Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25.08.2022 - 3 K 999/20 =
SIS 23 02 48 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin)
hinsichtlich der versäumten Revisionsbegründungsfrist
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist und ob
Aufwendungen nach § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) im Jahr 2017 (Streitjahr) nur anteilig als Betriebsausgaben
abzugsfähig sind.
|
|
|
2
|
Die Klägerin ist eine im Jahr 2004
gegründete GmbH & Co. KG. Ihre Kommanditisten waren im
Streitjahr die Geschwister A zu 43,75 % sowie B, C und D zu jeweils
18,75 %. Komplementärin der Klägerin war die nicht am
Vermögen beteiligte L GmbH. Geschäftsführer der L
GmbH war A.
|
|
|
3
|
Gegenstand des Unternehmens der
Klägerin ist die Beteiligung an anderen Gesellschaften. Sie
hält 100 % der Anteile an der V GmbH, die ihrerseits
Beteiligungen an anderen Gesellschaften hält. Die
Klägerin erzielte im Streitjahr ausschließlich
Dividendenerträge aus ihrer Beteiligung an der V GmbH.
|
|
|
4
|
Bei der Ermittlung ihres Gesamthandsgewinns
für das Streitjahr berücksichtigte die Klägerin die
Gewinnausschüttung der V GmbH in voller Höhe als
Betriebseinnahme. Ihre Kosten für Abschluss- und
Prüfungsarbeiten, Rechtsberatung und Geldverkehr sowie
Beiträge zur Industrie- und Handelskammer (IHK)
berücksichtigte sie hingegen, der Auffassung einer bei ihr
für die Jahre 2013 bis 2016 durchgeführten
Außenprüfung folgend, nach § 3c Abs. 2 EStG nur
anteilig zu 60 % als Betriebsausgaben. Neben ihrem so ermittelten
Gesamthandsgewinn gab sie in ihrer Erklärung zur gesonderten
und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für
das Streitjahr an, dass sie in Höhe der bei der
Gewinnermittlung als Betriebseinnahme angesetzten
Gewinnausschüttung der V GmbH Einkünfte erzielt habe, die
dem Teileinkünfteverfahren unterlägen.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) folgte der Erklärung der Klägerin. Er
stellte in seinem Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
(Gewinnfeststellungsbescheid) für 2017 den erklärten
Gesamthandsgewinn sowie die Gewinnausschüttung der V GmbH als
darin enthaltene Einkünfte, die dem
Teileinkünfteverfahren unterliegen, fest.
|
|
|
6
|
Mit ihrem Einspruch sowohl gegen den
Gewinnfeststellungsbescheid für 2017 als auch gegen die vom FA
aufgrund der durchgeführten Außenprüfung
geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für 2013 bis 2016
begehrte die Klägerin den ungekürzten Abzug ihrer
Betriebsausgaben. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) Köln entschied mit Urteil vom 25.08.2022 -
3 K 999/20, die Betriebsausgaben der Klägerin seien nur
anteilig nach § 3c Abs. 2 EStG abzugsfähig, da diese in
den Jahren 2013 bis 2017 ausschließlich in einem
wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Dividendenerträgen der
Klägerin aus ihrer Beteiligung an der V GmbH
stünden.
|
|
|
7
|
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin. Ihr Schriftsatz zur Begründung der Revision vom
29.11.2022 ging allerdings erst nach Ablauf der
Begründungsfrist am 01.12.2022 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Nachdem sie mit Schreiben vom 06.12.2022 auf den verspäteten
Eingang der Revisionsbegründung hingewiesen worden war,
beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2022 die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da ihre
Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert gewesen
sei, die bis zum 30.11.2022 verlängerte
Revisionsbegründungsfrist einzuhalten.
|
|
|
8
|
Die Prozessbevollmächtigte habe
davon ausgehen dürfen, dass ihre postalisch versendete
Revisionsbegründung bis zum 30.11.2022 beim BFH eingehen
werde. Die Sekretariatsmitarbeiterin S habe den Brief mit der
Revisionsbegründung persönlich am 29.11.2022 gegen 17 Uhr
in einen Briefkasten eingeworfen, der nach den Angaben der Deutsche
Post AG werktäglich um 17:30 Uhr und um 18 Uhr geleert werde.
Dieser Geschehensablauf sei von S in ihrer eingereichten
eidesstattlichen Versicherung bestätigt worden. Die
Prozessbevollmächtigte habe nicht davon ausgehen müssen,
dass der Postlauf für einen im Inland versendeten Brief bei
rechtzeitigem Einwurf vor der Leerung des Briefkastens länger
als ein Werktag sei. Die tatsächlich eingetretene
Verzögerung sei der Prozessbevollmächtigten nicht
zuzurechnen.
|
|
|
9
|
Zu der Frage, ob ihre Betriebsausgaben dem
anteiligen Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG unterliegen,
trägt die Klägerin vor, dass es maßgeblich darauf
ankomme, wie das Tatbestandsmerkmal des „wirtschaftlichen
Zusammenhangs“ im Sinne des § 3c Abs. 2
EStG auszulegen sei. Aus der Gesetzesbegründung ergäben
sich hierfür keine Hinweise. Anders als in § 3c Abs. 1
EStG werde in § 3c Abs. 2 EStG kein unmittelbarer Zusammenhang
gefordert. Gleichwohl setze eine Beschränkung des
Betriebsausgabenabzugs voraus, dass zwischen den nach § 3 Nr.
40 EStG teilweise steuerfreien Einnahmen und den im Streit
stehenden Betriebsausgaben eine Verbindung im Sinne eines
Veranlassungszusammenhangs bestehe. Hieran fehle es. Die im Streit
stehenden Betriebsausgaben hingen gerade nicht mit den erzielten
und nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerfreien
Beteiligungserträgen zusammen. Die entsprechenden Aufwendungen
seien unabhängig hiervon angefallen. Auslösendes Moment
sei jeweils eine bestehende Rechtsverpflichtung gewesen, die an das
Rechtskleid der Klägerin anknüpfe, nicht aber an die
erzielten Beteiligungserträge. Dies gelte sowohl für die
Prüfungs- und Abschlusskosten als auch für die
IHK-Beiträge. Die Kontoführungsgebühren seien durch
die Kontoeröffnung und nicht durch Beteiligungserträge
veranlasst.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
ihr wegen der versäumten Frist zur
Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren, und
|
|
das angefochtene Urteil des FG Köln
vom 25.8.2022 - 3 K 999/20 für das Jahr 2017 aufzuheben sowie
den Gewinnfeststellungsbescheid für 2017 vom 01.02.2019,
insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.04.2020,
dahingehend zu ändern, dass die Betriebsausgaben bei der
Feststellung des laufenden Gesamthandsgewinns zu 100 %
gewinnmindernd berücksichtigt werden.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt
sinngemäß,
|
|
die Revision als unzulässig zu
verwerfen,
|
|
hilfsweise als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Die Voraussetzungen für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Die
Prozessbevollmächtigte der Klägerin treffe hinsichtlich
der versäumten Revisionsbegründungsfrist ein Verschulden,
welches der Klägerin zuzurechnen sei. Die
Prozessbevollmächtigte hätte sich nicht darauf verlassen
dürfen, dass die Übersendung des Briefs mit der
Revisionsbegründung per Post nur einen Werktag
benötige.
|
|
|
13
|
Der Senat hat mit Beschluss vom 11.11.2024
das Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2013 bis 2016 abgetrennt. Es wird
unter dem Aktenzeichen IV R 17/24 fortgeführt.
|
|
|
14
|
II. Die Revision ist zwar zulässig (dazu
unter 1.), jedoch unbegründet (dazu unter 2.) und daher
gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
|
|
|
15
|
1. Die Revision ist zulässig.
|
|
|
16
|
Der Klägerin ist die beantragte
Wiedereinsetzung in die versäumte
Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.
|
|
|
17
|
a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand
ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist
einzuhalten. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
FGO ist der Antrag bei Versäumung der Frist zur
Begründung der Revision binnen eines Monats nach Wegfall des
Hindernisses zu stellen. Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die
Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung
oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Nach
§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO ist innerhalb der Antragsfrist die
versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
|
|
|
18
|
b) Die Voraussetzungen für die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor, insbesondere hat
die Klägerin die verlängerte
Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 2 Satz 1 und 3 FGO)
unverschuldet versäumt.
|
|
|
19
|
aa) Ein Rechtsmittelführer darf darauf
vertrauen, dass die von der Deutsche Post AG nach ihren
organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den
Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden. In der
Verantwortung des Rechtsmittelführers liegt es nur, das zur
Beförderung bestimmte Schriftstück den postalischen
Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben,
dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen
der Deutsche Post AG bei regelmäßigem Dienstablauf den
Empfänger fristgerecht erreicht. Der Rechtsmittelführer
kann Rechtsmittelfristen grundsätzlich bis zum letzten Tag in
Anspruch nehmen. Lediglich gegen Ende der Frist obliegt es ihm,
eine Beförderungsart zu wählen, die die Einhaltung der
Frist gewährleistet. Im Rahmen der üblichen
Postlaufzeiten ist der Rechtsmittelführer aber nicht
verpflichtet, alternative Beförderungsmittel zu nutzen
(BFH-Zwischenurteil vom
27.07.2022 - II R 30/21 = SIS 24 18 76, Rz 6; BFH-Urteil vom 19.02.2020 - I R 38/17 =
SIS 20 15 43, Rz 18,
m.w.N.).
|
|
|
20
|
bb) Nach diesen Grundsätzen durfte die
Prozessbevollmächtigte, deren Verschulden sich die
Klägerin grundsätzlich nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m.
§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurechnen lassen
muss, darauf vertrauen, dass ihr per Post versendetes Schreiben vom
29.11.2022 mit der Revisionsbegründung dem BFH innerhalb eines
Werktags bis zum Fristende am 30.11.2022 zugehen wird.
|
|
|
21
|
(1) Eine Postlaufzeit von einem Werktag ab
Einlieferung ist noch als „Normalfall“
beziehungsweise „regelmäßiger
Dienstablauf“ anzusehen, auf den der
Rechtsmittelführer als Absender vertrauen kann, wenn nicht im
Zeitpunkt der Absendung
konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Laufzeit
überschritten werde (wie hier z.B. BFH-Urteile vom
21.04.2021 - XI R 42/20, BFHE 273, 149, BStBl II 2022, 20 = SIS 21 13 42, Rz 15; vom 28.10.2008 - VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl
II 2009, 190 = SIS 08 41 00, unter B.I.2. [Rz 31]; BFH-Beschluss
vom 08.05.2006 - VII B 219/05, BFH/NV 2006, 1504 [Rz 5] = SIS 06 30 87; s.a. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom
07.10.2019 - 1 CS 19.1499, Rz 6; Beschluss des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 13.05.2004 - V ZB 62/03 = SIS 04 28 92, unter III.2.c aa; jedenfalls noch am zweiten
Werktag ab Einlieferung z.B. BFH-Zwischenurteil vom 27.07.2022 - II
R 30/21 = SIS 24 18 76, Rz 8;
BFH-Urteil vom 19.02.2020 - I R 38/17 = SIS 20 15 43, Rz 19).
|
|
|
22
|
(a) Dies folgt für den Senat insbesondere
aus § 2 Nr. 3 Satz 1 der bis zum 18.07.2024 gültigen
Post-Universaldienstleistungsverordnung - PUDLV - (aufgehoben mit
Inkrafttreten des Postrechtsmodernisierungsgesetzes vom 15.07.2024,
BGBl 2024 I Nr. 236). Danach müssen von den an einem Werktag
eingelieferten inländischen (normalen) Briefsendungen im
Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den
Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den
Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Der Senat
hält die Zielvorgabe von mindestens 80 % - im Sinne einer
rechtsschutzgewährenden Auslegung (Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes) - (noch) für ausreichend, um eine Auslieferung
an dem ersten auf den
Einlieferungstag folgenden Werktag als Normalfall anzusehen,
auf den ein Rechtsmittelführer - vorbehaltlich der
rechtzeitigen Einlieferung - vertrauen darf.
|
|
|
23
|
(b) Für die Behandlung der Auslieferung
an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag als
für einen Rechtsmittelführer vertrauensbegründenden
Normalfall spricht zudem, dass die Deutsche Post AG die Zielvorgabe
von mindestens 80 % sowohl im Jahr 2021 als auch im Jahr 2022
erfüllt hat (vgl. Bundesnetzagentur, Jahresbericht 2021,
abrufbar unter
https://data.bundesnetzagentur.de/Bundesnetzagentur/SharedDocs/Mediathek/Jahresberichte/jb2021.pdf,
S. 125 f.; Bundesnetzagentur, Tätigkeitsbericht Post
2022/2023, abrufbar unter
https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Taetigkeitsberichte/2023/Post2022.pdf,
S. 68).
|
|
|
24
|
(c) Ein Absender darf zwar auf die in der
Post-Universaldienstleistungsverordnung vorgegebenen Postlaufzeiten
nicht mehr vertrauen, wenn er konkrete Anhaltspunkte dafür
besitzt, dass sie nicht eingehalten werden (vgl. BGH-Beschluss vom
17.12.2019 - VI ZB 19/19, Rz 10). Das kann der Fall sein, wenn
festzustellen ist, dass die Deutsche Post AG den allgemeinen
Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung strukturell
nicht mehr genügt, oder wenn im konkreten Einzelfall
Besonderheiten dem üblichen Lauf entgegenstehen (Streik,
höhere Gewalt; vgl. BFH-Zwischenurteil vom 27.07.2022 - II R
30/21 = SIS 24 18 76, Rz 13).
|
|
|
25
|
Im Streitfall bestanden jedoch zum Zeitpunkt
des Einwurfs der Revisionsbegründung in den Briefkasten keine
konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die
„normale“ Laufzeit von einem Werktag ab
Einlieferung überschritten werde. Dies gilt auch in Bezug auf
die Entfernung zum Zielort der Sendung, da die Zielvorgaben in
§ 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV für alle inländischen
Briefsendungen gelten und dabei nicht nach der Entfernung zwischen
Absende- und Empfangsort unterschieden wird.
|
|
|
26
|
(2) Die Prozessbevollmächtigte der
Klägerin hat das Schreiben vom 29.11.2022 mit der
Revisionsbegründung auch so rechtzeitig in den Briefkasten
eingeworfen, dass sie auf eine Auslieferung an den BFH an dem
ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag vertrauen
durfte.
|
|
|
27
|
(a) Eine Einlieferung im Sinne des § 2
Nr. 3 Satz 1 PUDLV ist gegeben, wenn der Brief in einen Briefkasten
eingeworfen wird, der an demselben Werktag noch
planmäßig und auch tatsächlich geleert wird (zur
Maßgeblichkeit der Leerung vgl. auch BGH-Beschluss vom
19.07.2007 - I ZB 100/06 = SIS 08 10 57, unter II.2.b [Rz 9]). Aus § 2 Nr. 2 Satz 4 PUDLV
ergibt sich, dass die Einlieferung nicht erst mit Erreichen eines
Verteilzentrums, sondern mit Einwurf in einen Briefkasten bewirkt
werden kann (BFH-Zwischenurteil vom 27.07.2022 - II R 30/21 =
SIS 24 18 76, Rz 10 f.).
|
|
|
28
|
(b) Die Prozessbevollmächtigte der
Klägerin hat den Brief mit der darin enthaltenen
Revisionsbegründung rechtzeitig im Sinne des § 2 Nr. 3
Satz 1 PUDLV eingeliefert. Ihre Sekretariatsmitarbeiterin S hat
diesen am 29.11.2022 vor 17:30 Uhr und damit vor der
planmäßigen werktäglichen Leerung in den
Briefkasten an der Hauptpost in E-Stadt eingeworfen. Dies hat die
Klägerin mit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der
S auch glaubhaft gemacht (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 294
Abs. 1 ZPO).
|
|
|
29
|
2. Die danach zulässige Revision ist
jedoch unbegründet, denn das FG ist zutreffend davon
ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Betriebsausgaben
der Klägerin dem teilweisen Abzugsverbot des § 3c Abs. 2
EStG unterliegen und der begehrte (weitere) Betriebsausgabenabzug
daher abzulehnen ist.
|
|
|
30
|
a) Gegenstand des Verfahrens ist der vom FA im
Gewinnfeststellungsbescheid für 2017 vom 01.02.2019
festgestellte Gesamthandsgewinn, dessen Minderung um den bisher
nach § 3c Abs. 2 EStG vom Abzug ausgeschlossenen Anteil der
Betriebsausgaben die Klägerin begehrt (vgl. zum
Gesamthandsgewinn als selbständig anfechtbare Feststellung in
einem Gewinnfeststellungsbescheid z.B. BFH-Urteil vom 28.07.2022 -
IV R 23/19 = SIS 22 17 94, Rz 15,
m.w.N.).
|
|
|
31
|
b) Die Klägerin ist eine
rechtsfähige Personenvereinigung und daher nach § 48 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. a FGO in der zum 01.01.2024 in Kraft getretenen
Fassung des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023
(BGBl 2023 I Nr. 411) klagebefugt (zur Anwendung der Neufassung
für im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängige
Klageverfahren s. BFH-Urteil vom 08.08.2024 - IV R 1/20 =
SIS 24 16 62, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, Rz 25).
|
|
|
32
|
c) Die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs
der Klägerin ist dem Grunde und der Höhe nach
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Aufwendungen
für die Abschluss- und Prüfungsarbeiten, die
Rechtsberatung, die IHK-Mitgliedschaft und für den
Zahlungsverkehr handelt es sich zwar um Betriebsausgaben im Sinne
des § 4 Abs. 4 EStG (dazu unter aa), die jedoch dem anteiligen
Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG unterliegen (dazu unter
bb).
|
|
|
33
|
aa) Der Senat geht - in Übereinstimmung
mit den Beteiligten und dem FG - davon aus, dass die hier
streitgegenständlichen Aufwendungen dem Grunde nach
gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähige
Betriebsausgaben bei den gewerblichen Einkünften der
Klägerin sind.
|
|
|
34
|
(1) Bei der Ermittlung der Einkünfte sind
Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder
Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, wenn sie durch
die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche
Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der
Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr
subjektiv zu dienen bestimmt sind, das heißt, wenn sie in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des
Einkommensteuergesetzes stehen. Ob und inwieweit Aufwendungen in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen,
hängt von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige
die Aufwendungen vornimmt. Die Gründe bilden das
„auslösende Moment“, das den
Steuerpflichtigen bewogen hat, die Kosten zu tragen (vgl. Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 - GrS 1/06, BFHE
227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.1. und 2.
[Rz 93 ff.], m.w.N.).
|
|
|
35
|
(2) Die Aufwendungen der Klägerin sind
durch die Erzielung von Beteiligungserträgen als gewerbliche
Einkünfte veranlasst.
|
|
|
36
|
(a) Die Klägerin erzielte im Streitjahr
ausschließlich Einnahmen aus ihrer Beteiligung an der V GmbH.
Die Einnahmen gehören bei ihr als gewerblich geprägte
Personengesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
(§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).
|
|
|
37
|
(b) Die Aufwendungen der Klägerin stehen
in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihren gewerblichen
Einkünften nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
|
|
|
38
|
Die Aufwendungen für ihre Abschlüsse
und die Prüfungsarbeiten, die Rechtsberatung, die
IHK-Mitgliedschaft und den Zahlungsverkehr wurden von der
Klägerin aufgrund ihrer nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG
gewerblichen Tätigkeit, dem Halten der Beteiligung an der V
GmbH und der Erzielung von Beteiligungserträgen, getragen.
Denn das Halten der Beteiligung an der V GmbH erfolgte im
Streitjahr in Ausübung des einzigen Unternehmensgegenstands
der Klägerin.
|
|
|
39
|
Zwar erfüllte die Klägerin mit den
Aufwendungen, insbesondere mit den Kosten für die Abschluss-
und Prüfungsarbeiten hinsichtlich der Konzernbilanz sowie mit
der Zahlung der IHK-Beiträge, auch jeweils eine ihr obliegende
rechtliche Verpflichtung. Das auslösende Moment für diese
Verpflichtungen liegt jedoch wiederum jeweils in der grundlegenden
unternehmerischen Entscheidung der Klägerin begründet, in
der Rechtsform einer gewerblich geprägten Personengesellschaft
im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Beteiligungen an anderen
Gesellschaften zur Erzielung von Beteiligungserträgen - im
Streitjahr ausschließlich von der V GmbH - zu halten. Die
Erfüllung einer rechtlichen Obliegenheit steht dem Bestehen
eines wirtschaftlichen Zusammenhangs und dem Abzug der damit
verbundenen Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht entgegen.
|
|
|
40
|
bb) Das FG hat weiter zutreffend erkannt, dass
die dem Grunde nach gemäß § 4 Abs. 4 EStG
abzugsfähigen Aufwendungen der Klägerin anteilig in
Höhe von 40 % nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG vom
Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind.
|
|
|
41
|
(1) Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG
dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben,
Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem
§ 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen oder mit
Vergütungen nach § 3 Nr. 40a EStG in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder
Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60
% abgezogen werden.
|
|
|
42
|
Welcher Qualität der Zusammenhang der
Ausgaben mit den nach § 3 Nr. 40 EStG zum Teil steuerbefreiten
Einnahmen sein muss, hat der BFH dahin konkretisiert, dass ein
rechtlicher Zusammenhang nicht erforderlich ist und ein mittelbarer
wirtschaftlicher Zusammenhang ausreicht. Die Grenzen des
mittelbaren Zusammenhangs sind unter Berücksichtigung des
Normzwecks des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu bestimmen, der in
der Vermeidung einer inkongruenten Begünstigung zu sehen ist.
Die Norm bezweckt, dass bei steuerbefreiten Einnahmen kein
doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug
von mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen
erzielt wird. Dementsprechend greift das Teilabzugsverbot des
§ 3c Abs. 2 EStG nicht ein, soweit Aufwendungen vorrangig
durch voll steuerpflichtige Einnahmen veranlasst und daher bei der
Ermittlung entsprechend voll steuerpflichtiger Einkünfte als
Werbungskosten beziehungsweise Betriebsausgaben zu
berücksichtigen sind. Denn in diesem Fall kommt es nicht zu
einer Doppelbegünstigung durch (teilweise) steuerfreie
Einnahmen und gleichwohl (voll) abzugsfähige Aufwendungen
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16.11.2023 - IV
R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II 2024, 367 = SIS 24 03 56, Rz 41;
vom 25.07.2019 - IV R 61/16, BFHE 265, 285 = SIS 19 14 00, Rz 33
ff.; vom 17.07.2013 - X R 17/11, BFHE 242, 126, BStBl II 2013, 817
= SIS 13 23 37, Rz 17 ff.; vom 28.02.2013 - IV R 49/11, BFHE 240,
333, BStBl II 2013, 802 = SIS 13 11 90, Rz 14 ff.; jeweils
m.w.N.).
|
|
|
43
|
Besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit
mehreren, zum Teil voll steuerpflichtigen und zum Teil nach §
3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten Einnahmen, und wurde der
angefallene Aufwand nicht vorrangig durch eine der beiden
Einnahmearten ausgelöst, ist er anteilig und im Rahmen einer
wertenden Betrachtung entsprechend dem rechtlichen und
wirtschaftlichen Gehalt des Gesamtvorgangs aufzuteilen (BFH-Urteil
vom 16.11.2023 - IV R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II 2024, 367 =
SIS 24 03 56, Rz 41, m.w.N.).
|
|
|
44
|
Ob und inwieweit Aufwendungen in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen,
hängt von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige
die Aufwendungen vornimmt. Die Gründe bilden das
„auslösende Moment“, das den
Steuerpflichtigen bewogen hat, die Kosten zu tragen. Dies gilt
nicht nur für die Abgrenzung der erwerbsbedingten Aufwendungen
zu solchen der Lebensführung, sondern auch für die
Abgrenzung von Aufwendungen, die durch voll steuerpflichtige
Einnahmen veranlasst sind, zu solchen, die durch teilweise
steuerfreie Einnahmen veranlasst sind (BFH-Urteil vom 28.02.2013 -
IV R 49/11, BFHE 240, 333, BStBl II 2013, 802 = SIS 13 11 90, Rz
17, mit Hinweis auf Beschluss des Großen Senats des BFH vom
21.09.2009 - GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.1. und 2. [Rz 93 ff.]). Zu prüfen ist danach,
ob Aufwendungen von einem Steuerpflichtigen aus Gründen der
teilweise steuerfreien Einnahmeerzielung, der Erzielung von voll
steuerpflichtigen Einnahmen oder aus anderen, außerhalb der
Einkünfteerzielung liegenden Gründen getragen worden
sind. Nicht entscheidend ist hingegen, ob die Aufwendungen zur
Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung (zum Beispiel
Abschluss- und Prüfungskosten oder IHK-Beiträge) oder
einer privatrechtlichen (vertraglichen) Verpflichtung (zum Beispiel
Rechts- und Beratungskosten oder Kosten des Geldverkehrs) getragen
werden.
|
|
|
45
|
(2) Danach stehen die
streitgegenständlichen Betriebsausgaben in einem
wirtschaftlichen Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG zu 40
% steuerbefreiten Einnahmen der Klägerin aus ihrer Beteiligung
an der V GmbH.
|
|
|
46
|
(a) Die Dividendenerträge der
Klägerin aus ihrer Beteiligung an der V GmbH unterliegen dem
sogenannten Teileinkünfteverfahren und sind nach § 3 Nr.
40 Satz 1 Buchst. d EStG im Umfang von 40 % steuerfrei gestellt.
Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig, sodass von
weiteren Ausführungen abgesehen wird.
|
|
|
47
|
(b) Der wirtschaftliche Zusammenhang ergibt
sich - wie das FG zutreffend erkannt hat - bereits daraus, dass die
Klägerin im Streitjahr ausschließlich Einnahmen erzielt
hat, die dem Teileinkünfteverfahren unterliegen. Die zum Abzug
zugelassenen Betriebsausgaben stehen danach ausschließlich
mit anteilig steuerfreien Einnahmen in einem wirtschaftlichen
Zusammenhang. Es ist weder vom FG festgestellt noch von der
Klägerin vorgetragen worden, dass die Aufwendungen zur
Erzielung voll steuerpflichtiger Einnahmen getragen wurden. Die
Einnahmen aus Gewerbebetrieb entsprechen im Streitfall
ausschließlich den erzielten (anteilig steuerfreien)
Beteiligungserträgen.
|
|
|
48
|
Soweit die Klägerin meint, insbesondere
ihre Aufwendungen für die Erstellung der Konzernbilanz oder
für die IHK-Mitgliedschaft stünden nicht in einem
wirtschaftlichen Zusammenhang mit ihren teilweise steuerfreien
Einnahmen aus der Beteiligung an der V GmbH, da ihnen eine
gesetzliche Verpflichtung zugrunde liege, übersieht sie, dass
auch diese Verpflichtungen und die damit verbundenen Aufwendungen
Folge ihrer Absicht sind, in der Rechtsform einer gewerblich
geprägten Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG Anteile an anderen Gesellschaften zur Erzielung von
Beteiligungserträgen zu halten. Anderenfalls fehlte es -
ähnlich wie im Fall von Aufwendungen, die nicht aus
Gründen der Einkünfteerzielung, sondern
ausschließlich aus in der privaten Lebensführung
liegenden Gründen getragen werden - bereits an den
Voraussetzungen für den Abzug dieser Aufwendungen als
Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG. Dies wäre zum
Beispiel der Fall, wenn das auslösende Moment für die
Zahlung von IHK-Beiträgen ausschließlich in der Existenz
der Klägerin und nicht (vorrangig) in ihrer unternehmerischen
Entscheidung zur Erzielung gewerblicher Beteiligungseinkünfte
zu sehen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn wie sich aus
dem Eingangssatz des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ergibt, erzielt
(auch) eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nicht
aufgrund ihrer bloßen Existenz gewerbliche Einkünfte,
sondern nur dann, wenn sie eine mit Einkünfteerzielungsabsicht
unternommene Tätigkeit ausübt. Aus diesem Grund kann der
Einwand der Klägerin, ihre Verwaltungskosten wären auch
dann angefallen, wenn sie keine Beteiligungseinkünfte erzielt
hätte, ebenfalls nicht überzeugen. Denn dann wären
sie schon nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG
abzugsfähig.
|
|
|
49
|
Das FG hat hinsichtlich der Aufwendungen
für die Aufstellung und Offenlegung eines Konzernabschlusses
dementsprechend auch zutreffend unter Bezugnahme auf § 290
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 325 Abs. 1 i.V.m. § 264a
Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs darauf hingewiesen, dass diese
Aufwendungen Folge der von der Klägerin geschaffenen
Konzernstruktur und ihres beherrschenden Einflusses auf die V GmbH
sind und danach im Ergebnis dazu dienen, die
gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen zur Erzielung von
Beteiligungserträgen zu schaffen beziehungsweise
aufrechtzuerhalten. Entsprechendes gilt für die geltend
gemachten sonstigen Aufwendungen.
|
|
|
50
|
3. Der Senat entscheidet im Rahmen einer
Beratung nach Maßgabe des § 155 Satz 1 FGO i.V.m. §
193 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der durch das
Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik
in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom
15.07.2024 (BGBl 2024 I Nr. 237) geltenden Fassung mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2 FGO).
|
|
|
51
|
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|