Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24.06.2021 - 1
K 3047/19 = SIS 23 16 48
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Baden-Württemberg zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten über die
Frage, inwieweit der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) mit (der Überlassung von Flugzeugen und) der
Erteilung von Flugunterricht steuerfreie Leistungen erbringt, die
den Vorsteuerabzug ausschließen.
|
|
|
2
|
Der Kläger ist ein gemeinnütziger
Verein, der die Förderung des Luftsports bezweckt. Im Jahr
2015 erwarb er ein einmotoriges Flugzeug, das er zum einen seinen
Mitgliedern gegen Entgelt zum Fliegen überließ. Zum
anderen verwendete der Kläger das Flugzeug in den Jahren 2016
und 2017 (Streitjahre) in der Ausbildung von Flugschülern zum
Erwerb der Privatpilotenlizenz (Private Pilot Licence -
„PPL“ - ). Bereits seit dem Jahr 2015
verfügte der Kläger über eine vom Luftfahrtverband X
e.V. erteilte Erlaubnis, derartige Ausbildungslehrgänge
durchzuführen.
|
|
|
3
|
Jedenfalls seit Oktober 2016 wiesen die
Rechnungen des Klägers an die Flugschüler das Entgelt
für die Überlassung des Flugzeugs
(„Flugzeitgebühr Schüler“
einschließlich einer Landegebühr) - unter Ausweis des
ermäßigten Steuersatzes - sowie das Entgelt für den
Flugunterricht („Aufwandsentschädigung
Ausbildung“) - ohne Umsatzsteuerausweis -
getrennt aus.
|
|
|
4
|
In seiner Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr 2016 erklärte der Kläger
dementsprechend die Umsätze aus der Überlassung des
Flugzeugs als Umsätze zum ermäßigten Steuersatz und
die Umsätze aus dem Flugunterricht als steuerfreie
Umsätze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -
) vertrat dagegen die Auffassung, die Überlassung des
Flugzeugs an die Flugschüler stelle zusammen mit dem
Flugunterricht eine einheitliche Leistung dar, die insgesamt
steuerfrei sei, und erließ einen Umsatzsteuerbescheid
für das Streitjahr 2016, in dem er den im Jahr 2015 geltend
gemachten Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Flugzeugs in Höhe
des Anteils der steuerfreien Verwendung um … EUR
berichtigte. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.
|
|
|
5
|
Während des Einspruchsverfahrens gegen
den Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2016 erfolgte
für beide Streitjahre eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung.
Der Prüfer gelangte wie das FA zu der Auffassung, die
Flugzeugüberlassung sei - als einheitliche Leistung zusammen
mit dem Flugunterricht - steuerfrei. Zudem schulde der Kläger
die Umsatzsteuer auf diese Umsätze nach § 14c des
Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung
(UStG), denn er habe die Steuer in seinen Rechnungen unrichtig
ausgewiesen. Die vorzunehmende Kürzung der steuerpflichtigen
Umsätze und die Annahme einer Steuerschuld aus § 14c Abs.
1 UStG glichen sich in beiden Streitjahren aus. Für das
Streitjahr 2017 ermittelte der Prüfer eine
Vorsteuerberichtigung wegen der von ihm angenommenen steuerfreien
Verwendung des Flugzeugs in Höhe von … EUR.
Darüber hinaus war der Prüfer der Auffassung, dass
weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von … EUR
für das Streitjahr 2016 und in Höhe von … EUR
für das Streitjahr 2017 nicht zum Abzug zuzulassen
seien.
|
|
|
6
|
Das FA erließ einen entsprechenden
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr 2016.
Nachdem der Kläger für das Jahr 2017 keine
Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, erließ es zudem
einen Bescheid über die Festsetzung der
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 4. Kalendervierteljahr
2017, in dem es die Feststellungen der Außenprüfung
für das Streitjahr 2017 berücksichtigte. Der Kläger
legte auch hiergegen Einspruch ein. Während dieses
Einspruchsverfahrens erließ das FA einen
Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2017.
|
|
|
7
|
Die Einsprüche des Klägers
blieben ohne Erfolg.
|
|
|
8
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2023, 1425 = SIS 23 16 48 veröffentlichten Urteil ab. Wie der Flugunterricht
sei auch die Überlassung des Flugzeugs nach § 4 Nr. 22
Buchst. a UStG steuerfrei, denn es handele sich um eine
unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Flugunterricht.
Das FA habe daher zu Recht den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des
Flugzeugs in den Streitjahren berichtigt, die übrigen
Vorsteuerbeträge um den Anteil der steuerfreien Verwendung
gekürzt und eine Steuerschuld für die in den Rechnungen
offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG
angenommen.
|
|
|
9
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
10
|
Er macht geltend, das FG habe zu Unrecht
angenommen, der - als eigenständige Leistung anzusehende -
Flugunterricht sei nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei,
und habe deshalb rechtsfehlerhaft den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb
des Flugzeugs berichtigt sowie den Vorsteuerabzug aus den laufenden
Kosten des Flugzeugs versagt. In unionsrechtskonformer Auslegung
(Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - )
verlange die Steuerbefreiung ein integriertes System der
Kenntnisvermittlung sowie ein breites und vielfältiges
Spektrum von Stoffen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - A & G Fahrschul-Akademie vom
14.03.2019 - C-449/17, EU:C:2019:202 = SIS 19 01 90). Daran fehle es bei dem hier in
Rede stehenden Flugunterricht. Ebenso fehle bei der Flugausbildung
im Streitfall ein konkreter Bezug zu einem Beruf, da die von den
Flugschülern angestrebte Lizenz keinen Bezug zu den Lizenzen
für Berufspiloten habe, sondern nur den
„Hobbypiloten“ diene.
|
|
|
11
|
Der Kläger beantragt,
|
|
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der
Einspruchsentscheidung vom 07.11.2019 die Umsatzsteuerbescheide
2016 vom 14.08.2018 und 2017 vom 12.09.2018 dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2016 um
… EUR und für das Jahr 2017 um … EUR
herabgesetzt wird.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
Es stützt die Auffassung des FG, das
zutreffend eine einheitliche steuerfreie Leistung angenommen habe.
Die Flugausbildung gehe über eine bloße
Freizeitgestaltung hinaus, insbesondere handele es sich angesichts
der vermittelten Inhalte und des zeitlichen Umfangs der Ausbildung
um ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und
Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges
Spektrum von Stoffen. Es seien an die Steuerfreiheit der
Unterrichtsleistungen keine überzogenen Anforderungen zu
stellen.
|
|
|
14
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
15
|
1. Das FG hat zwar in revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise angenommen, dass die zum Zwecke des
Unterrichts erfolgende Überlassung des Flugzeugs zusammen mit
dem Unterricht eine einheitliche Leistung (Flugunterricht)
darstellt.
|
|
|
16
|
2. Allerdings ist das FG rechtsfehlerhaft
davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche
Flugunterricht steuerfrei ist, und hat deshalb zu Unrecht den
Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Flugzeugs berichtigt sowie den
Vorsteuerabzug aus den mit der Flugzeugüberlassung im
Zusammenhang stehenden Kosten versagt.
|
|
|
17
|
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
kann der Unternehmer als Vorsteuer die gesetzlich geschuldete
Steuer für Leistungen abziehen, die von einem anderen
Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt wurden.
Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer
für steuerfreie Umsätze verwendet. Dies beruht
unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a MwStSystRL (vgl. z.B.
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 02.12.2015 - V R 15/15,
BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486 = SIS 16 05 55, Rz 14; vom
16.12.2020 - XI R 13/19, BFHE 272, 185, BStBl II 2022, 389 = SIS 21 07 30, Rz 24; vom 07.12.2023 - V R 15/21, BFHE 283, 175, BStBl II
2024, 503 = SIS 24 04 54, Rz 12).
|
|
|
18
|
Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das
- wie hier - nicht nur einmalig zur Ausführung von
Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den
ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden
Verhältnisse, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG für
jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine
Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29.04.2020 - XI R 14/19, BFHE 268, 474,
BStBl II 2020, 613 = SIS 20 11 04, Rz 14; vom 27.10.2020 - V R
20/20 (V R 61/17), BFHE 271, 257, BStBl II 2022, 575 = SIS 21 02 81, Rz 14; jeweils m.w.N. zur unionsrechtlichen Grundlage).
|
|
|
19
|
b) Der im Streit stehende Vorsteuerabzug ist
weder nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen noch nach
§ 15a UStG zu berichtigen; denn der Flugunterricht ist -
anders als das FA und das FG meinen - steuerpflichtig.
|
|
|
20
|
aa) Der Flugunterricht ist nicht
gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei. Danach
sind die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen
wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen
Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und
Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen,
die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines
Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die
Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden,
steuerfrei.
|
|
|
21
|
(1) Die Vorschrift ist entsprechend Art. 132
Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen
(ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 30.06.2022 - V
R 32/21 (V R 31/17), BFHE 277, 519 = SIS 22 18 60, Rz 12; vom
17.11.2022 - V R 33/21 (V R 26/18), BFHE 279, 253 = SIS 23 01 66,
Rz 22 f.). Von der Steuer zu befreien sind danach nur die
Veranstaltungen im Sinne des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, die -
was im Streitfall in Betracht kommt - als Schul- und
Hochschulunterricht sowie als Aus- und Fortbildung oder berufliche
Umschulung anzusehen sind.
|
|
|
22
|
(2) Nach den tatsächlichen Feststellungen
des FG ist der Flugunterricht nicht als „Schul- oder
Hochschulunterricht“ nach § 4 Nr. 22
Buchst. a UStG steuerfrei.
|
|
|
23
|
(a) Unter welchen Voraussetzungen
„Schul- oder Hochschulunterricht“ im
Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL vorliegt, hat der
EuGH in den Urteilen A & G Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 -
C-449/17, EU:C:2019:202 = SIS 19 01 90 und Dubrovin & Tröger - Aquatics vom 21.10.2021 -
C-373/19, EU:C:2021:873 = SIS 21 17 23 sowie im Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst
vom 07.10.2019 - C-47/19, EU:C:2019:840 = SIS 19 18 41 geklärt. Danach verweist der
„Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts (…)
allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von
Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und
vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und
Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die
Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer
Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden
Stufen“ (vgl. EuGH-Urteile A & G
Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 - C-449/17, EU:C:2019:202 =
SIS 19 01 90, Rz 26; Dubrovin &
Tröger - Aquatics vom 21.10.2021 - C-373/19, EU:C:2021:873 =
SIS 21 17 23, Rz 28;
EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 07.10.2019
- C-47/19, EU:C:2019:840 = SIS 19 18 41, Rz 30). Die Steuerbefreiung einer Unterrichtsleistung
setzt somit das Vorliegen eines integrierten Systems sowie eines
breiten und vielfältigen Spektrums von Stoffen voraus. Nicht
erfasst als „spezialisierter“ Unterricht
sind daher zum Beispiel Fahrschulunterricht (vgl. EuGH-Urteil A & G
Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 - C-449/17, EU:C:2019:202 =
SIS 19 01 90), Surf- und
Segelunterricht (vgl. EuGH-Beschluss Finanzamt
Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 07.10.2019 - C-47/19, EU:C:2019:840
= SIS 19 18 41) oder
Schwimmunterricht (vgl. EuGH-Urteil Dubrovin & Tröger -
Aquatics vom 21.10.2021 - C-373/19, EU:C:2021:873 = SIS 21 17 23).
|
|
|
24
|
(b) Die 120 Stunden Theorie und mindestens 45
Flugstunden, die nach den Feststellungen des FG im Rahmen des
Unterrichts erbracht wurden, mögen den Teilnehmern zwar
erhebliche zeitliche Kapazitäten abverlangen. Auch mag der
Stoff, der im Einzelnen vermittelt wurde (Luftrecht, Navigation,
Meteorologie, Technik, Verhalten in besonderen Fällen,
Flugfunkausbildung, menschliches Leistungsvermögen),
umfangreich sein. Er stellt jedoch kein integriertes System in
Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen
dar. Vielmehr zielt all dies darauf ab, das Fliegen mit Flugzeugen
zu erlernen und sicher zu beherrschen. Er ist daher - ebenso wie
Fahrschulunterricht (EuGH-Urteil A & G Fahrschul-Akademie vom
14.03.2019 - C-449/17, EU:C:2019:202 = SIS 19 01 90) oder Segelunterricht (vgl.
EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 07.10.2019
- C-47/19, EU:C:2019:840 = SIS 19 18 41) - ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht,
der die Fähigkeit vermittelt, ein Fahrzeug (hier:
Luftfahrzeug, § 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes) zu
führen.
|
|
|
25
|
(3) Der Flugunterricht ist auch nicht als Aus-
oder Fortbildung oder als berufliche Umschulung steuerfrei.
|
|
|
26
|
(a) Nach Art. 44 Satz 1 der
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom
15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur
Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem - MwSt-DVO - umfassen die Dienstleistungen der
Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung im Sinne des
Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL Schulungsmaßnahmen mit
direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche
Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung
beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung
oder beruflichen Umschulung ist hierfür zwar unerheblich (Art.
44 Satz 2 MwSt-DVO; vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2021 - V R 31/21 (V R
32/18), BFHE 275, 435 = SIS 22 03 25, Rz 26).
|
|
|
27
|
(b) Ein direkter Bezug der Flugausbildung zu
einem Gewerbe oder einem Beruf oder ein Dienen des Erwerbs oder der
Erhaltung beruflicher Kenntnisse scheidet indes im Streitfall aus.
Zwar ist dies grundsätzlich auch im Bereich von Flugschulen
vorstellbar, soweit es beispielsweise um Unterricht geht, der
Kenntnisse vermittelt, um die Verkehrspilotenlizenz (Airline
Transport Pilot Licence - „ATPL“ - ) zu
erwerben. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des
FG (§ 118 Abs. 2 FGO) betraf der Flugunterricht des
Streitfalls aber die Erlangung einer Privatpilotenlizenz für
„Hobbyflieger“
(„PPL“). Diese ist keine Voraussetzung
für eine entsprechende Berufsausbildung, auch wenn die
erlangten Kenntnisse im Einzelfall auch für berufliche Zwecke
nützlich sein mögen.
|
|
|
28
|
bb) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22
Buchst. b UStG liegen ebenfalls nicht vor.
|
|
|
29
|
(1) Wie es sich bei der Überlassung von
Flugzeugen eines Luftsportvereins an seine Mitglieder nicht um eine
sportliche Veranstaltung im Sinne von § 4 Nr. 22 Buchst. b
UStG handelt (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.2007 - V R 27/04, BFHE 217,
314 = SIS 07 31 80, unter II.3.a), so ist auch die Erteilung von
Flugunterricht mangels „Veranstaltung“
nicht nach dieser Vorschrift steuerbefreit.
|
|
|
30
|
(2) Aus dem Unionsrecht folgt nichts
Abweichendes. Nach der Rechtsprechung kommt Art. 132 Abs. 1 Buchst.
m MwStSystRL, der unionsrechtliche Grundlage des § 4 Nr. 22
Buchst. b UStG ist, keine unmittelbare Wirkung zu, so dass sich ein
Steuerpflichtiger auf diese Bestimmung nicht unmittelbar berufen
kann (vgl. EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling vom 10.12.2020 -
C-488/18, EU:C:2020:1013 = SIS 20 20 99, Rz 36 f.; BFH-Urteile vom 15.12.2021 - XI R 31/21 (XI R
6/18), BFH/NV 2022, 920 = SIS 22 11 47, Rz 34; vom 21.04.2022 - V R
48/20 (V R 20/17), BFHE 276, 394 = SIS 22 07 51, Rz 17 ff.).
|
|
|
31
|
cc) Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung
nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind ebenfalls
nicht erfüllt.
|
|
|
32
|
Danach sind die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei,
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie
auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereiten. Daran fehlt es hier.
|
|
|
33
|
c) Danach kann der Kläger die
Umsatzsteuer aus dem Erwerb des Flugzeugs ebenso in voller
Höhe als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
abziehen wie diejenige aus den laufenden Kosten für das
Flugzeug. Denn diese Eingangsleistungen stehen auch in dem Umfang,
in dem das FA sie gekürzt hat, in direktem und unmittelbarem
Zusammenhang zu dem steuerpflichtigen Flugunterricht, der das Recht
auf den Vorsteuerabzug eröffnet (vgl. z.B. EuGH-Urteile
Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14.09.2017 -
C-132/16, EU:C:2017:683 = SIS 17 16 05, Rz 28; Vos Aannemingen vom 01.10.2020 - C-405/19,
EU:C:2020:785 = SIS 20 14 44, Rz
25; BFH-Urteil vom 16.12.2020 - XI R 13/19, BFHE 272, 185, BStBl II
2022, 389 = SIS 21 07 30, Rz 59).
|
|
|
34
|
3. Das Urteil des FG, das die Voraussetzungen
der Steuerfreiheit des hier in Rede stehenden Umsatzes
rechtsfehlerhaft bejaht hat, ist aufzuheben. Die Sache ist indes an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen. Da die Höhe der vom Kläger
begehrten abziehbaren Vorsteuerbeträge nach den
tatsächlichen Feststellungen des FG nicht nachgeprüft
werden kann, fehlt die Spruchreife.
|
|
|
35
|
a) Zwar steht die Höhe des begehrten
Vorsteuerabzugs zwischen den Beteiligten insoweit nicht im Streit,
als er die in den Streitjahren vom FA vorgenommene Berichtigung des
Vorsteuerabzugs aus dem Erwerb des Flugzeugs betrifft (… EUR
für 2016 und … EUR für 2017). Allerdings geht der
Revisionsantrag (wie auch schon der Klageantrag) hierüber
hinaus, da der Kläger weitere Vorsteuerbeträge in
Höhe von insgesamt … EUR für 2016 und … EUR
für 2017 geltend macht.
|
|
|
36
|
b) Dem erkennenden Senat fehlen Feststellungen
dazu, weshalb dem Kläger der Vorsteuerabzug insoweit vom FA
versagt wurde. Das FG hat lediglich angenommen (FG-Urteil, S. 6),
die weitere Vorsteuerberichtigung betreffe „wohl u.a.
Vorsteuern aus den Landegebühren, die dem Kläger in
Rechnung gestellt worden sind, als auch Vorsteuern aus den
laufenden Aufwendungen für das Flugzeug, die der Prüfer
in Höhe des steuerfreien Anteils (…) nicht für
abziehbar hielt (…)“, und weiter
ausgeführt, „[d]ie weiteren nicht berücksichtigten
Vorsteuern betreffen wohl andere, hier nicht streitige Sachverhalte
(…). Die betragsmäßig größte
Vorsteuerkürzung in 2017 von … EUR ist bei einem
anderen Flugzeug (…) vorgenommen worden
(…)“. Auf dieser Grundlage ist dem
Senat ein Durcherkennen nicht möglich.
|
|
|
37
|
c) Die dazu nötigen Feststellungen hat
das FG insoweit im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
|
|
|
38
|
4. Im zweiten Rechtsgang wird das FG
außerdem zu prüfen haben, ob die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes des § 12 Abs. 2 Nr. 8
Buchst. a UStG, der unionsrechtlich auf Art. 98 Abs. 1 und 2
MwStSystRL beruht, auf die Umsätze des Klägers zu Recht
erfolgt ist (vgl. BFH-Urteile vom 23.07.2019 - XI R 2/17, BFHE 266,
91 = SIS 19 16 88, Rz 17 f.; vom 26.08.2021 - V R 5/19, BFHE 274,
284 = SIS 21 19 62, Rz 49 ff.; vom 03.08.2022 - XI R 11/19, BFHE
277, 33, BStBl II 2023, 202 = SIS 22 21 68, Rz 14; vom 17.11.2022 -
V R 33/21 (V R 26/18), BFHE 279, 253 = SIS 23 01 66, Rz 26 ff.; vom
05.04.2023 - V R 14/22, BFHE 280, 348 = SIS 23 11 93, Rz 14 ff.;
vom 18.10.2023 - XI R 4/20, BFHE 282, 161 = SIS 24 03 53, Rz 28
f.). Der Umstand, dass Anh. III Nr. 15 MwStSystRL nach den
Streitjahren durch die Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom
05.04.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU)
2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze (Amtsblatt der
Europäischen Union Nr. L 107 vom 06.04.2022, S. 1)
geändert wurde, hat auf die Streitjahre keine Auswirkungen
(vgl. BFH-Urteil vom 05.03.2023 - V R 14/22, BFHE 280, 348 = SIS 23 11 93, Rz 15 ff.).
|
|
|
39
|
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
|