Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 02.11.2022 - 4 K 1832/20 F =
SIS 22 21 85 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH mit einem Stammkapital von …
EUR. Sie war im Streitjahr 2009 als Holdinggesellschaft an mehr als
… Gesellschaften im In- und Ausland beteiligt.
Gesellschafter der Klägerin waren im Jahr 2009 etwa …
natürliche Personen, die überwiegend Abkömmlinge der
Firmengründer in der neunten Generation waren. Diese Personen
waren teilweise über Holdinggesellschaften mittelbar an der
Klägerin beteiligt.
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Gesellschafter der Klägerin war unter
anderem L mit einem Geschäftsanteil von … EUR. L
verstarb am …2020 und wurde von den Beigeladenen zu 1. bis
4. beerbt.
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§ 4 des Gesellschaftsvertrags der
Klägerin in der Fassung vom …2008 sah unter anderem
vor, dass Verfügungen über Gesellschaftsanteile an der
Klägerin nur nach vorheriger Zustimmung eines dafür
beauftragten Gesellschafters erfolgen konnten. Die Zustimmung
durfte nur erteilt werden, wenn die Anteile an bestimmte Personen,
insbesondere Abkömmlinge der Firmengründer, deren
Ehegatten, den Abkömmlingen gleichgestellte Personen sowie
bestimmten Gesellschaften und Stiftungen übertragen werden
sollten. Die Veräußerung an sonstige Erwerber setzte
außerdem voraus, dass sämtliche Anteilseignervertreter
im Aufsichtsrat nach vorheriger Beratung im Beirat die
Verfügung im besonderen Einzelfall befürworteten. Der
Kreis der danach zulässigen Erwerber von
Geschäftsanteilen umfasste im Jahr 2009 mehr als …
Personen.
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Ziff. II. Nr. 1. und 2. der von der
Gesellschafterversammlung im … 2000 beschlossenen Richtlinie
für die Wahrnehmung der Aufgaben des beauftragten
Gesellschafters bei Verfügungen über
Geschäftsanteile (Richtlinie) sah für eine Zustimmung zum
Verkauf vor, dass ein verkaufswilliger Gesellschafter, der keinen
Käufer benennt, die Anteile dem Verwaltungsbüro zur
Vermittlung des Verkaufs anbietet. Das Büro bot die Anteile
seinerseits in der Reihenfolge des Verwandtschaftsgrades
gemäß § 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
innerhalb des Familienstammes des verkaufswilligen Gesellschafters
denjenigen Verwandten an, die ihrerseits Abkömmlinge waren,
und zwar den Verwandten desselben Verwandtschaftsgrades jeweils
unter sich zu gleichen Teilen. Anteile, die nicht auf diese Weise
bei den Verwandten des nächsten Verwandtschaftsgrades
platziert werden konnten, wurden in entsprechender Weise den
Verwandten des nächst ferneren Verwandtschaftsgrades
angeboten.
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Nach Ziff. VI. der Richtlinie war für
Verkäufe von Geschäftsanteilen grundsätzlich der von
der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte gemeine
Wert im Sinne des § 11 des Bewertungsgesetzes (BewG)
maßgebend. Dieser wurde dergestalt ermittelt, dass für
Beteiligungen der Klägerin an börsennotierten
Kapitalgesellschaften der Durchschnittskurs der letzten drei Monate
zugrunde gelegt wurde. Der Wert für Beteiligungen der
Klägerin an nicht börsennotierten Gesellschaften wurde
auf der Grundlage der voraussichtlichen Umsätze oder
Erträge unter Anwendung eines Vervielfältigers ermittelt.
Dieser Vervielfältiger wurde aus dem Börsenwert von
Wettbewerbern in der jeweiligen Branche und den Umsätzen oder
Erträgen, die dem jeweiligen Börsenwert zugrunde lagen,
abgeleitet. Von der Summe der Werte sämtlicher Beteiligungen,
die zusammen mit der Nettofinanzposition der Klägerin den
„Net Asset Value“ bildete, wurde ein
Marktwertabschlag von 20 % vorgenommen. Hiermit sollten
Wertminderungen berücksichtigt werden, die sich unter anderem
aus Holdingkosten, nicht in der Nettofinanzverschuldung enthaltenen
finanziellen Verpflichtungen, einer geringeren Handelbarkeit der
Anteile an der Holdinggesellschaft sowie einer eingeschränkten
Flexibilität der Gesellschafter durch das vorgegebene
Beteiligungsportfolio ergaben. Gemäß der Stellungnahme
eines Wirtschaftsprüfers vom 09.04.2009 gegenüber der
Klägerin sei ein Abschlag („Holding
Discount“) von 20 % im aktuellen
Kapitalmarktumfeld angemessen, da der Holdingabschlag
vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei Jahren
durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe. Empirische
Untersuchungen bei vergleichbaren, börsennotierten
Holdinggesellschaften mit Einfluss ausübenden
Familiengesellschaftern hätten ergeben, dass der
Börsenwert dieser Gesellschaften regelmäßig unter
dem „Net Asset Value“ liege.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
30.11.2009 trat L Teilgeschäftsanteile von jeweils …
EUR unentgeltlich an seine drei Kinder, die Beigeladenen zu 1. bis
3., ab. Der beauftragte Gesellschafter stimmte noch am selben Tag
den Abtretungen der Teilgeschäftsanteile zu.
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Auf Aufforderung des Beklagten und
Revisionsklägers (Finanzamt - FA - ) gab die Klägerin am
14.04.2011 eine Feststellungserklärung ab, in der sie den
gemeinen Wert der von L abgetretenen Teilgeschäftsanteile mit
jeweils … EUR (408 %) angab. Diesen Wert hatte sie auf der
Grundlage von 63 Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem
Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 27.11.2009 ermittelt. Die
Verkäufe erfolgten ganz überwiegend zwischen Personen,
die entfernter als bis zum dritten Grad miteinander verwandt oder
verschwägert waren. Die den Kaufpreisen zugrunde liegenden
Anteilswerte hatte die Zentralabteilung Steuern der Klägerin
nach dem von ihr angewandten „Net Asset
Value“-Verfahren unter Berücksichtigung
eines Marktwertabschlags von 20 % ermittelt. In 27 Fällen
wurden die von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin
ermittelten und den Vertragsparteien mitgeteilten Kaufpreise unter-
oder überschritten. In sämtlichen Fällen wurden
Kaufpreise von 260 % bis 408 % des Nennwerts der
Geschäftsanteile vereinbart und gezahlt.
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Das FA stellte den Wert der von L
abgetretenen Geschäftsanteile mit Bescheid vom 06.12.2013 auf
den 30.11.2009 mit jeweils … EUR gesondert fest. Zur
Begründung führte es aus, dass der Ermittlung des Werts
der Anteile durch die Klägerin mit dem „Net Asset
Value“ grundsätzlich gefolgt werden
könne. Ein Holdingabschlag von 20 % könne jedoch nicht
anerkannt werden, so dass die Anteile mit 510 % ihres Nennwerts
anzusetzen seien.
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Den Einspruch der Klägerin wies das FA
mit Entscheidung vom 30.06.2020 als unbegründet zurück
und führte aus, die der Wertermittlung der Klägerin
zugrunde liegenden Verkäufe hätten nicht im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten
stattgefunden. Familienangehörige seien keine fremden Dritten.
Der Kaufpreis für die Geschäftsanteile sei nicht am
freien Markt gebildet, sondern von der Klägerin ermittelt und
den Verkäufern und Käufern bindend vorgegeben worden. Da
somit eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen
ausscheide, dürfe der als „Net Asset
Value“ bezeichnete Wert, der den Substanzwert
der Klägerin darstelle, nicht unterschritten werden.
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Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte
Erfolg. Das Urteil ist in EFG 2023, 179 = SIS 22 21 85 veröffentlicht.
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Mit seiner Revision rügt das FA einen
Verfahrensverstoß und die Verletzung des § 9 Abs. 2 und
3 BewG sowie des § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG.
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Das FG habe es versäumt, die
Gründe aufzuklären, aus denen in 27 Fällen die von
der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelten
Kaufpreise unter- oder überschritten worden seien.
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Die für die Bewertung der Anteile an
der Klägerin herangezogenen Preise seien nicht im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen. Da die
Anteile nur an Abkömmlinge und ausnahmsweise an besondere
sonstige Erwerber hätten veräußert werden
können, habe es faktisch kein Angebot auf dem freien Markt
gegeben. Die Preise hätten sich nicht durch Angebot und
Nachfrage bilden können und seien nicht frei ausgehandelt
worden.
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Zur Auslegung des Merkmals „unter
fremden Dritten“ sei auf den Begriff der
„nahestehenden Person“ und die
Grundsätze des Fremdvergleichs zurückzugreifen.
Maßgebend sei, ob unter Berücksichtigung der Gesamtheit
der objektiven Gegebenheiten ein den Gleichklang wirtschaftlicher
Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes
Näheverhältnis angenommen werden könne. Ein solches
Näheverhältnis sei im Streitfall schon wegen der
Zugehörigkeit zum Familienkonzern der Klägerin gegeben.
Die Bewertungsrichtlinien der Klägerin hielten einem
Fremdvergleich nicht stand, denn sie könnten zu unterhalb des
Substanzwerts liegenden Kaufpreisen führen. Die Klägerin
habe die Berechnung des Marktwertabschlags nicht substantiiert
dargelegt. Für Holdinggesellschaften, die nicht
börsennotiert seien, gebe es einen solchen Abschlag nicht. Der
Substanzwert bilde auch bei der Ableitung des gemeinen Werts aus
Verkäufen die Untergrenze.
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Das FA beantragt,
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die Vorentscheidung aufzuheben und die
Klage als unbegründet abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Dem FG sei darin zu folgen, dass der Wert
der Anteile aus den berücksichtigten Verkäufen habe
abgeleitet werden dürfen. Die Kaufpreise seien im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen, denn sie
seien unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe, zu
denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten
gehörten, gebildet worden. Auch der Marktwertabschlag sei
betriebswirtschaftlich begründet. Dass börsennotierte
Holdinggesellschaften einen geringeren Kurswert aufwiesen als die
Summe ihrer Beteiligungen, sei durch eine Vielzahl von Beispielen
belegt. Ein weiterer Beleg sei der Indexfonds „LPX Europe NAV
P/D“; der Index bilde die Zu- und
Abschläge auf den „Net Asset Value“
von „Private Equity“-Unternehmen ab.
Diese Abschläge hätten in den Jahren 2009 und 2010
zwischen 20 % und 70 % geschwankt. Der von der Klägerin
vorgenommene Abschlag von 20 % liege am unteren Ende dieser
Bandbreite. Die Gründe für einen Holdingabschlag
würden auch für nicht-börsennotierte Gesellschaften
gelten. Die gesellschaftsvertraglichen
Verfügungsbeschränkungen hätten bei der Bestimmung
der Kaufpreise keine Rolle gespielt. Seit über 20 Jahren finde
eine monatliche Bewertung der Holdinggesellschaft statt, die den
Gesellschaftern zur Verfügung gestellt werde. Auf deren
Grundlage hätten Käufer und Verkäufer von Anteilen
am Marktgeschehen teilnehmen können. Die Vielzahl der
Verkäufe belege, dass ein Markt vorhanden gewesen sei.
Käufer und Verkäufer seien frei gewesen, Geschäfte
abzuschließen oder darauf zu verzichten. Auch habe eine
Bindung an die von der Klägerin ermittelten Werte nicht
bestanden. Dies ließen bereits die 27 Fälle erkennen, in
denen die Kaufpreise von jenen Werten abwichen.
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Auch hinsichtlich der Auslegung des
Merkmals „unter fremden Dritten“ sei dem
FG zu folgen. Entgegen der Auffassung des FA hätten die
Verkäufe nicht zwischen nahestehenden Personen stattgefunden.
Der für ein Nahestehen erforderliche Gleichklang
wirtschaftlicher Interessen könne nicht schon aus der
„Zugehörigkeit zum Familienkonzern“
der Klägerin abgeleitet werden. Bei Verkäufen zwischen
Personen im dritten bis neunten Verwandtschaftsgrad oder beim
Rückkauf von Anteilen durch die Klägerin lägen keine
Gründe vor, einen vom Marktwert abweichenden Kaufpreis zu
vereinbaren.
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Zutreffend habe das FG schließlich
entschieden, dass bei der Ableitung des gemeinen Werts aus
Verkäufen der Substanzwert nicht die Untergrenze
bilde.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, dass der
Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus
Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze
bildet. Es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung
des gemeinen Werts aus Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2
Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht. Der angefochtene
Feststellungsbescheid vom 06.12.2013 ist rechtmäßig.
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1. Nach § 12 Abs. 2 des Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sind Anteile an
Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den
Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert
anzusetzen. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG ist der Wert
von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 11 Abs. 2
BewG gesondert festzustellen (§ 179 der Abgabenordnung), wenn
die Werte für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer von
Bedeutung sind. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG
trifft das für die Festsetzung der Erbschaft- oder
Schenkungsteuer zuständige Finanzamt die Entscheidung
über eine Bedeutung für die Besteuerung und damit
über die Feststellung dem Grunde nach (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.07.2023 - II R 35/21, BFHE 281,
131, BStBl II 2024, 118 = SIS 23 15 76, Rz 15, m.w.N.).
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a) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind
Anteile an Kapitalgesellschaften, die - wie hier - nicht unter
§ 11 Abs. 1 BewG fallen, da sie am Stichtag nicht an einer
deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen
sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine
Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die
weniger als ein Jahr zurückliegen, so erfolgt die Bewertung
der Anteile nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter
Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft
oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke
üblichen Methode; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein
Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf die Summe der gemeinen Werte
der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter
und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum
Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen
Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten
werden; die §§ 99 und 103 BewG sind anzuwenden.
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b) Maßgebend für die Ableitung des
gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach
§ 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG ist der Preis, der bei
einer Veräußerung im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG)
tatsächlich erzielt wurde (BFH-Urteil vom 22.01.2009 - II R
43/07, BFHE 224, 272, BStBl II 2009, 444 = SIS 09 14 82, unter
II.1.a, m.w.N.). Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der
Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von
Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner
ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner
eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 - II R 7/18, BFHE
271, 190, BStBl II 2021, 665 = SIS 21 01 99, Rz 28, m.w.N.).
Entscheidend für einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr
ist, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten eine nach
ausschließlich marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten
ausgerichtete Verhandlung und Preisbildung zulassen und diese nicht
beeinträchtigen (Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht,
§ 9 BewG Rz 106).
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aa) Ob die Parteien einen Preis vereinbart
haben, der demjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
entspricht, ist nach ständiger Rechtsprechung nach den
Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung objektiver
Wertmaßstäbe zu entscheiden, zu denen vor allem das
Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören. Bei der
Ableitung des gemeinen Werts sind alle Umstände, die den Preis
beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2
BewG). Auszuklammern sind dabei solche preisbildenden Faktoren, die
mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben
(BFH-Urteil vom 14.07.2009 - IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397 = SIS 10 05 71, unter II.1.a, m.w.N.). Ungewöhnliche oder
persönliche Verhältnisse sind außer Acht zu lassen
(§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG).
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bb) Eine Preisbildung im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr kann unter Umständen auch dann
anzunehmen sein, wenn einzelne Merkmale eines freien Marktes nicht
in vollem Umfang vorliegen. Es ist also nicht erforderlich, dass es
sich um einen vollkommenen Markt handelt (Daragan in
Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG, BewG, 4. Aufl., § 9 BewG
Rz 27; Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz
108). Von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist erst
dann nicht mehr auszugehen, wenn die Beschränkungen ihrem
Gesamtbild nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter
Heranziehung der Verkehrsauffassung nicht mehr entsprechen und eine
marktwirtschaftliche Preisbildung erheblich beeinträchtigt
haben (Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz
106).
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cc) Ob sich eine Preisbildung im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr vollzogen hat, gehört
zur tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts durch das
FG, an die der BFH wie an die ebenfalls festgestellten
Anknüpfungstatsachen grundsätzlich gebunden ist (§
118 Abs. 2 FGO). Die vom
FG aus den festgestellten Tatsachen gezogenen Schlüsse
müssen dabei nicht zwingend, sondern nur möglich sein.
Sie dürfen allerdings keine inneren Widersprüche
aufweisen, lückenhaft oder unklar sein oder gegen die
Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen
(BFH-Urteil vom 16.09.2015 - X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II
2016, 48 = SIS 15 25 88, Rz 40, m.w.N.).
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2. Zwar ist das FG zutreffend davon
ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen
Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die
Untergrenze bildet (vgl. BFH-Urteil vom 25.09.2024 - II R 15/21,
zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), es hat jedoch die
Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus den
63 Verkäufen von Geschäftsanteilen nach § 11 Abs. 2
Satz 2 Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht.
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a) Das FG hat angenommen, dass die in Bezug
genommenen 63 Verkaufsfälle im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr zustande gekommen sind. Der aus den
Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem Zeitraum vom
05.12.2008 bis zum 27.11.2009 unter Abzug eines Marktwertabschlags
von 20 % abgeleitete Wert der den Beigeladenen zu 1. bis 3.
zugewendeten Geschäftsanteile entspreche dem gemeinen Wert der
Anteile im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Zudem habe der
Wirtschaftsprüfer der Klägerin unwidersprochen
ausgeführt, dass für die Kaufpreisermittlung im aktuellen
Kapitalmarktumfeld ein Abschlag („Holding
Discount“) von 20 % angemessen sei, weil der
Holdingabschlag vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei
Jahren durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe.
Empirische Untersuchungen bei vergleichbaren, börsennotierten
Holdinggesellschaften mit Einfluss ausübenden
Familiengesellschaftern hätten ergeben, dass der
Börsenwert dieser Gesellschaften regelmäßig unter
dem „Net Asset Value“ liege. Die
Gesellschafter und die Käufer hätten die von der
Zentralabteilung Steuern ermittelten Werte ohne Zwang und
freiwillig annehmen oder ablehnen können. Die Klägerin
habe die Verkaufspreise nach den Richtlinien nicht verbindlich
vorgegeben. Dies ergebe sich schon aus der Regelung unter Ziff. VI.
der Richtlinien, nach der für Verkäufe von
Geschäftsanteilen
„grundsätzlich“ der von der
Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte gemeine Wert
im Sinne des § 11 BewG maßgebend sein sollte. Die
Gesellschafter der Klägerin seien mithin frei gewesen, von
diesem lediglich „grundsätzlich“
maßgebenden Wert abzuweichen. Aus der von der Klägerin
mit ihrer Klagebegründung übersandten Anlage 2 ergebe
sich zudem, dass ihre Gesellschafter in einer Vielzahl von
Fällen tatsächlich von den von der Zentralabteilung
Steuern ermittelten Werten abgewichen seien.
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b) Diese Ausführungen halten einer
revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, da die
Feststellungen des FG seine Schlussfolgerung nicht tragen und das
FG nicht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt
hat, die gegen eine Veräußerung im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr sprechen.
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aa) Das FG hat bei seiner Würdigung der
Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen, dass
nach Ziff. II der Richtlinie bei der Veräußerung der
Anteile in der Regel - wie die Klägerin in der
Klagebegründung erstinstanzlich vorgetragen hat - eine
bestimmte Reihenfolge bei den Personen einzuhalten war, denen die
Anteile zum Kauf angeboten wurden. Aufgrund der vorgegebenen Reihenfolge konnte sich
ein frei ausgehandelter Preis, der auf Angebot und Nachfrage
beruhte, nicht ohne Weiteres bilden. Dieses Vorgehen schließt es aus, dass sich
bei mehreren Interessenten der Preis aufgrund der dann höheren
Nachfrage erhöht und sich damit ein Preis in Abhängigkeit
von Angebot und Nachfrage bildet.
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bb) Darüber hinaus ist die
tatsächliche Würdigung des FG widersprüchlich. Es
hat aus der Formulierung, dass den Verkäufen
„grundsätzlich“ der von der
Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte Wert zugrunde
zu legen ist, geschlossen, dass die verkaufswilligen Gesellschafter
frei waren, hiervon abzuweichen. Wären die Gesellschafter bei
der Preisbildung jedoch völlig frei gewesen, hätte es
einer solchen Regelung in der Richtlinie, die nach der Satzung die
Regeln für eine Zustimmung zum Verkauf bildete, nicht bedurft.
Es lag in der Hand des beauftragten Gesellschafters, bei einer
preislichen Abweichung von dem von der Zentralabteilung Steuern
ermittelten Wert eine Ausnahme zuzulassen und die Zustimmung zu
erteilen. Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr von Anteilen
an Personengesellschaften zwischen fremden Dritten existieren
solche Preisbeschränkungen hingegen nicht.
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cc) Für eine grundsätzliche
Beschränkung und gegen eine freie Preisbildung bei den in
Bezug genommenen Verkaufsfällen spricht zudem, dass die
Verkaufspreise innerhalb eines bestimmten Zeitraums, wie sich aus
der Anlage 2 der Klagebegründung ergibt, tatsächlich
stets dieselben waren. Auch dies hat das FG bei seiner
Würdigung nicht berücksichtigt. Soweit das FG darauf
abstellt, dass in 27 Verkaufsfällen von dem Wert der
Zentralabteilung Steuern des aktuellen Monats abgewichen wurde,
tragen die Feststellungen des FG nicht die Schlussfolgerung, die
Preise seien deshalb frei ausgehandelt worden. Wie aus der Anlage 2
der Klagebegründung vor dem FG abgeleitet werden kann, haben
die zugrunde gelegten Werte in dem Großteil dieser Fälle
der Höhe nach denen des Vormonats entsprochen. Es handelte
sich somit gleichfalls um einen Wert, den die Zentralabteilung
Steuern ermittelt hatte, und somit nicht um einen frei
ausgehandelten Preis. Die Abweichung zum Wert des aktuellen Monats
kann sich daher auch aus dem Auseinanderfallen zwischen Signing und
Closing und nicht aus einem frei ausgehandelten Preis ergeben. In
den übrigen Fällen fehlen die Angaben zum Vormonat, so
dass auch bei diesen nicht auszuschließen ist, dass die
Abweichung auf dem Auseinanderfallen von Signing und Closing
beruht. Solche Beschränkungen bei der Preisbildung, die zu
gleichen Preisen zwischen verschiedenen Käufern und
Verkäufern führen, sind einem gewöhnlichen
Geschäftsverkehr bei Anteilen von Personengesellschaften, bei
dem sich der Preis unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bildet,
in aller Regel fremd.
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dd) Eine Ableitung des gemeinen Werts aus den
genannten Verkaufsfällen scheidet auch aufgrund des von der
Zentralabteilung Steuern der Klägerin vorgenommenen pauschalen
Holdingabschlags in Höhe von 20 % aus. Bei dem vorgenommenen
pauschalen Holdingabschlag handelt es sich um einen preisbildenden Faktor, der
mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun hat und
daher auszuklammern ist. Wie der Senat in ständiger
Rechtsprechung für die Grundstücksbewertung entschieden
hat, müssen die zur Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9
Abs. 2 BewG) vorgenommenen Abschläge objektivierbar und
wirtschaftsgutbezogen - also nach der Beschaffenheit des konkreten
Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) - begründet
sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich
der Höhe (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2017 - II R 10/15, BFH/NV
2017, 1153 = SIS 17 13 99, Rz 18, m.w.N.). In Bezug auf die
Ermittlung des gemeinen Werts von Unternehmensanteilen ergibt sich
insoweit kein Unterschied.
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(1) Der bei der Preisbildung der oben
genannten Verkaufsfälle zugrunde gelegte pauschale Abschlag
wurde ohne eine solche Berücksichtigung der konkreten
Beschaffenheit des Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG)
aus einer rein empirischen Ermittlung des Wirtschaftsprüfers
der Klägerin bei vergleichbaren Unternehmen abgeleitet, was
auch dadurch belegt wird, dass der Abschlag im Zeitverlauf gleich
geblieben ist. Ein solcher gleichbleibender Holding- oder
Konglomeratsabschlag ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
- anders als die Klägerin und das FG meinen - gerade nicht
festzustellen. Ein Holdingabschlag bei börsennotierten
Gesellschaften unterliegt ständigen Veränderungen, da er
sich lediglich rechnerisch aus der Differenz zwischen
Marktkapitalisierung und dem jeweiligen „Net Asset
Value“ ergibt, wie auch der von der
Klägerin in Bezug genommene LPX Europe NAV P/D-Index im
Zeitreihenverlauf belegt. Tatsächliche Änderungen bei den
wertmindernden Positionen, wie beispielsweise bei den nicht in der
Nettofinanzverschuldung enthaltenen finanziellen Verpflichtungen,
die - wie vom FG angenommen - einen Holdingabschlag abbilden
sollen, müssten daher im Zeitverlauf zu einer Änderung
der Höhe des Abschlags führen. Ein Marktwertabschlag kann
zudem nicht in allen Fällen im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr festgestellt werden. So sind Mischkonzerne,
wie es die Klägerin ist, gerichtbekannt, bei denen die
Marktkapitalisierung den „Net Asset
Value“ übersteigt. Es ist daher auch
nicht auszuschließen, dass es sich beim sogenannten
Marktwert- oder Konglomeratsabschlag um ein bloßes
Kapitalmarktphänomen handelt, der zur Unterbewertung des
jeweiligen Unternehmens führt (vgl. Beschluss des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 06.07.2007 - 20 W 5/06, Rz 54,
m.w.N.) und gerade nicht den gemeinen Wert der Anteile
wiedergibt.
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(2) Zudem kann nicht ausgeschlossen werden,
dass mit dem pauschalierten und gleichbleibenden Abschlag entgegen
§ 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG auch persönliche
Verfügungsbeschränkungen mit abgegolten wurden. Wie
vom FG festgestellt, sollte mit dem Abschlag unter anderem die
beschränkte Handelbarkeit der Anteile an der Klägerin
erfasst werden. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten
Verfügungsbeschränkungen für die Übertragung
der Geschäftsanteile zählen zu den persönlichen
Verhältnissen, die bei der Wertermittlung nicht zu
berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile vom 19.12.2007 - II R 22/06, BFH/NV 2008, 962 = SIS 08 21 20, unter II.2.a, m.w.N.; vom 12.07.2005 - II R 8/04, BFHE 210,
474, BStBl II 2005, 845 = SIS 05 44 27, unter II.2.).
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3. Nach den vorgenannten Grundsätzen war
die Vorentscheidung aufzuheben.
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4. Der BFH kann auf Basis der Feststellungen
des FG in der Sache selbst entscheiden. Die Feststellung des Werts
der Anteile an der Klägerin in Höhe von 510 % ihres
Nennwerts unter Zugrundelegung des von der Zentralabteilung Steuern
der Klägerin ermittelten „Net Asset
Value“ im Feststellungsbescheid vom 06.12.2013
ist rechtmäßig.
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a) Ein Ansatz der Anteile an der Klägerin
durch Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen
unter fremden Dritten aus den in Bezug genommenen 63
Verkaufsfällen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kommt aus den
unter II.2. dargestellten Gründen nicht in Betracht. Deshalb
kann im Streitfall dahinstehen, ob die in Bezug genommenen
Verkaufsfälle zwischen fremden Dritten erfolgten.
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b) Der von der Kommission gebildete „Net
Asset Value“ entspricht - unter den
Beteiligten unstreitig - den Grundsätzen des § 11 Abs. 2
BewG und kann daher angesetzt werden. Der „Net Asset
Value“ ist dem Grunde nach nichts anderes als
ein Substanzwert (Creutzmann in Zwirner/Petersen, Handbuch
Unternehmensbewertung, Kap. C. 10., Rz 20). Es sind keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der so gebildete Wert
nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 BewG entspräche,
sei es, dass es sich dabei um einen Wert nach einer anderen im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblichen Methode
handelt oder um den nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ermittelten
Substanzwert, der jedenfalls die Untergrenze des nach § 11
Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 BewG anzusetzenden Werts bildet.
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c) Ob ein Abschlag bei der Ermittlung des
Substanzwerts als Mindestwert überhaupt zulässig ist,
kann ebenfalls dahinstehen. Der Abzug eines pauschalen Abschlags
ohne Anknüpfung an die konkrete Beschaffenheit des
Wirtschaftsguts ist jedenfalls nicht möglich. Wie vom FG
festgestellt wurde, beruht der Abschlag auf empirischen
Ermittlungen des Wirtschaftsprüfers der Klägerin und
damit nicht auf einer am konkreten Unternehmen orientierten
Bewertung.
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d) Da die Revision bereits wegen Verletzung
des materiellen Rechts Erfolg hat, kommt es auf die vom FA erhobene
Sachaufklärungsrüge nicht mehr an.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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