Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 11.05.2023 - 4 K
401/22 und die Einspruchsentscheidung vom 14.07.2022
aufgehoben.
Die Bescheide über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012
und 2013 vom 18.03.2022 werden dahingehend geändert, dass die
Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen in Höhe von jeweils
… EUR als steuerfreie Einnahmen behandelt werden.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen werden nicht erstattet.
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I. Streitig ist, ob die bei der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den
Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) als Sonderbetriebseinnahmen
erfassten Aufwandsentschädigungen aus der ehrenamtlichen
Tätigkeit des A (Beigeladener) als Präsident der X in
voller Höhe nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.
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Die Klägerin ist eine GbR und
Freiberufler-Sozietät. Die Einkünfte aus
selbständiger Arbeit für die Streitjahre wurden gesondert
und einheitlich festgestellt.
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Der Beigeladene ist Mitgesellschafter der
Klägerin und war in den Streitjahren ehrenamtlich als
Präsident der X tätig. Die X ist eine Körperschaft
des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung
der X - Satzung - ). Nach § 14 Abs. 1 der Satzung sind die
Mitglieder des Vorstandes ehrenamtlich tätig. Nach § 14
Abs. 2 der Satzung kann dem Präsidenten durch den Vorstand
eine Aufwandsentschädigung gewährt werden. Die an den
Beigeladenen auf dieser Grundlage gezahlten
Aufwandsentschädigungen betrugen in den Streitjahren jeweils
… EUR.
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Die Tätigkeit des Beigeladenen
für die X umfasste im Streitjahr 2012 volle 24 Tage und im
Streitjahr 2013 volle 21 Tage. Zudem hatte der Beigeladene fast
täglich weitere Termine im Rahmen seiner Tätigkeit als
Präsident (Telefonate und kurzfristig anberaumte
Besprechungen). Mandantentermine für die Sozietät mussten
deswegen regelmäßig verschoben werden. Für die
Tätigkeit als Präsident legte er pro Jahr mindestens
7.000 km mit dem eigenen Personenkraftwagen zurück. Ihm
standen gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung
antragsgebundene Aufwendungserstattungsansprüche für
nachgewiesene Reisekosten, Fahrtkosten in Höhe eines
üblichen Kilometergelds, für die Kosten einer
Wegeunfallversicherung und für eine Assessorenvertretung in
der Sozietät bei Veranstaltungen der X an Werktagen zu. Den
Anspruch auf Ersatz seiner Fahrtkosten machte der Beigeladene
gegenüber der X in den Streitjahren nicht geltend.
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Im Innenverhältnis hatte der
Beigeladene die laufenden Betriebsausgaben der Klägerin
entsprechend seinem Gewinnanteil hälftig zu tragen. Es
entfielen danach auf ihn für das Jahr 2012 Betriebsausgaben in
Höhe von … EUR (bei 252 Arbeitstagen waren dies
durchschnittlich circa … EUR pro Arbeitstag) und für
das Jahr 2013 in Höhe von … EUR (bei 251 Arbeitstagen
waren dies durchschnittlich circa … EUR pro
Arbeitstag).
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Der Beigeladene erklärte die von der X
erhaltenen Aufwandsentschädigungen ursprünglich im Rahmen
seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre und
machte dort geltend, sie seien gemäß § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG steuerfrei. Die nach erfolglosen Einsprüchen gegen
seine Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 erhobene Klage wies
das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 13.09.2017 - 3 K 170/17 ab.
Die Begründung ist in EFG 2018, 543
veröffentlicht.
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Auf die Revision des Beigeladenen hat der
erkennende Senat das FG-Urteil vom 13.09.2017 - 3 K 170/17 mit
Urteil vom 29.09.2020 - VIII R 5/18 (nicht veröffentlicht -
n.v. - ) wegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des
Verfahrens aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Einnahmen
aus der Aufwandsentschädigung für 2012 seien nicht als
einzelunternehmerische Einkünfte des Beigeladenen aus
selbständiger Arbeit, sondern als Sonderbetriebseinnahmen auf
Ebene der Sozietät zu behandeln. Im Rahmen der Feststellung
dieser Einkünfte sei auch über die Gewährung der
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu entscheiden.
Das FG müsse daher das Klageverfahren bis zum Abschluss des
vorgreiflichen Feststellungsverfahrens gemäß § 74
der Finanzgerichtsordnung (FGO) aussetzen. Für das Streitjahr
2013 wurde das FG-Urteil aus anderen verfahrensrechtlichen
Gründen aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das FG die Klage
des Beigeladenen gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre
erneut abgewiesen. Hiergegen hat der Beigeladene Revision erhoben,
die unter dem Aktenzeichen VIII R 19/21 beim Senat anhängig
ist. Das Revisionsverfahren VIII R 19/21 ist durch Senatsbeschluss
vom 21.12.2023 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden
Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt worden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) erließ im Anschluss an das Senatsurteil
vom 29.09.2020 - VIII R 5/18 am 18.03.2022 geänderte Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre. Die
Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit als
Präsident wurden abzüglich eines steuerfreien Betrags von
2.100 EUR (2012) und 2.400 EUR (2013) als Sonderbetriebseinnahmen
des Beigeladenen erfasst. Die vom FA als steuerfrei anerkannten
Teilbeträge der Aufwandsentschädigung in den Streitjahren
(2.100 EUR für 2012 und 2.400 EUR für 2013) entsprachen
den in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) zu § 3 Nr. 12 (R 3.12
Abs. 3 Satz 3 LStR) festgelegten Pauschalbeträgen für
übliche Aufwendungen von mit dem Beigeladenen vergleichbaren
Personen und überstiegen aus Sicht des FA auch nicht die vom
Beigeladenen selbst getragenen Fahrtkosten.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat
die Klägerin Klage erhoben, die das FG abgewiesen hat. Das FA
habe zu Recht die in den jeweiligen Lohnsteuer-Richtlinien
vorgesehenen Pauschalbeträge von monatlich 175 EUR für
2012 und 200 EUR für 2013 zur Bemessung des typischerweise
entstehenden und steuerfrei ersetzbaren Aufwands von Personen in
gleicher dienstlicher Stellung herangezogen. Die selbst getragenen
Fahrtkosten des Beigeladenen seien steuerfrei ersetzt worden.
Für den die Pauschalbeträge übersteigenden Teil der
Aufwandsentschädigung fehle es an einem
berücksichtigungsfähigen und steuerfrei ersetzbaren
Aufwand. Die anteilig vom Beigeladenen getragenen Kosten für
die Aufrechterhaltung des Sozietätsbetriebs seien
„Sowieso-Kosten“, die nicht wie
erforderlich unmittelbar durch die ehrenamtliche Tätigkeit
veranlasst seien. Die gewährten Aufwandsentschädigungen
seien insoweit mit Verdienstausfallentschädigungen
vergleichbar, die gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Halbsatz
2 EStG nicht steuerfrei seien. Das Urteil des FG ist nicht
veröffentlicht worden.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts in Gestalt
von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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das Urteil des Thüringer FG vom
13.09.2023 - 4 K 401/22 und die Einspruchsentscheidung vom
14.07.2022 aufzuheben sowie die Bescheide vom 18.03.2022 über
die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2012 und 2013 dahingehend zu
ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen
für seine Tätigkeit als Präsident der X in voller
Höhe als steuerfreie Einnahmen behandelt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Der vom Senat gemäß § 123
Abs. 1 Satz 2 FGO im Revisionsverfahren Beigeladene hat sich nicht
geäußert und keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist begründet. Dies
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision ist nicht
wegen einer fehlenden Klagebefugnis der Klägerin
unbegründet (dazu II.1.). Das FG hat zu Unrecht die als
Sonderbetriebseinnahmen erfassten Aufwandsentschädigungen des
Beigeladenen nicht in voller Höhe gemäß § 3
Nr. 12 Satz 2 EStG als steuerfrei behandelt (dazu II.2.). Die Sache
ist auch spruchreif (dazu II.3.).
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1. Ob in den Fällen der Anfechtung eines
gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheids eine
Klagebefugnis gemäß § 48 FGO eines Beteiligten
besteht, betrifft die Prozessführungsbefugnis als
Sachentscheidungsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens,
deren Fehlen vom Revisionsgericht auch ohne Verfahrensrüge von
Amts wegen zu beachten ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 22.11.1988 - VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326
= SIS 89 15 57, unter II.1.). Ein solcher Verfahrensmangel liegt
indes nicht vor. Die Klagebefugnis der Klägerin ist nicht
aufgrund der Rechtsänderungen zum 01.01.2024 durch das
Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023 (BGBl 2023 I
Nr. 411) eingeschränkt worden oder entfallen.
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a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die
Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des
Beigeladenen gemäß § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. §
15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, soweit sie auf die ehrenamtliche
Tätigkeit entfallen (zur selbständigen Anfechtbarkeit der
Feststellung der Sonderbetriebseinnahmen vgl. z.B. BFH-Urteile vom
29.01.2020 - VIII R 11/17, BFHE 268, 186, BStBl II 2020, 445 = SIS 20 07 79, Rz 13; vom 16.03.2017 - IV R 31/14, BFHE 257, 292, BStBl
II 2019, 24 = SIS 17 10 23, Rz 18, m.w.N.; vom 29.09.2020 - VIII R
5/18, n.v., unter II.1.c).
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b) Umfasst von der angefochtenen Feststellung
zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen ist auch die
materiell-rechtliche Vorfrage, ob die Sonderbetriebseinnahmen
gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei sind. Der
eigenständigen Feststellung eines gemäß § 3
Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Betrags neben der Feststellung der
Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen (sogenannte
„Bruttofeststellung“) bedarf es jedoch
nicht. Sonderbetriebseinnahmen sind gemäß § 180
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO)
grundsätzlich „netto“, also nach
Anwendung der Steuerbefreiung, festzustellen (vgl. BFH-Urteile vom
25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142 = SIS 19 13 99, Rz 21; vom 16.11.2023 - IV R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II
2024, 367 = SIS 24 03 56, Rz 29). Ein Bedürfnis dafür,
statt des unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung
verbleibenden Betrags der Sonderbetriebseinnahmen im Wege einer
Bruttofeststellung der Besteuerungsgrundlagen - wie in bestimmten
Fällen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40,
§ 3c Abs. 2 EStG und § 8b des
Körperschaftsteuergesetzes, s. BFH-Urteile vom 06.02.2020 - IV
R 5/18, BFHE 268, 199, BStBl II 2020, 448 = SIS 20 04 94, Rz 30;
vom 25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142 =
SIS 19 13 99, Rz 23 f.) - den Betrag der Sonderbetriebseinnahmen
und daneben den gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
steuerfreien Teilbetrag eigenständig festzustellen, ist nicht
ersichtlich.
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c) Die Klägerin ist als gesetzliche
Prozessstandschafterin der Feststellungsbeteiligten hinsichtlich
der Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des
Beigeladenen auch nach dem 31.12.2023 klagebefugt.
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aa) Bis zum 31.12.2023 richtete sich die
Klagebefugnis der Klägerin als gesetzliche
Prozessstandschafterin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO und die des
Beigeladenen nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO (vgl. BFH-Urteil vom
16.11.2023 - IV R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II 2024, 367 = SIS 24 03 56, Rz 30).
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bb) Mit Inkrafttreten des § 48 FGO i.d.F.
des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom
22.12.2023 (BGBl 2023 I Nr. 411) - FGO n.F. - richtet sich die
Klagebefugnis der Klägerin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst.
a FGO n.F. Diese Regelung ist am 01.01.2024 in Kraft getreten und
gilt auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits
anhängige Klageverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2024 - IV
R 1/20 = SIS 24 16 62, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt, Rz 25, m.w.N. zum Streitstand). Dem schließt sich
der erkennende Senat an (noch offen gelassen im BFH-Urteil vom
16.04.2024 - VIII R 3/21, BStBl II 2024, 902 = SIS 24 11 73, Rz 37
f.).
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cc) Auch nach der geänderten Fassung des
§ 48 FGO ist die Klägerin klagebefugt. Gemäß
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO n.F. kann eine
rechtsfähige Personenvereinigung - wie im Streitfall die
Klägerin in der Rechtsform einer GbR (vgl. § 14a Abs. 2
Nr. 2 Alternative 1 AO) - gegen Bescheide über die gesonderte
und einheitliche Feststellung ihrer Besteuerungsgrundlagen und
sämtliche darin enthaltenen verfahrensrechtlich
eigenständigen Feststellungen als gesetzliche
Prozessstandschafterin Klage erheben. Auch der Beigeladene ist
gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO n.F. hinsichtlich der
angefochtenen Feststellung zur Höhe seiner
Sonderbetriebseinnahmen weiterhin klagebefugt, da mit dieser
Regelung die frühere Fassung der Vorschrift inhaltsgleich
fortgeführt wird (vgl. bereits BFH-Urteil vom 16.04.2024 -
VIII R 3/21, BStBl II 2024, 902 = SIS 24 11 73, Rz 37 bis 39 zu
§ 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO a.F./n.F.).
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2. Entgegen der Vorentscheidung sind die von
der X erhaltenen Aufwandsentschädigungen in voller Höhe
steuerfreie Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen. Das FG-Urteil
ist daher aufzuheben.
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Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind
Bezüge steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus
öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende
Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie
für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder
den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar
übersteigen. Die Voraussetzungen der Regelung sind entgegen
der Auffassung des FG erfüllt.
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a) Das FG und die Beteiligten sind zu Recht
davon ausgegangen, dass die X eine öffentliche Kasse im Sinne
des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ist, da es sich um die Kasse einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2
Satz 1 der Satzung) handelt (vgl. BFH-Urteil vom 28.03.2018 - I R
42/16, BFHE 261, 393, BStBl II 2019, 671 = SIS 18 12 16, Rz 11,
m.w.N.). Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen
ab.
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b) Die Aufwandsentschädigungen wurden an
den Beigeladenen auch als eine öffentliche Dienste leistende
Person gezahlt. Zu den öffentlichen Diensten im Sinne der
Vorschrift gehört neben der Ausübung einer eigentlichen
hoheitlichen Tätigkeit auch eine Tätigkeit im
Gesamtbereich der hoheitlichen Verwaltung einschließlich der
schlichten Hoheitsverwaltung (vgl. BFH-Urteil vom 27.08.2013 - VIII
R 34/11, BFHE 242, 393, BStBl II 2014, 248 = SIS 13 31 10, Rz 24,
m.w.N.). Hierzu zählt auch die Tätigkeit als
Präsident der X (zur Aufwandsentschädigung eines
Handwerkskammerpräsidenten s. BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII
R 72/03, BFH/NV 2005, 29 = SIS 05 03 97). Auch dies ist zwischen
den Beteiligten nicht streitig.
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c) Entgegen der Auffassung des FG
übersteigen die Aufwandsentschädigungen in Höhe von
jeweils … EUR den steuerfrei ersetzbaren Aufwand im Sinne
von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht und sind in voller Höhe
steuerfrei. Es handelt sich auch nicht um Entschädigungen
für Verdienstausfall oder für Zeitverlust.
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aa) Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind
Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus
öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht
festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder
Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem
Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Der BFH
hat die Vorschrift verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass
die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist,
die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären
(vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2006 - VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl
II 2007, 308 = SIS 07 00 40, unter II.2., m.w.N.). Hieran ist
festzuhalten.
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bb) Da die Steuerfreiheit nur dann nicht
gewährt wird, wenn der tatsächliche Aufwand
„offenbar“ geringer ist als die
Entschädigung, ist eine genaue Berechnung im Einzelfall
grundsätzlich entbehrlich. Bei der Nachprüfung ist nicht
kleinlich zu verfahren; dem Empfänger soll ein ins Einzelne
gehender Nachweis grundsätzlich nicht zugemutet werden (vgl.
BFH-Urteil vom 15.11.2007 - VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767 = SIS 08 17 35, unter II.2.b cc, m.w.N.). Die Prüfung erstreckt sich
nicht darauf, welche Aufwendungen dem einzelnen Steuerpflichtigen
erwachsen sind, sondern darauf, ob Personen in gleicher
dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen etwa
in Höhe der Aufwandsentschädigung erwachsen. Die obersten
Finanzbehörden der Länder können zur
Arbeitsvereinfachung und Gleichbehandlung der Betroffenen in
geeigneter Form und im Zusammenwirken mit den obersten
Aufsichtsbehörden der in Betracht kommenden öffentlichen
Kassen allgemein Sätze festlegen, die bei den einzelnen
Gruppen als echte Aufwandsentschädigungen anzuerkennen sind.
Soweit die obersten Finanzbehörden keine solchen
fallgruppenbezogenen Einzelanweisungen erteilt haben, sind die
nachgeordneten Finanzbehörden gehalten, nach den jeweils
gültigen Lohnsteuer-Richtlinien R 3.12 LStR zu verfahren (vgl.
BFH-Beschluss vom 13.10.2006 - XI B 129/05, BFH/NV 2007, 43 = SIS 06 48 15, unter 1., m.w.N.). Auf dieser Grundlage haben das FA und
das FG Teilbeträge der Aufwandsentschädigungen als
steuerfrei angesehen, die sich aus den Beträgen nach den
Lohnsteuer-Richtlinien ergeben, weil es sich insoweit um den Ersatz
der selbst getragenen Fahrtkosten des Beigeladenen gehandelt hat.
Dies ist nicht zu beanstanden.
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cc) Oberhalb der von den
Verwaltungsbehörden und in den Lohnsteuer-Richtlinien
festgelegten Beträge kann der Steuerpflichtige darlegen und
nachweisen, dass die ihm gewährte Aufwandsentschädigung
in nicht ausreichendem Umfang als steuerfreie
Aufwandsentschädigung anerkannt worden ist (vgl. BFH-Urteil
vom 09.07.1992 - IV R 7/91, BFHE 169, 144, BStBl II 1993, 50 = SIS 92 23 36, unter 4., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 13.10.2006 - XI B
129/05, BFH/NV 2007, 43 = SIS 06 48 15, unter 1., m.w.N.). Eine
betragsmäßige Obergrenze enthält § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG nicht. Dies hat das FG zwar berücksichtigt. Es hat
jedoch die laufenden Gesamthandsaufwendungen zum Unterhalt der
Sozietät nicht als steuerfrei ersetzbare Betriebsausgaben
angesehen, weil es sich um keine unmittelbar durch die
ehrenamtliche Tätigkeit veranlassten Aufwendungen und damit um
„Sowieso-Kosten“ gehandelt habe. Dies
hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
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30
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aaa) Das FG hat verkannt, dass auch die
Betriebsausgaben im Gesamthandsvermögen der Klägerin
durch die ehrenamtliche Tätigkeit in hinreichender Weise
veranlasst sind und daher Gegenstand einer nach § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG steuerfreien Aufwandsentschädigung sein
können.
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Der erkennende Senat hat im Urteil vom
29.09.2020 - VIII R 5/18 (n.v.) dargelegt, dass die
Aufwandsentschädigung, die ein Mitunternehmer als
Präsident einer Berufskammer erzielt, durch dessen
mitunternehmerische Tätigkeit veranlasst ist und bei
unmittelbarer Auszahlung an den Mitunternehmer zu dessen
Sonderbetriebseinnahmen gehört (BFH-Urteil vom 15.06.2004 -
VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29 = SIS 05 03 97, unter II.1. und
II.2.; zur betrieblichen Veranlassung von
Aufwandsentschädigungen, die ein gewerblicher
Einzelunternehmer für die ehrenamtliche Tätigkeit als
Präsident einer Berufskammer erhält, auch das BFH-Urteil
vom 26.02.1988 - III R 241/84, BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615 =
SIS 88 12 15). Die Zuordnung der Aufwandsentschädigung zu den
Sonderbetriebseinnahmen beruht auf der typisierenden Annahme, dass
der ehrenamtlich Tätige seine Arbeitskraft und Arbeitszeit
ansonsten der mitunternehmerischen Tätigkeit widmen würde
und die Aufwandsentschädigung diejenigen Nachteile und
Einnahmenausfälle der Mitunternehmerschaft ausgleichen soll,
die aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Mitunternehmers
erwachsen (BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005,
29 = SIS 05 03 97, unter II.2.b). Steht die
Aufwandsentschädigung danach wirtschaftlich betrachtet der
Mitunternehmerschaft zu, wären bei Zahlung der
Entschädigung an diese und deren Weiterleitung an den
Mitunternehmer für die Ausübung der Tätigkeit im
Dienste der Gesellschaft bei der Mitunternehmerschaft eine Einnahme
und eine Betriebsausgabe sowie beim Mitunternehmer eine
Sondervergütung zu erfassen. Bei unmittelbarer
(abgekürzter) Zahlung des Dritten an den ehrenamtlich
tätigen Mitunternehmer - ohne Durchleitung durch die
Mitunternehmerschaft - ist nur eine Sonderbetriebseinnahme des
ehrenamtlich tätigen Mitunternehmers zu erfassen. Diese tritt
an die Stelle der von der Gesellschaft gewährten
Sondervergütung (BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03,
BFH/NV 2005, 29 = SIS 05 03 97, unter II.2.a; Gschwendtner, DStR
2005, 771, 773).
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32
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Auch die laufenden Aufwendungen des
Gesamthandsvermögens zum Unterhalt einer Freiberuflerpraxis
sind damit hinreichend durch die ehrenamtliche Tätigkeit
veranlasst (s.a. BFH-Urteil vom 26.02.1988 - III R 241/84, BFHE
153, 33, BStBl II 1988, 615 = SIS 88 12 15, unter 2.; zitiert im
BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29 = SIS 05 03 97, unter II.2.b). Die Mitveranlassung dieser Aufwendungen durch
die Ausübung des Ehrenamts ist die Kehrseite des Umstands,
dass die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit
Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit der
Mitunternehmerschaft sind und je nach Auszahlungsform zu
Betriebseinnahmen der Gesamthand oder zu Sonderbetriebseinnahmen
eines Mitunternehmers führen. Das Ehrenamt ist Ausfluss der
Ausübung des freien Berufs. Es wird zwar nicht deshalb
übernommen, um die Einnahmen aus dem freien Beruf zu steigern.
Es genügt aber insofern eine Mitveranlassung durch die
Ausübung des freien Berufs. Wenn aber die Einnahmen aus der
ehrenamtlichen Tätigkeit durch die Ausübung des freien
Berufs veranlasst sind, kann nicht auf Ebene der Aufwendungen
zwischen Aufwendungen für die generelle Ausübung der
freiberuflichen Tätigkeit und solchen für die
Ausübung des Ehrenamts unterschieden werden.
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33
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Hinzu tritt, dass § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
grundsätzlich der Vereinfachung dient (vgl. BFH-Urteil vom
20.12.1972 - VI R 309/68, BFHE 108, 171, BStBl II 1973, 401 = SIS 73 02 02). Eine Abgrenzung von Aufwendungen auf Ebene der
Gesamthand nach verschiedenen Veranlassungsgraden würde auch
im Rahmen des Nachweises höherer als der üblichen
Aufwendungen von ehrenamtlich Tätigen mit vergleichbarer
Stellung diesem Grundgedanken der Regelung widerstreiten.
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34
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Selbst wenn man im Fall der Erfassung der
Aufwandsentschädigung als Sonderbetriebseinnahme allein auf
die vom Beigeladenen unmittelbar getragenen Aufwendungen und
für die auf Ebene der Klägerin getragenen Aufwendungen
nur auf die vom Beigeladenen anteilig getragenen Aufwendungen
abstellen würde, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Es
würden durch die gewährten Aufwandsentschädigungen
ausschließlich dem Beigeladenen erwachsene Aufwendungen
ersetzt. Ihm sind neben den selbst getragenen Fahrtkosten anteilig
getragene höhere Gesamthandsaufwendungen (für 2012: 24
Tage x … EUR und für 2013: 21 Tage x … EUR)
entstanden.
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bbb) Die Entschädigungen wurden nach den
bindenden Feststellungen des FG nach § 14 Abs. 1 der Satzung
auch „als Aufwandsentschädigungen“
gezahlt.
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Es ist für die Abgrenzung von
steuerfreien Aufwandsentschädigungen einerseits und
steuerpflichtigen Verdienstausfallentschädigungen sowie
Entschädigungen für Zeitverlust andererseits die
Rechtsgrundlage maßgeblich, auf der die Gewährung der
Entschädigung beruht (vgl. BFH-Urteile vom 31.01.2017 - IX R
10/16, BFHE 256, 250, BStBl II 2018, 571 = SIS 17 04 08, Rz 18, 21;
vom 03.07.2018 - VIII R 28/15, BFHE 261, 537, BStBl II 2018, 715 =
SIS 18 12 63, Rz 25). § 14 Abs. 1 Satz 1 der Satzung
gewährte nach seinem Wortlaut Aufwandsentschädigungen und
knüpfte auch hinsichtlich der Berechnung der
Entschädigung nicht an einen dem Beigeladenen oder der
Gesellschaft entgangenen Gewinn wie bei einer
Verdienstausfallentschädigung an. Durch § 14 Abs. 1 der
Satzung sollten neben den antragsgebunden zu ersetzenden
Aufwendungen (§ 14 Abs. 3 der Satzung) weitere nicht
näher konkretisierte Aufwendungen für die Ausübung
der ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident ersetzt
werden.
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3. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist
stattzugeben. Die als Sonderbetriebseinnahmen erfassten
Einkünfte aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des
Beigeladenen als Präsident der X sind nach § 3 Nr. 12
Satz 2 EStG in voller Höhe steuerfrei. Insoweit sind diese in
Höhe von 0 EUR festzustellen.
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4. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die
Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des
Beigeladenen, soweit sie auf die ehrenamtliche Tätigkeit
entfallen. Mangels Mitanfechtung der Feststellung zur Höhe des
laufenden Gesamthandsgewinns hat der Senat nicht zu entscheiden, ob
die Gesamthandsaufwendungen der Klägerin gemäß
§ 3c Abs. 1 EStG nur oberhalb des Betrags der
Aufwandsentschädigung abzugsfähig und daher die
festgestellten Gesamthandsgewinne für die Streitjahre durch
eine Hinzurechnung zu erhöhen sind, soweit sie nicht auf die
steuerfrei ersetzten Fahrtkosten des Beigeladenen entfallen
(zur Bedeutung der
Zweckbestimmung und Rechtsgrundlage der Entschädigung im
Rahmen des § 3c Abs. 1 EStG vgl. BFH-Urteile vom 19.10.2016 -
VI R 23/15, BFHE 255, 524, BStBl II 2017, 345 = SIS 16 26 28, Rz 12
bis 15; vom 29.09.2022 - VI R 34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023,
142 = SIS 22 18 89, Rz 28; vom 09.06.1989 - VI R 33/86, BFHE 157,
526, BStBl II 1990, 119 = SIS 89 22 49, unter II.2.b).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO. Etwaige außergerichtliche Kosten des
Beigeladenen waren nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten
(§ 139 Abs. 4 FGO), denn dieser hat weder Sachanträge
gestellt noch anderweitig das Verfahren wesentlich
gefördert.
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