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Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein

Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein: 1. Der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht ist bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen und nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.10.2017 - VIII R 19/16, BFHE 262 S. 1, BStBl 2019 II S. 34 = SIS 18 15 93). - 2. Die Anschaffungskosten der Darlehensforderung, auf die unter Besserungsvorbehalt verzichtet worden ist, sind nicht, auch nicht anteilig, der Besserungsanwartschaft zuzuordnen. - 3. Bei der Prüfung, ob die im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer anzunehmende Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht im Einzelfall widerlegt ist, ist eine Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung vorzunehmen (Anschluss an BFH-Urteil vom 20.6.2023 - IX R 2/22, BFHE 280 S. 531 = SIS 23 13 61). - 4. § 20 Abs. 8 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist dahin auszulegen, dass § 20 Abs. 2 EStG von § 17 EStG nur verdrängt wird, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzt insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. - Urt.; BFH 19.11.2024, VIII R 8/22; SIS 25 01 78

Kapitel:
Privatbereich > Kapitaleinkünfte
Fundstellen
  1. BFH 19.11.2024, VIII R 8/22 (ECLI:DE:BFH:2024:U.191124.VIIIR8.22.0)
    DStR 2025 S. 256

    Anmerkungen:
    Ch. Graßmann in NWB 7/2025 S. 424
    J.H. in StuB 4/2005 S. 154
    M. Jachmann-Michel in DStR 6/2025 S. 256
    K. Korn in kösdi 3/2025 S. 24125
Normen
[EStG] § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 4 Satz 1, § 20 Abs. 8 Satz 1
[HGB] § 255 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 17.02.2022, SIS 22 10 83, Verlustentstehung, Kapitaleinkünfte, Forderungsverzicht, Darlehensforderung
Anmerkung RiBFH Dr. Levedag

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 17.02.2022 - 11 K 2371/18 = SIS 22 10 83 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Jahr 2009 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Streitig ist, ob der Forderungsverzicht eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen ist.

 

 

2

Der Kläger und sein Bruder gründeten im Jahr … gemeinsam die … Im Streitjahr wurde der Betrieb zunächst in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, der X GmbH & Co. KG (KG) geführt. An der KG war der Kläger mit einem Kommanditanteil von 76.800 EUR bei einer Gesamteinlage von 600.000 EUR, also zu 12,8 % beteiligt. Er war außerdem Geschäftsführer und Gesellschafter der Komplementär-GmbH, der Y Verwaltungs-GmbH.

 

 

3

In den Jahren 2008 und 2009 geriet die KG in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb stellten die Gesellschafter der KG im Januar beziehungsweise Februar 2009 insgesamt 1.000.000 EUR als Darlehen nach dem Verhältnis ihrer Einlagen zur Verfügung. Der Kläger gewährte der KG mit Darlehensvertrag vom xx.xx.2009 ein nachrangiges Darlehen über 128.000 EUR.

 

 

4

Mit Gesellschafterbeschluss vom xx.xx.2009 wurde die KG formwechselnd und rückwirkend zum 31.12.2008, 24:00 Uhr in die Z GmbH (GmbH) umgewandelt. Der Kläger war wie zuvor an der KG mit einem Geschäftsanteil von 12,8 % am Stammkapital der GmbH (in Höhe von 600.000 EUR) beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag übte er zudem die Funktion eines Geschäftsführers der Gesellschaft kraft Sonderrechts aus. Eine Abberufung war nur aus wichtigem Grund möglich. Aufgrund dieser Tätigkeit bezog der Kläger in den Jahren 2009 bis 2012 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.

 

 

5

Mit Vertrag vom xx.xx.2009 verzichteten die Gesellschafter der GmbH dieser gegenüber auf alle Ansprüche aus den Darlehensverträgen vom Januar beziehungsweise Februar 2009 mit Ausnahme der bereits aufgelaufenen Zinsen. Der Kläger erklärte den Verzicht unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage sei, sämtliche Darlehen in vollständiger Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen („Besserungsschein“). Für den Fall, dass die auflösende Bedingung eintreten sollte, verpflichtete sich der Kläger, der GmbH von ihr zurückerhaltene Beträge unverzüglich durch Einzahlung als Einlage in die freie Rücklage wieder zur Verfügung zu stellen. Die GmbH behandelte den Darlehensverzicht in ihrem Jahresabschluss 2009 in vollem Umfang als sonstigen betrieblichen Ertrag.

 

 

6

Ebenfalls am xx.xx.2009 erhöhten die Gesellschafter das Stammkapital der GmbH. Der neue Anteil wurde von einem anderen Gesellschafter übernommen. Der Anteil des Klägers am Stammkapital der GmbH reduzierte sich dadurch auf 11,16 %.

 

 

7

In ihrem Jahresabschluss für das Streitjahr ermittelte die GmbH einen handelsrechtlichen Verlust von 4.354.765,64 EUR. Die Bilanz auf den 31.12.2009 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2.517.003,45 EUR aus. Auch in den Folgejahren erzielte die GmbH Verluste. Im Frühjahr 2012 beendete der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH. Am xx.xx.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.

 

 

8

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger den Verlust aus dem Darlehensverzicht des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) vertrat demgegenüber die Auffassung, dass der Darlehensverzicht in voller Höhe eine verdeckte Einlage darstelle und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 21.03.2014 die erklärten Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nicht. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, der hinsichtlich der hier streitigen Behandlung des Darlehensverzichts erfolglos blieb.

 

 

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) einigten sich die Beteiligten im Wege der tatsächlichen Verständigung darauf, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch zum Zeitpunkt des Verzichts am xx.xx.2009 noch zu 34 %, also in Höhe von 43.520 EUR, werthaltig gewesen sei.

 

 

10

Die Klage hatte aus den in EFG 2022, 1373 = SIS 22 10 83 mitgeteilten Gründen teilweise Erfolg. Der Verlust aus dem Darlehensverzicht habe nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geführt. Sowohl die Darlehensgewährung als auch der spätere Verzicht des Klägers seien vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis zur GmbH veranlasst gewesen. Soweit der Darlehensrückzahlungsanspruch im Verzichtszeitpunkt werthaltig gewesen sei, führe der Verzicht zu einer verdeckten Einlage in die GmbH. In Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung seien negative Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) entstanden. Diese seien im Streitjahr zu berücksichtigen. Die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers liege vor. Er habe aus der Darlehensgewährung und der Beteiligung Einkünfte erzielen wollen. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG stehe nicht entgegen. Der Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil einer Forderung führe nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung.

 

 

11

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Bundesrechts. Es meint, der Verlust aus dem auflösend bedingten Verzicht könne nicht im Streitjahr berücksichtigt werden, sondern erst wenn feststehe, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten werde.

 

 

12

Das FA beantragt,

 

das Urteil des FG München vom 17.02.2022 - 11 K 2371/18, soweit es das Streitjahr 2009 betrifft, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

13

Die Kläger beantragen,

 

die Revision zurückzuweisen.

 

 

14

II. Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass der Forderungsverzicht des Klägers nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geführt hat (dazu 1.), sondern den tariflichen Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zuzuordnen und im Streitjahr zu berücksichtigen ist (dazu 2.). § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG steht der Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht entgegen (dazu 3.).

 

 

15

1. Der Forderungsverzicht des Klägers hat nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geführt. Die tatsächliche Würdigung des FG, wonach sowohl die Gewährung des Darlehens gegenüber der KG als auch der nach dem Formwechsel erklärte Darlehensverzicht gegenüber der GmbH vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und daher für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.

 

 

16

2. Rechtsfehlerfrei hat das FG zudem erkannt, dass der Kläger mit dem Verzicht auf die Darlehensforderung einen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EStG steuerbaren Verlust in Höhe des im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltigen Teils der Darlehensforderung erzielt hat (dazu a), der im Streitjahr zu berücksichtigen ist (dazu b), 84.480 EUR beträgt (dazu c) und nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht unbeachtlich ist (dazu d).

 

 

17

a) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Senats ist beim Forderungsverzicht zwischen dem noch werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu unterscheiden. Insoweit werden unter Umständen jeweils unterschiedliche Besteuerungstatbestände verwirklicht.

 

 

18

aa) Der Verzicht auf den werthaltigen Teil der Forderung führt zu einer verdeckten Einlage im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 EStG (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 09.06.1997 - GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34, unter C.II.4.; BFH-Urteil vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60, Rz 15). Nach Maßgabe der tatsächlichen Verständigung war die Darlehensforderung im Verzichtszeitpunkt in Höhe von 43.520 EUR noch werthaltig. Auf diesen Teil der Forderung entfielen Anschaffungskosten in Höhe des anteiligen Nennwerts von 43.520 EUR, die gemäß § 20 Abs. 4 Satz 2 EStG mit dem gemeinen Wert der Darlehensforderung in derselben Höhe verrechnet werden, so dass ein Einlagegewinn in Höhe von 0 EUR entstanden ist. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

 

 

19

bb) In Höhe des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung führt der Forderungsverzicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG zu einem Abtretungsverlust (BFH-Urteile vom 18.06.2024 - VIII R 25/23, BStBl II 2024, 691 = SIS 24 12 72, Rz 15; vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60). Dies beruht auf der Annahme, dass der Forderungsverzicht den Wegfall der Forderung bewirkt, der dem im Gesetz ausdrücklich erfassten Fall der Abtretung gleichsteht, denn auch wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob der Gesellschafter eine Forderung an den Schuldner (die Gesellschaft) abtritt oder ob er auf sie verzichtet (BFH-Urteil vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60, Rz 21). Davon ist auch das FG ausgegangen.

 

 

20

cc) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl 2007, 630) sind im Streitfall anwendbar. Die Vorschriften kommen für private Darlehens- und Gesellschafterforderungen gemäß § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG nur zur Anwendung, wenn die Forderung nach dem 31.12.2008 angeschafft oder begründet worden ist (BFH-Urteil vom 18.06.2024 - VIII R 25/23, BStBl II 2024, 691 = SIS 24 12 72, Rz 17, m.w.N.). Der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der KG ist am 06.02.2009 zustande gekommen. Aus dem rückwirkenden Formwechsel der KG in die GmbH ergibt sich nichts anderes. Zum einen bewirkt die auch steuerlich beachtliche Rückbeziehung der Rechtsfolgen des Formwechsels nach § 25 Satz 2 i.V.m. § 9 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 2006) nicht, dass Verträge, die die Gesellschaft im Rückwirkungszeitraum mit einem Gesellschafter abgeschlossen hat, als bereits im Zeitpunkt der Einbringung abgeschlossen gelten (vgl. zu § 20 UmwStG 2006 Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl., § 20 Rz 466; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 = SIS 11 41 63, Tz. 20.16). Zum anderen war steuerlicher Umwandlungsstichtag der 01.01.2009, 00:00 Uhr.

 

 

21

b) Der Verlust des Klägers aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung ist auch im Streitjahr zu berücksichtigen.

 

 

22

aa) Wie der BFH bereits entschieden hat, führt auch der Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung (z.B. BFH-Urteile vom 12.07.2012 - I R 23/11, BFHE 238, 344 = SIS 12 26 98, Rz 15; vom 24.10.2017 - VIII R 19/16, BFHE 262, 1, BStBl II 2019, 34 = SIS 18 15 93, Rz 29). Tritt der Besserungsfall ein, lebt die ursprüngliche Forderung gemäß § 158 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wieder auf. Der Eintritt der Bedingung entfaltet keine Rückwirkung (BFH-Urteile vom 24.10.2017 - VIII R 19/16, BFHE 262, 1, BStBl II 2019, 34 = SIS 18 15 93, Rz 29; vom 12.07.2012 - I R 23/11, BFHE 238, 344 = SIS 12 26 98, Rz 19).

 

 

23

bb) Auf Ebene der Gesellschaft als Schuldnerin treten die Rechtsfolgen aus einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts ein. Dann wird das Darlehen von Fremdkapital in Eigenkapital umqualifiziert (BFH-Urteil vom 12.07.2012 - I R 23/11, BFHE 238, 344 = SIS 12 26 98, Rz 16). Erst bei Eintritt des Besserungsfalls wird das wiederauflebende Gesellschafterdarlehen wieder zu Fremdkapital (BFH-Urteil vom 24.10.2017 - VIII R 19/16, BFHE 262, 1, BStBl II 2019, 34 = SIS 18 15 93, Rz 29). Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF-Schreiben vom 02.12.2003, BStBl I 2003, 648 = SIS 03 53 33).

 

 

24

cc) Für die Besteuerung des unter Besserungsvorbehalt verzichtenden Gesellschafters als Gläubiger gilt nichts anderes. Auch bei ihm ist der Verlust aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil seiner Forderung im Zeitpunkt des Verzichts entstanden und zu berücksichtigen. Der Besserungsvorbehalt ändert nichts daran, dass die Forderung, auf die verzichtet wird, im Zeitpunkt des Verzichts entfällt.

 

 

25

dd) Dem steht nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige mit dem Verzicht über die sonstige Kapitalforderung freiwillig disponiert, da § 20 Abs. 2 EStG nicht danach differenziert, ob Verluste zwangsläufig eintreten oder willentlich herbeigeführt werden (BFH-Urteil vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60, Rz 22).

 

 

26

ee) Der Auffassung des FA, dass die steuerlichen Rechtsfolgen des bedingten Verzichts erst zu berücksichtigen seien, wenn und sobald feststehe, dass die Bedingung nicht mehr eintreten werde, ist nicht zu folgen.

 

 

27

Zwar entsteht der Verlust aus dem Ausfall einer Darlehensforderung grundsätzlich erst, wenn feststeht, dass mit der Zahlung nicht mehr zu rechnen ist. Der Verzicht unter Besserungsvorbehalt kann aber nicht mit einem Forderungsausfall gleichgesetzt werden. Während der Verfall einer Forderung bis zu ihrem endgültigen Ausfall eine fortschreitende Entwicklung sein kann, handelt es sich beim Verzicht um ein punktuelles Ereignis, dessen Rechtswirkungen durch die Verfügung des Steuerpflichtigen ohne zeitliche Verzögerung unmittelbar eintreten.

 

 

28

ff) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der verzichtende Gläubiger beim Verzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich eine Besserungsanwartschaft erwirbt.

 

 

29

Verzichtet der Forderungsinhaber auf die Forderung gegen Besserungsschein, erlangt er bis zum Eintritt des Besserungsfalls eine Anwartschaft auf das Wiederaufleben seiner Forderung, die als gesicherte Rechtsposition anzusehen ist (BFH-Urteil vom 12.07.2012 - I R 23/11, BFHE 238, 344 = SIS 12 26 98, Rz 17; Jachmann-Michel, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2018, 9, 19). Dabei handelt es sich um ein von der Forderung zu unterscheidendes, eigenständiges, verkehrsfähiges Wirtschaftsgut. Die Anwartschaft ist insbesondere nicht mit der erloschenen Forderung teilidentisch, sondern sie stellt eine Vorstufe zum Neuerwerb der Forderung dar.

 

 

30

c) Der Forderungsverzicht des Klägers hat zu einem im Streitjahr zu berücksichtigenden Verlust in Höhe von 84.480 EUR geführt.

 

 

31

aa) Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist ein Gewinn beziehungsweise Verlust im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Hat der Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt, belaufen sich seine Anschaffungskosten für den Darlehensrückzahlungsanspruch regelmäßig auf den Nennbetrag der ausgereichten Mittel. Sie sind im Ausgangspunkt der gesamten Forderung zuzuordnen (BFH-Urteil vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60, Rz 25; anders im Fall einer unterhalb des Nennwerts erworbenen Forderung, Rz 27).

 

 

32

bb) Verzichtet der Gesellschafter auf die Rückzahlung des Darlehens, verwirklicht er - wie bereits unter 2.a dargestellt - unter Umständen zwei verschiedene Besteuerungstatbestände. Die dadurch bei der Besteuerung des Gesellschafters aus Rechtsgründen zu beachtende Aufteilung der Forderung in einen werthaltigen und nicht mehr werthaltigen Teil hat zur Folge, dass auch die Anschaffungskosten den jeweils getrennt zu betrachtenden Teilen der ursprünglich einheitlichen Forderung anteilig zugeordnet werden (vgl. zur abweichenden Zuordnung der Anschaffungskosten bei entgeltlichem Forderungserwerb unter Nennwert BFH-Urteil vom 06.08.2019 - VIII R 18/16, BFHE 265, 531, BStBl II 2020, 833 = SIS 19 16 60, Rz 26).

 

 

33

cc) Auf den im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr werthaltigen Teil des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung entfielen danach Anschaffungskosten von 84.480 EUR. In dieser Höhe ist dem Kläger durch den Verzicht ein Verlust entstanden.

 

 

34

dd) Entgegen der Auffassung des FA sind die auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung entfallenden Anschaffungskosten nicht der vom Kläger aufgrund des auflösend bedingten Verzichts erworbenen Besserungsanwartschaft zuzuordnen.

 

 

35

Eine Aufteilung beziehungsweise Abspaltung von Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs kommt entsprechend dem dieser Norm zugrunde liegenden Surrogationsgedanken in Betracht, wenn ein ursprünglich vom Steuerpflichtigen angeschaffter Vermögensgegenstand durch mehrere andere Vermögensgegenstände ersetzt wird und wenn sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten in mehreren Ersatzvermögensgegenständen fortsetzen (BFH-Urteil vom 30.11.2022 - VIII R 30/20, BStBl II 2023, 638 = SIS 23 03 48, Rz 31). Diese Voraussetzungen hat der BFH zum Beispiel im Fall einer Grundstücksteilung (BFH-Urteil vom 19.07.1983 - VIII R 161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26 = SIS 84 01 11) oder im Fall der Ausgabe von Bezugsrechten oder von neuen Gesellschaftsrechten aufgrund einer Kapitalerhöhung, die wirtschaftlich zu einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz führt, bejaht (BFH-Urteile vom 21.01.1999 - IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638 = SIS 99 07 22; vom 22.05.2003 - IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712 = SIS 03 32 19).

 

 

36

Im Unterschied dazu fehlt es beim Verzicht auf eine wertlos gewordene Forderung gegen Besserungsschein und der Entstehung einer Besserungsanwartschaft an einer Substanzabspaltung. Die Besserungsanwartschaft ist - wie bereits dargelegt - ein eigenständiges Wirtschaftsgut und nicht als Surrogat des nicht mehr werthaltigen Teils der untergegangenen Forderung anzusehen. Die Besserungsanwartschaft ist auch keine Forderung. Sie verkörpert - wie ebenfalls bereits dargestellt - eine Vorstufe zum Vollrecht der Forderung, die erst bei Eintritt des Besserungsfalls mit Wirkung ex nunc wieder auflebt.

 

 

37

ee) Die Besserungsanwartschaft ist damit eigenständig zu bewerten. Ihr Wert ist mit null anzusetzen, denn er entspricht dem, was der Kläger für ihren Erwerb aufgewendet hat. Das ist der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung, auf die der Kläger verzichtet hat.

 

 

38

d) Der Verlust des Klägers aus dem Forderungsverzicht ist auch nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers unbeachtlich.

 

 

39

aa) Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, wird die Einkünfteerzielungsabsicht im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer widerlegbar vermutet (vgl. BFH-Urteile vom 14.03.2017 - VIII R 38/15, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040 = SIS 17 14 55; vom 18.06.2024 - VIII R 32/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, DStR 2024, 2571 = SIS 24 17 53, Rz 35).

 

 

40

bb) Ohne Rechtsfehler ist das FG davon ausgegangen, dass die Vermutung im Streitfall nicht widerlegt ist. Weder war die Erzielung eines positiven Zinsüberschusses von vornherein ausgeschlossen noch, dass der Kläger aus der KG beziehungsweise der späteren GmbH mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge oder einen Veräußerungsgewinn erzielen konnte. Eine dahin gehende Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung hat der BFH bereits anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 20.06.2023 - IX R 2/22, BFHE 280, 531 = SIS 23 13 61, Rz 32, m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an.

 

 

41

cc) Die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht gilt unabhängig davon, ob die sich ergebenden negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen (hier aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Darlehensforderung) in einem zweiten Schritt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b und Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 33b EStG aus dem gesonderten Tarif ausgeschlossen werden (vgl. auch BMF-Schreiben vom 07.06.2022, BStBl I 2022, 897 = SIS 22 10 34, Tz. 30). Die Ausschlussregelung knüpft an die jeweiligen Einkünfte an. Sie wirkt nicht in die Einkünfteermittlung selbst hinein (BFH-Urteil vom 30.11.2022 - VIII R 15/19, BFHE 279, 85, BStBl II 2023, 632 = SIS 23 03 45, Rz 31).

 

 

42

3. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG steht der Berücksichtigung des Verlusts nicht entgegen.

 

 

43

a) Gemäß § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 EStG nur Anwendung, soweit die betreffenden Einkünfte unter anderem nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen auch die Einkünfte im Sinne des § 17 EStG. Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH ist § 20 Abs. 8 Satz 1 unter Berücksichtigung des Wortlauts („soweit“) dahin auszulegen, dass § 20 Abs. 2 EStG nur insoweit gesperrt ist, als sich der Verlust bei § 17 EStG auswirkt (BFH-Urteile vom 20.06.2023 - IX R 2/22, BFHE 280, 531 = SIS 23 13 61, Rz 37; vom 14.11.2023 - IX R 3/23, BFH/NV 2024, 280 = SIS 24 00 81, Rz 29). Wirkt sich der Verlust bei der Anwendung von § 17 EStG in Höhe von 0 EUR aus, kann er gleichwohl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.07.2023 - IX R 21/21, BFHE 281, 472, BStBl II 2024, 169 = SIS 23 18 01, Rz 36).

 

 

44

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung mit der Maßgabe an, dass die Frage, ob sich der Verlust bei § 17 EStG auswirkt, auch zeitraumbezogen zu prüfen ist. § 20 Abs. 2 EStG wird danach von § 17 EStG nur verdrängt, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzt insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden (vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 38. Aufl., § 20 Rz 255; Jachmann-Michel, StuW 2018, 9, 18).

 

 

45

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze wirkt sich der Verlust des Klägers aus dem Verzicht auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung im Streitjahr nicht bei § 17 EStG aus, mit der Folge, dass § 20 Abs. 2 EStG anwendbar ist.

 

 

46

aa) § 17 Abs. 2a EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451, BStBl I 2020, 17 = SIS 19 18 84) ist im Streitfall gemäß § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG zeitlich noch nicht anwendbar.

 

 

47

bb) Unerheblich ist, ob der Verzicht des Klägers auf den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führen könnte, weil der Kläger das Darlehen in der Krise der Gesellschaft gewährt hatte (Fortgeltung der bisherigen Grundsätze zum normspezifischen Anschaffungskostenbegriff bei § 17 EStG gemäß BFH-Urteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208 = SIS 17 16 44; vgl. BFH-Beschluss vom 04.08.1999 - VIII B 68/99, BFH/NV 2000, 41 = SIS 00 50 37, unter 1., m.w.N.), denn jedenfalls ist der Tatbestand des § 17 EStG im Streitjahr nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger seine Beteiligung an der GmbH im Streitjahr nicht veräußert und wurde die GmbH im Streitjahr auch nicht aufgelöst. Der Kläger hat im Streitjahr auch keinen Verlust nach § 17 EStG geltend gemacht.

 

 

48

Der Senat verkennt nicht, dass der im Streitjahr bei § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigte Darlehensverzicht des Klägers in einem späteren Veranlagungszeitraum (ganz oder zum Teil) auch bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG zu berücksichtigen sein könnte und dass die Berücksichtigung bei § 17 EStG nach Maßgabe des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG dann Vorrang gegenüber der Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG hätte. Sollte es dadurch zu einer im Ergebnis nicht gerechtfertigten Doppelberücksichtigung ein und desselben Verlusts kommen, muss die Berücksichtigung bei § 20 Abs. 2 EStG auf verfahrensrechtlicher Grundlage korrigiert werden.

 

 

49

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Anmerkung RiBFH Dr. Levedag

Der Besprechungsfall komplettiert die jüngere Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zur Behandlung des Forderungsverzichts und Forderungsausfalls eines Gesellschafterdarlehens in einem sog. Altfall. Dies sind Fallgestaltungen, in denen eine relevante Beteiligung im Sinne des § 17 EStG vor dem 1.8.2019 veräußert wird oder im Zuge einer Auflösung "untergeht" (vgl. § 17 Abs. 2, 4 EStG) und für Gesellschafterdarlehen, auf die verzichtet wird oder die ausfallen, das Wahlrecht in § 52 Abs. 25 a Satz 2 EStG, rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2 a EStG in Anspruch zu nehmen, nicht ausgeübt wird. In diesen Fallgestaltungen gilt nach dem grundlegenden BFH-Urteil v. 11.7.2017 - IX R 36/15 = SIS 17 04 10, BStBl 2019 II, 208 im Rahmen des § 17 EStG der sog. frühere normspezifische Anschaffungskostenbegriff samt der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.9.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag nach Maßgabe des früheren Zivilrechts eigenkapitalersetzend geworden ist.

 

Dem hat sich im Ergebnis auch die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF, Schreiben v. 5.4.2019, BStBl 2019 I, 257 = SIS 19 03 85). Das Besprechungsurteil klärt zunächst für die Auslegung des § 20 Abs. 2 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zentrale Fragen der Tatbestandsverwirklichung, wenn auf ein Gesellschafterdarlehen gegen einen Besserungsschein verzichtet wird. Der VIII. Senat hält hierzu an seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil v. 6.8.2019 - VIII R 18/16 = SIS 19 16 60, BStBl 2020 II, 833) fest und entwickelt sie fort. Der Forderungsverzicht führt mit dem im Verzichtszeitpunkt noch werthaltigen Teil der Forderung zu einer verdeckten Einlage (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG), aus der aber im Rahmen des § 20 EStG kein Kapitalertrag ("Einlagegewinn, - verlust") entstehen kann, weil dem werthaltigen Teil die Anschaffungskosten des Gesellschafters in gleicher Höhe gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG gegenüberzustellen sind. Der im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltige Teil des Darlehens führt zu einem sog. Abtretungsverlust.

 

Hier liegt für den Realisationszeitpunkt die erste zentrale Aussage der Entscheidung. Der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht (gegen Besserungsschein) ist bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen und nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird. Hiermit wendet sich der VIII. Senat gegen die Auffassung des BMF (BMF, Schreiben v. 19.5.2022, BStBl 2022 I, 742 = SIS 22 08 12, Rn. 62). Der so realisierte Abtretungsverlust ist auch steuerbar, selbst wenn es sich um ein Krisendarlehen handelt. Bei der Prüfung, ob die im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer anzunehmende Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht im Einzelfall widerlegt ist, ist eine Gesamtbetrachtung von Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbeteiligung vorzunehmen (insoweit Anschluss an das BFH-Urteil v. 20.6.2023 - IX R 2/22 = SIS 23 13 61, BFHE 280, 531).

 

Schließlich behandelt das Besprechungsurteil erstmals die Frage, wie die Subsidiaritätsregelung des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG auszulegen ist, wenn der Abtretungsverlust aus dem Forderungsverzicht in einem früheren Veranlagungszeitraum realisiert wird als der Verlust aus der Beteiligung gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG. Jüngst hatte der IX. Senat des BFH hierzu geklärt, dass der Gesellschafter in einem solchen Altfall nicht auf die Anwendung der richterlichen Fortgeltungsanordnung des alten normspezifischen Anschaffungskostenbegriffs verzichten kann (BFH, Urteil v. 20.2.2024 - IX R 12/23 = SIS 24 12 17, BStBl 2025 II, 13). Danach hat die Einbeziehung eines Darlehensverlusts in die nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung und damit in den Gewinn/Verlust gemäß § 17 Abs. 2, 4 EStG wegen der Subsidiaritätsregelung des § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG grundsätzlich Vorrang vor einem daneben möglichen höheren oder (wegen § 32 d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F.) in weiterem Umfang steuermindernden Abzug des Verlusts gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG.

 

§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG ist, wenn beide Normen den Verlust erfassen, nach dem Besprechungsurteil aber dahin auszulegen, dass ein Verlustabzug gemäß § 20 Abs. 2 EStG von § 17 EStG nur verdrängt wird, wenn und soweit sich der Verlust im zu beurteilenden Zeitraum bei der Ermittlung der Einkünfte aus § 17 EStG auswirkt. Das setzt insbesondere voraus, dass die Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG und des § 17 Abs. 4 EStG im selben Veranlagungszeitraum verwirklicht werden. Entsteht der Verlust aus § 20 Abs. 2 EStG hingegen früher, kann er abgezogen werden. Ist der Verlust später in die Anschaffungskosten der Beteiligung gemäß § 17 Abs. 2, 4 EStG einzubeziehen, bedarf es im Fall der Bestandskraft der Veranlagung für den Abzug des § 20 Abs. 2 EStG – Verlusts einer verfahrensrechtlichen Korrekturvorschrift.