebenleistung nur geringfügig
- das heißt regelmäßig nicht mehr als 10 % der
Hauptleistung - ist oder wenn aus Gründen der sozialen
Fürsorge eine Entschädigungszusatzleistung für eine
Übergangszeit gewährt wird (BFH-Urteil vom 15.12.2022 -
VI R 19/21 = SIS 23 03 38, Rz 18
f. und 26, m.w.N.).
|
|
|
40
|
Mehrere Zahlungen sind als einheitliche
Entschädigung zu beurteilen, wenn sie zum Ausgleich für
dasselbe Schadensereignis gezahlt werden (Senatsurteil vom
08.04.2014 - IX R 28/13 = SIS 14 24 35, Rz 13). Dies
gilt insbesondere dann, wenn dem Anspruch auf die
Entschädigung (nur) eine Rechtsgrundlage mit einer
Schadensposition zugrunde liegt (List, VersR 2018, 700, 701). Eine
Aufspaltung der Entschädigung in mehrere, getrennt nach §
34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu behandelnde Teile widerspräche dem
Normzweck, nur außerordentliche Progressionsnachteile
abzumildern.
|
|
|
41
|
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen liegen
im Streitfall keine als außerordentlich im Sinne von §
34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu qualifizierenden Entschädigungen
vor.
|
|
|
42
|
Das FG hat zu Recht die in Teilakten
erbrachten Zahlungen der V als einheitliche Entschädigung
aufgrund des schadensauslösenden Ereignisses (medizinischer
Behandlungsfehler) beurteilt. Die Zahlungen der V flossen und
fließen der Klägerin in mehreren
Veranlagungszeiträumen zu. Die übrigen vergangenen und
zukünftigen Zahlungen sind im Verhältnis zur streitigen
Steuererstattung und zum fiktiven 13. Monatsgehalt nicht lediglich
geringfügig. Bereits der laufende jährliche
Nettoverdienstausfall betrug in den Streitjahren 21.395,28 EUR.
|
|
|
43
|
Der Streitsachverhalt rechtfertigt keine
bisher nicht anerkannte - weitere - Ausnahme. Eine solche ist,
anders als die Klägerin meint, nicht aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit geboten. Die Klägerin
profitiert durch die zeitlich gestreckten Zahlungen von
Progressionsvorteilen.
|
|
|
44
|
b) Die von V im Streitjahr 2017 bezogenen
Zahlungen stellen auch keine außerordentlichen Einkünfte
gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.
|
|
|
45
|
aa) Der Wortlaut dieses - vom FG nicht
geprüften - Tatbestands ist nicht erfüllt.
|
|
|
46
|
§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG setzt
Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit
voraus. Tätigkeit im Sinne der Vorschrift ist jedes zur
Erzielung von Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Satz
1 EStG dienende Verhalten (BFH-Urteil vom 23.10.2013 - X R 3/12,
BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58 = SIS 13 32 16, Rz 70, m.w.N.).
Zwischen der Tätigkeit und der Vergütung muss ein
Gegenseitigkeitsverhältnis bestehen
(„für“). Die geschuldete
Tätigkeit muss Rechtsgrund für die Vergütung
(Gegenleistung) sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine
Vergütung für die Nichtausübung einer Tätigkeit
gewährt wird (zutreffend HHR/Horn, § 34 EStG Rz 62).
|
|
|
47
|
Im Streitfall bezog und bezieht die
Klägerin den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens nur
deshalb, weil sie infolge des Schadensereignisses nicht mehr im
Stande ist, eine Tätigkeit auszuüben. Rechtsgrund
für die Vergütung ist somit keine Tätigkeit der
Klägerin, sondern eine zivilrechtliche Schadenshaftung.
|
|
|
48
|
bb) Für eine über den Wortlaut der
Norm hinausgehende teleologische Erweiterung des Tatbestands
besteht kein Bedürfnis. Soweit die Klägerin auf die
Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Fällen von
Arbeitslohnnachzahlungen für mehrjährige Tätigkeiten
(vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2021 - VI R 23/19, BFHE 275, 144, BStBl
II 2022, 442 = SIS 22 04 31) Bezug nimmt, fehlt es an einer
Vergleichbarkeit zum hier vorliegenden Fall (a.A. aber Bergan, DStR
kurzgefaßt 2023, 159). Während der
progressionserhöhende geballte Zufluss von Arbeitslohn
für eine mehrjährige Tätigkeit keinem anderen
Tarifermäßigungstatbestand als § 34 Abs. 2 Nr. 4
EStG zugeordnet werden kann, unterfällt die vorliegend im
Streit stehende Entschädigung grundsätzlich der Nr. 2 der
Vorschrift. Die oben genannten, besonderen Anforderungen an die
Außerordentlichkeit von Entschädigungen im Sinne von
§ 24 Nr. 1 EStG wären entwertet, würde man die im
Kern auf Arbeitnehmer zugeschnittene Großzügigkeit der
Auslegung von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. BFH-Entscheidungen
vom 07.05.2015 - VI R 44/13, BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890 =
SIS 15 18 43, Rz 15 sowie vom 19.08.2019 - X B 155/18 =
SIS 19 18 04, Rz 12) auf
Entschädigungskonstellationen übertragen.
|
|
|
49
|
3. Der von den Klägern benannte
Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG hat nicht gegen seine
Pflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, den
Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die erforderlichen
Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Die
Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO
begrenzt die Amtsermittlungspflicht. Das FG muss keine
fernliegenden Erwägungen anstellen (BFH-Beschluss vom
20.09.2022 - VI B 1/22 = SIS 22 17 19, Rz 4).
|
|
|
50
|
Eine Anhörung der Klägerin und eine
Einvernahme eines Vertreters der V zum Zweck der
Entschädigungsvereinbarung waren nach diesen
Maßstäben nicht angezeigt. Anhaltspunkte für einen
von der festgestellten Vereinbarung abweichenden Inhalt sind nicht
im Ansatz erkennbar. Beweisanträge wurden nicht gestellt. Die
Kläger haben weder dargelegt noch sind anhand der
Feststellungen des FG irgendwelche Anhaltspunkte dafür
erkennbar, dass mit den Zahlungen der V ein anderer als die
Kompensation des Erwerbsschadens der Klägerin bestehender
Zweck verfolgt wurde. Die von der Klägerin erwartete
Sachaufklärung, ob die Beteiligten der
Entschädigungsvereinbarung die Erstattung der Steuerlast
rechtlich als eigenständig anzusehende Schadensposition
werteten, war mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich.
|
|
|
51
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|
|
|
52
|
Für die zum Kostenfestsetzungsverfahren
gehörende Entscheidung über den von den Klägern im
Revisionsverfahren gestellten Antrag, die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das außergerichtliche
Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3
Satz 3 FGO), ist das FG zuständig (BFH-Urteil vom 31.01.2024 -
X R 7/22 = SIS 24 11 70, Rz
40).
|