Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 14.12.2022 - 9
K 17/21 = SIS 23 03 96 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist körperlich
beeinträchtigt. Zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften
Bewegungseinschränkungen sowie zur funktionellen Verbesserung
und Schmerzreduktion wurde ihr im Streitjahr (2018) deshalb ein
Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich
verordnet. Die Krankenkasse der Klägerin übernahm die
Kosten hierfür.
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Zunächst führte die Klägerin
das ärztlich verordnete Funktionstraining bei einem Kneipp
Verein durch, konnte dieses dort aufgrund ihrer privaten und
beruflichen Situation aber nur samstags wahrnehmen. Deshalb
entschied sich die Klägerin, das Funktionstraining in einem
näher belegenen Fitnessstudio mit zeitgünstigeren
Trainingsangeboten durchzuführen. Dort nahm sie an
entsprechenden Kursen teil, die von qualifizierten
Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz
für den Rehabilitationssport geleitet wurden.
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Voraussetzung für die Teilnahme an
diesen Kursen war allerdings, dass die Klägerin sowohl dem
Verein … e.V. als auch dem Fitnessstudio als Mitglied
beitrat. Zudem musste die Klägerin dort das Grundmodul
„…“ buchen, das zum Beispiel die
Nutzung des Schwimmbads für Aqua-Fitnesskurse und des
Saunabereichs eröffnete.
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Die Kosten der Mitgliedschaft in dem
Fitnessstudio und des Grundmoduls
„…“ (… EUR/Woche) sowie
die Mitgliedsbeiträge für den Verein … e.V.
(… EUR/Woche) übernahm die Krankenkasse der
Klägerin - anders als die Kosten für das
Funktionstraining, die direkt mit dem Fitnessstudio abgerechnet
wurden - nicht.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte die Klägerin unter anderem die
Kosten der Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio und des Grundmoduls
„…“ sowie die
Mitgliedsbeiträge für den Verein … e.V. als
außergewöhnliche Belastungen geltend. Neben den
wöchentlichen Beiträgen von … EUR für 38
Wochen begehrte sie den Abzug von Fahrtkosten.
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Im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Der
nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht
(FG) aus den in EFG 2023, 334 = SIS 23 03 96 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die
Fahrtkosten betreffend die Teilnahme an dem Funktionstraining im
Fitnessstudio in Höhe von … EUR und die
Mitgliedsbeiträge für den Verein … e.V. in
Höhe von … EUR (38 Wochen x … EUR) seien -
anders als der Mitgliedsbeitrag für das Fitnessstudio sowie
das Entgelt für das Grundmodul
„…“ - als
außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt,
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das Urteil des Niedersächsischen FG
vom 14.12.2022 - 9 K 17/21 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2018 vom 07.02.2022 dahingehend zu
ändern, dass neben den bereits vom FG anerkannten Fahrtkosten
in Höhe von … EUR und Mitgliedsbeiträgen für
den … e.V. in Höhe von … EUR weitere
Aufwendungen in Höhe von … EUR (insgesamt … EUR)
als außergewöhnliche Belastungen anerkannt
werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die
Mitgliedsbeiträge der Klägerin für das Fitnessstudio
und das Grundmodul „…“ nicht als
außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Abs.
1 EStG zu berücksichtigen sind.
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1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die
Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen
als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands
(außergewöhnliche Belastung) erwachsen.
Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen
dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder
sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die
Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen
angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1
EStG).
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a) Ziel des § 33 EStG ist es,
zwangsläufige Mehraufwendungen für den
existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich
wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen
Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus
dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen
ausgeschlossen sind daher die üblichen Aufwendungen der
Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den
Grundfreibetrag abgegolten sind, sowie private Aufwendungen, die
über die Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein
menschenwürdiges Dasein hinausgehen. Deshalb stellen die
§§ 33, 33a und 33b EStG auch nur
außergewöhnliche - insbesondere existentiell notwendige
oder der Sicherung der Existenz dienende - atypische Aufwendungen
steuerfrei (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom
26.10.2022 - VI R 25/20, BFHE 278, 459, BStBl II 2023, 372 = SIS 23 03 04, Rz 14, m.w.N.).
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b) Aufwendungen erwachsen einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht
entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung
ist nur erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der
Zwangsläufigkeit von außen auf die Entschließung
des Steuerpflichtigen in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht
ausweichen kann, der Steuerpflichtige also keine tatsächliche
Entschließungsfreiheit hat, bestimmte Aufwendungen
vorzunehmen oder zu unterlassen. Eine tatsächliche Zwangslage
kann nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art
begründet werden, nicht jedoch durch eine maßgeblich vom
menschlichen Willen beeinflusste Situation (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 26.10.2022 - VI R 25/20, BFHE
278, 459, BStBl II 2023, 372 = SIS 23 03 04, Rz 15, m.w.N.).
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c) Aufgrund dessen geht der Bundesfinanzhof
(BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem
Steuerpflichtigen Krankheitskosten und damit Kosten, die einem
objektiv (anomalen) regelwidrigen Körperzustand geschuldet
sind, ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der
Erkrankung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig
erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als
Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung
einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die
Krankheit erträglich zu machen (z.B. Senatsurteil vom
29.02.2024 - VI R 2/22, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt, BStBl II 2024, 514 = SIS 24 07 64, Rz 12, m.w.N.).
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2. Nach Maßgabe dieser
Rechtsgrundsätze hat das FG im Streitfall im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass die streitigen Aufwendungen für die
Mitgliedschaft im Fitnessstudio und das Grundmodul
„…“ nicht als
außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen
sind. Denn die dahingehenden Aufwendungen sind der Klägerin
nicht zwangsläufig entstanden.
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a) Es handelt sich hierbei insbesondere nicht
um tatsächlich zwangsläufig entstandene Krankheitskosten,
sondern um Kosten für vorbeugende oder der Gesundheit ganz
allgemein dienende Maßnahmen, die nicht gezielt der Heilung
oder Linderung von Krankheiten dienen. Denn das mit der
Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dem Grundmodul
„…“ einhergehende
Leistungsangebot wird - wie das FG zutreffend ausgeführt hat -
nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in
Anspruch genommen, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden
zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Es handelt
sich insoweit um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen
Gründen zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1
EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung
beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht
abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist (vgl.
z.B. Senatsurteil vom 19.11.2015 - VI R 45/14 = SIS 16 02 52, Rz 13 und BFH-Urteil vom
03.12.1998 - III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227 = SIS 99 06 03).
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b) Die streitigen Aufwendungen sind der
Klägerin auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil
sie nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen
des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) dem Fitnessstudio als Mitglied
beitreten und das Grundmodul „…“
buchen musste, um an dem medizinisch indizierten Funktionstraining
teilnehmen zu können. Denn die Entscheidung, für ein
ärztlich verordnetes Funktionstraining einem Fitnessstudio
beizutreten, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten
Konsumverhaltens. Daher können weder die
„Verknüpfung“ von Mitgliedschaft im
Fitnessstudio, Zusatzmodul und Funktionstraining noch die von der
Klägerin vorgebrachten Praktikabilitätserwägungen
(Fahrt- und Parkkostenersparnis, Kurse auch unter der Woche,
Nachholung ausgefallener Kurse), die die Klägerin bewogen
haben, den Kursanbieter zu wechseln, eine steuererhebliche
Zwangsläufigkeit begründen.
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c) Zudem steht dem Abzug der Kosten für
das Fitnessstudio und dem Grundmodul
„…“ als
außergewöhnliche Belastung der Umstand entgegen, dass
die Klägerin hierdurch die Möglichkeit erhält, das
dahingehende Leistungsangebot - jenseits des medizinisch
indizierten Funktionstrainings - des Studios, wie beispielsweise
die Nutzung der Sauna und des Schwimmbads für (andere nicht
verordnete) Aqua-Fitnesskurse, zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn
die Klägerin - wie vorgetragen - von diesen
Nutzungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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