Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.06.2021 - 2 K 2191/17
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Der verheiratete Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger), der nach § 26a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Streitjahren (2013 und 2014)
einzelveranlagt wurde, war bei der I AG als Pilot angestellt. Der
Sitz der Geschäftsleitung der I AG befindet sich in der
Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz). Der Kläger war in
den Streitjahren sowohl im nationalen Flugverkehr der Schweiz als
auch im internationalen Flugverkehr tätig. Er hatte bereits im
Jahr 2011 einen Wohnsitz in der Schweiz begründet. Sein
Lebensmittelpunkt befand sich in den Streitjahren bei seiner
Familie in X in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Vom
Arbeitslohn des Klägers behielt die I AG Schweizerische
Quellensteuer ein.
|
|
|
2
|
In seinen Einkommensteuererklärungen
für die Streitjahre erklärte der Kläger steuerfreien
Arbeitslohn nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022,
BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom
27.10.2010 (BGBl II 2011, 1092, BStBl I 2012, 513) - DBA-Schweiz
1971/2010 - .
|
|
|
3
|
Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) veranlagte den Kläger zunächst
erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - ).
Bei einer späteren Überprüfung entnahm das FA den
Flugplänen, dass der Kläger im Jahr 2013 überwiegend
für innereuropäische Flüge aus der Schweiz sowie in
die Schweiz und im Jahr 2014 überwiegend für
Langstreckenflüge mit Start und Ziel in der Schweiz eingesetzt
worden war. Es legte der Steuerfestsetzung 2013 daraufhin einen
Arbeitslohn des Klägers zugrunde, den es in Höhe von
45.468 EUR (57,53 %) der deutschen Besteuerung unterwarf und in
Höhe von 33.566 EUR (42,47 %) als steuerfrei, aber dem
Progressionsvorbehalt unterliegend behandelte. Der
Steuerfestsetzung 2014 legte das FA einen Arbeitslohn des
Klägers zugrunde, den es in Höhe von 53.630 EUR (58,69 %)
der deutschen Besteuerung unterwarf und in Höhe von 37.749 EUR
(41,31 %) als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt
unterliegend behandelte. Außerdem berücksichtigte das FA
in beiden Jahren den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.
|
|
|
4
|
Hiergegen wandte sich der Kläger mit
dem Einspruch und machte zudem Werbungskosten für das Jahr
2013 in Höhe von 19.274 EUR und für 2014 in Höhe von
22.074 EUR geltend.
|
|
|
5
|
Mit der Einspruchsentscheidung setzte das
FA die Einkommensteuer für die Streitjahre herab. Dies beruhte
auf einer geänderten Aufteilung der Einkünfte, die nach
Auffassung des FA nunmehr in Höhe von 55 % auf
Tätigkeiten in Deutschland und in Drittstaaten sowie in
Höhe von 45 % auf Tätigkeiten in der Schweiz entfallen
sollten. In diesem Umfang (55 %) erkannte das FA auch die vom
Kläger nachträglich erklärten Werbungskosten an.
Außerdem nahm es eine Anrechnung der schweizerischen
Quellensteuer in Höhe von 55 % vor. Im Übrigen wies das
FA den Einspruch als unbegründet zurück.
|
|
|
6
|
Der im Anschluss erhobenen Klage gab das
Finanzgericht (FG) ganz überwiegend mit den in EFG 2023, 484
veröffentlichten Gründen statt. Es war im Wesentlichen
der Ansicht, dass die Frage, ob eine Arbeit in der Schweiz
ausgeübt werde, bei einem internationalen Flug allein danach
zu betrachten sei, ob dieser in der Schweiz beginne oder ende;
dagegen sei keine Aufteilung auf Abschnitte in der Schweiz oder
außerhalb der Schweiz vorzunehmen. Für 2013 seien danach
100 % und für 2014 99 % der Vergütungen des Klägers
der Tätigkeit in der Schweiz zuzuordnen.
|
|
|
7
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
8
|
Es beantragt,
|
|
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
24.06.2021 - 2 K 2191/17 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zutreffend ist das FG
davon ausgegangen, dass das Besteuerungsrecht für die
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger
Tätigkeit Deutschland als Ansässigkeitsstaat und daneben
der Schweiz als Tätigkeitsstaat beziehungsweise
Unternehmensstaat zusteht (dazu unter 3.). Das FG hat jedoch zu
Unrecht die Einkünfte ganz überwiegend mit der
Begründung von der Besteuerung ausgenommen, dass im
Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d
DBA-Schweiz 1971/2010 die Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im
internationalen Verkehr als „in der Schweiz
ausgeübt“ anzusehen sei, wenn der
jeweilige Flug in der Schweiz beginne oder ende (dazu unter
4.c).
|
|
|
11
|
1. Der Kläger ist in den Streitjahren
aufgrund seines inländischen Wohnsitzes nach § 1 Abs. 1
Satz 1 EStG mit seinem Welteinkommen unbeschränkt
steuerpflichtig.
|
|
|
12
|
2. Er ist in den Streitjahren auch
gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2010 abkommensrechtlich in
Deutschland ansässig. Denn der Kläger verfügte
sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz über eine
ständige Wohnstätte im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a
Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 und hatte den Mittelpunkt seiner
Lebensinteressen gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 2
DBA-Schweiz 1971/2010 in Deutschland. Aufgrund des Zusammenlebens
mit seiner Familie in X unterhielt er die engeren persönlichen
und wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Vertragsstaat
Deutschland.
|
|
|
13
|
3. Der Schweiz steht nach dem DBA-Schweiz
1971/2010 für die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG, die dieser in den Streitjahren aus seiner
Tätigkeit als angestellter Pilot bei der I AG erzielt hat,
nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs.
1 und 3 DBA-Schweiz 1971/2010 zu. Vielmehr steht auch Deutschland
als Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 das Besteuerungsrecht für diese
Einkünfte zu.
|
|
|
14
|
a) Dies gilt zunächst für die
Einkünfte, die der Kläger für die Tätigkeit im
Rahmen reiner Inlandsflüge in der Schweiz erhalten hat.
|
|
|
15
|
aa) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010 können Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich
in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Bezieher der
Vergütungen ansässig ist (Ansässigkeitsstaat).
Gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz 1971/2010
können, wenn eine in einem Vertragsstaat ansässige Person
Einkünfte aus einer im anderen Vertragsstaat ausgeübten
unselbständigen Arbeit bezieht, diese Einkünfte in dem
anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) besteuert werden.
|
|
|
16
|
bb) Danach steht der Schweiz als
Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die
Vergütungen des Klägers für seine Tätigkeit im
Rahmen reiner Inlandsflüge zu. Die Tätigkeit im Rahmen
der Inlandsflüge gilt auch soweit sich diese auf den Luftraum
über der Schweiz erstreckt als ausschließlich in der
Schweiz ausgeübt. Das der Schweiz als Tätigkeitsstaat
zustehende Besteuerungsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1
und 2 DBA-Schweiz 1971/2010 verdrängt jedoch nicht das
Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (hier Deutschland).
Vielmehr bleibt dieses daneben bestehen.
|
|
|
17
|
b) Ein ausschließliches
Besteuerungsrecht steht der Schweiz auch nicht für die
Vergütungen des Klägers zu, die dieser für die
unselbständige Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im
internationalen Verkehr erhalten hat.
|
|
|
18
|
aa) Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010 können ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen
dieses Artikels unter anderem Vergütungen für
unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs im
internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat
besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen
Geschäftsleitung des (Luftfahrt-)Unternehmens befindet
(Unternehmensstaat); werden die Vergütungen im
Unternehmensstaat nicht besteuert, so können sie im
Ansässigkeitsstaat besteuert werden (Art. 15 Abs. 3 Satz 2
DBA-Schweiz 1971/2010).
|
|
|
19
|
Zu der Tätigkeit, die nach Art. 15 Abs. 3
Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 an Bord eines Luftfahrzeugs im
internationalen Verkehr ausgeübt wird, zählen dabei nicht
nur die Tätigkeiten an Bord des Luftfahrzeugs selbst, sondern
auch die Aufgaben an Land oder am Boden, wenn diese der Arbeit an
Bord dienen oder der eigentlichen Arbeit an Bord inhaltlich
verbunden sind (s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
20.05.2015 - I R 47/14, BFHE 250, 87, BStBl II 2015, 808 = SIS 15 18 61, Rz 18).
|
|
|
20
|
Im Streitfall ergibt sich mithin hinsichtlich
der Vergütungen, die der Kläger für die
Tätigkeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen
Verkehr und für die damit zusammenhängenden Aufgaben an
Land oder Boden erzielt hat, ein Besteuerungsrecht der Schweiz.
Denn der Ort der Geschäftsleitung der I AG liegt in der
Schweiz. Die Schweiz war mithin in den Streitjahren der
Unternehmensstaat im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010.
|
|
|
21
|
bb) Dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 lässt sich indes nicht entnehmen, dass
diese Einkünfte „nur“ in dem
Unternehmensstaat (hier der Schweiz) besteuert werden dürfen.
Die Regelung spricht allein das Besteuerungsrecht des
Unternehmensstaats an. Die Vorschrift ist auch nur hinsichtlich
derjenigen Regelungen in Art. 15 Abs. 1 und 2 DBA-Schweiz 1971/2010
lex specialis, die das Besteuerungsrecht des Vertragsstaats regeln,
der der Unternehmensstaat ist. Das Besteuerungsrecht des
Ansässigkeitsstaats (hier Deutschland) wird von Art. 15 Abs. 3
Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht berührt (s. BFH-Urteile vom
22.10.2003 - I R 53/02, BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 = SIS 03 53 45, unter II.3.a und vom 10.01.2012 - I R 36/11 = SIS 12 15 77, Rz 14).
|
|
|
22
|
cc) Auch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz
1971/2010 ergibt sich kein ausschließliches Besteuerungsrecht
der Schweiz. Die Regelung lässt nicht den Umkehrschluss zu,
dass die Vergütungen nur dann im Ansässigkeitsstaat
besteuert werden dürfen, wenn sie im Unternehmensstaat nicht
besteuert werden. Da Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010
das Entstehen sogenannter weißer Einkünfte verhindern
soll, bestünde ohne diese Regelung eine
Besteuerungslücke, falls der Vertragsstaat, der
Unternehmensstaat ist, von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch
macht und der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte ganz oder
teilweise nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz
1971/2010 freistellen müsste. Gewollte Rechtsfolge des Art. 15
Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ist somit eine Ausweitung des
Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaats. Dies und die
Tatsache, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 2 an Art. 15 Abs. 3 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 anknüpft und dieser das
Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats nicht berührt,
sprechen dafür, auch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz
1971/2010 keine Einschränkung des Besteuerungsrechts des
Ansässigkeitsstaats abzuleiten (BFH-Urteil vom 10.01.2012 - I
R 36/11 = SIS 12 15 77, Rz
15).
|
|
|
23
|
4. Die Ausübung des hiernach bestehenden
Besteuerungsrechts bestimmt sich, soweit es um die
streitgegenständlichen Einkünfte des Klägers geht,
daher nach Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010.
|
|
|
24
|
a) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d
DBA-Schweiz 1971/2010 werden bei einer in Deutschland
ansässigen Person die aus der Schweiz stammenden
Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Art. 15
DBA-Schweiz 1971/2010 - mit Ausnahme der im Streitfall nicht in
Betracht kommenden Einkünfte im Sinne des Art. 17 DBA Schweiz
1971/2010 - von der Bemessungsgrundlage der deutschen
Einkommensteuer ausgenommen, wenn sie nach den dem Art. 24
voranstehenden Artikeln des DBA-Schweiz 1971/2010 in der Schweiz
besteuert werden können und die unselbständige Arbeit in
der Schweiz ausgeübt wird.
|
|
|
25
|
Im Falle einer solchen Freistellung werden
diese Einkünfte bei der Festsetzung des Satzes der Steuer auf
die Einkünfte, die nach dieser Vorschrift nicht von der
Bemessungsgrundlage auszunehmen sind, einbezogen (Freistellung mit
Progressionsvorbehalt; Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz
1971/2010 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Soweit die
Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorliegen, wird
bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften die
schweizerische Steuer nach Maßgabe der Vorschriften des
deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer
Steuern auf den Teil der deutschen Einkommensteuer angerechnet, der
auf diese Einkünfte entfällt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
DBA-Schweiz 1971/2010 i.V.m. § 34c EStG).
|
|
|
26
|
b) Danach sind die Einkünfte des
Klägers, die er für die Tätigkeit im Rahmen reiner
Inlandsflüge in der Schweiz erhalten hat, von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.
|
|
|
27
|
Wie unter II.3.a dargelegt, steht der Schweiz
als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für diese
Vergütungen nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Schweiz
1971/2010 zu; ebenfalls gilt diese Tätigkeit als in der
Schweiz ausgeübt.
|
|
|
28
|
c) Die Einkünfte des Klägers, die er
für die unselbständige Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs
im internationalen Verkehr erhalten hat, sind demgegenüber nur
insoweit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer
auszunehmen, als die Tätigkeit territorial auf dem Boden oder
im Luftraum über der Schweiz ausgeübt wurde. Nur soweit
der Kläger auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum
tätig geworden ist, gilt seine Tätigkeit im Sinne des
Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 als
„in der Schweiz ausgeübt“. Die
entsprechenden Tätigkeiten und der räumliche Bezug sind
im Einzelnen vom Kläger nachzuweisen.
|
|
|
29
|
aa) Ausgehend vom Territorialitätsprinzip
ist die Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen
Verkehr im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d
DBA-Schweiz 1971/2010 nicht bereits deshalb vollständig als
„in der Schweiz ausgeübt“
anzusehen, weil der jeweilige Flug in der Schweiz begonnen und
beendet worden ist.
|
|
|
30
|
Eine solche Auslegung lässt sich
insbesondere nicht aus Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010
ableiten.
|
|
|
31
|
Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010
können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat
ansässige Person für eine in dem anderen Vertragsstaat
ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im
Ansässigkeitsstaat besteuert werden, wenn der Empfänger
sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage
während des betreffenden Kalenderjahres aufhält, die
Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen
Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im Tätigkeitsstaat
ansässig ist, und die Vergütungen nicht von einer
Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden,
die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.
|
|
|
32
|
Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010
beinhaltet eine Ausnahmeregelung, die hauptsächlich für
von in einem Vertragsstaat ansässigen Unternehmen entsandte
Arbeitnehmer zur Anwendung kommt, beispielsweise für Monteure,
die in einem anderen Vertragsstaat eine Anlage errichten
(Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 45; Brandis in Wassermeyer Schweiz
Art. 15 Rz 45). Diese - für sich kurzzeitig im
Tätigkeitsstaat aufhaltende Arbeitnehmer gedachte - Ausnahme
soll der Tatsache Rechnung tragen, dass der Steuerpflichtige in
solchen Fällen die engere wirtschaftliche Bindung zu seinem
Wohnsitzstaat behält. Buchst. a der Vorschrift setzt daher
voraus, dass der Arbeitnehmer sich insgesamt nicht länger als
183 Tage während des betreffenden Kalenderjahres im
Tätigkeitsstaat aufhält.
|
|
|
33
|
Abgestellt wird auf die Aufenthaltsdauer, das
heißt die physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen im
Tätigkeitsstaat, nicht auf die Dauer der ausgeübten
Tätigkeit (Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 15 Rz
75; Reinhold in: Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Art. 15 OECD-MA
Rz 128). Für die Berechnung des 183-Tage-Zeitraums gelten
damit andere Grundsätze als für die Auslegung des
Tatbestandsmerkmals „in der Schweiz
ausgeübt[e]“ Arbeit in Art. 24 Abs. 1 Nr.
1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010, welches maßgeblich
auf die Dauer der konkreten unselbständigen im
Tätigkeitsstaat ausgeübten Arbeit für die
Besteuerung abstellt.
|
|
|
34
|
bb) Ebenso wenig kann für die Auslegung
des Tatbestandsmerkmals „in der Schweiz
ausgeübt[e]“ Arbeit in Art. 24 Abs. 1 Nr.
1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 die Regelung des Art. 15
Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 herangezogen werden. Anders als
der Kläger meint, gilt die unselbständige Arbeit, die -
wie hier - unter den Tatbestand des Art. 15 Abs. 3 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 fällt, nicht als ausschließlich im
Unternehmensstaat ausgeübt. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010 enthält keine derartige Fiktion des Arbeitsorts
(BFH-Urteile vom 22.10.2003 - I R 53/02, BFHE 204, 102, BStBl II
2004, 704 = SIS 03 53 45 und vom 10.01.2012 - I R 36/11 =
SIS 12 15 77, Rz 17; a.A.
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 94 und 98; zum Streitstand vgl.
z.B. Brandis in Wassermeyer Schweiz Art. 15 Rz 85, m.w.N.). Die
Regelung unterscheidet zwischen dem Arbeitsort „an
Bord“ eines Schiffes oder Luftfahrzeugs, der
sich in der Regel geographisch ständig ändert und oft
auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten liegt,
und dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des
Unternehmens. Das Besteuerungsrecht des Unternehmensstaats
knüpft gerade nicht an den geographischen Arbeitsort, sondern
unabhängig vom Ort der Ausübung der Arbeit an den Ort der
tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens an.
Rechtsfolge des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 ist
zwar ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht des
Unternehmensstaats, das dem Besteuerungsrecht des Vertragsstaats
entspricht, in dem die gesamte Arbeit ausgeübt wird; diese
Identität der Rechtsfolgen ändert aber nichts daran, dass
die Tatbestandsvoraussetzungen der Besteuerungsrechte sich
unterscheiden und der Unternehmensstaat nur insoweit
Tätigkeitsstaat im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 ist, als die Arbeit in dessen
Hoheitsgebiet ausgeübt wird (BFH-Urteile vom 22.10.2003 - I R
53/02, BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 = SIS 03 53 45, unter
II.4. und vom 10.01.2012 - I R 36/11 = SIS 12 15 77, Rz 17).
|
|
|
35
|
cc) Schließlich gebietet auch ein dem
Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 bzw. dem Art. 15 Abs. 3
DBA-Schweiz 1971/2010 innewohnender Vereinfachungsgedanke keine vom
Territorialitätsprinzip abweichende Auslegung.
|
|
|
36
|
Grenze für eine Vereinfachung durch die
Rechtsanwendung ist der Abkommenstext. Hätten die
Vertragsparteien des DBA-Schweiz 1971/2010 eine weitgehende
Vereinfachung der Rechtsanwendung hinsichtlich an Bord eines
Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr tätigen Personals
beabsichtigt, hätte es nahegelegen, die Regelung des
Verteilungsartikels Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 in den
Methodenartikel Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz
1971/2010 zu übernehmen. Da die Vertragsparteien dies nicht
getan haben, sondern es vielmehr uneingeschränkt bei der
abkommensrechtlichen Formulierung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 („vorausgesetzt, die Arbeit
wird in der Schweiz ausgeübt“) belassen
haben, ist hinsichtlich der internationalen Flüge eine
Abgrenzung der zeitlichen Anteile der Tätigkeitsdauer in der
Schweiz von den in anderen Staaten ausgeübten Zeitanteilen
für die Anwendung der Freistellungsmethode angeordnet worden
und mithin erforderlich.
|
|
|
37
|
Die entsprechenden Tätigkeitszeiten zu
ermitteln, liegt zudem nicht außerhalb der tatsächlichen
Möglichkeiten des Steuerpflichtigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
10.01.2012 - I R 36/11 = SIS 12 15 77, Rz 22).
|
|
|
38
|
dd) Bei der Feststellung der anteiligen
Tätigkeitszeiten des Klägers auf Schweizer Boden und im
Schweizer Luftraum während der die Arbeit im Sinne des Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 in der Schweiz
ausgeübt wurde, ist ausschließlich auf die konkreten
Arbeitstage abzustellen, wohingegen Urlaubs- und Krankheitstage bei
der Bestimmung des Umfangs der tatsächlichen
Arbeitsausübung außer Ansatz bleiben.
|
|
|
39
|
5. Die Vorinstanz ist zum Teil von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die Vorentscheidung ist daher
aufzuheben. Die Feststellungen des FG ermöglichen keine
abschließende Entscheidung des Streitfalls. Im zweiten
Rechtsgang wird das FG insbesondere festzustellen haben, welchen
zeitlichen Anteil seiner unselbständigen Tätigkeit der
Kläger territorial im Staatsgebiet oder im Luftraum der
Schweiz beziehungsweise außerhalb des Schweizer Territoriums
ausgeübt hat.
|
|
|
40
|
Legt der Kläger insoweit
aussagekräftige Unterlagen nicht vor, hat das FG die
entsprechenden zeitlichen Anteile der Arbeitsausübung unter
Beachtung der angeführten Rechtsgrundsätze zu
schätzen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1
und Abs. 2 Satz 1 AO). Dabei wird es jedoch gegebenenfalls das im
finanzgerichtlichen Verfahren geltende Verböserungsverbot zu
beachten haben.
|
|
|
41
|
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|