Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 05.07.2022 - 1
K 395/14 = SIS 22 16 61 aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen
wurde.
Die Bescheide für 2005, 2006, 2007 und
2008 über Körperschaftsteuer, jeweils vom 13.02.2013 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2014, werden
dahingehend geändert, dass keine verdeckten
Gewinnausschüttungen wegen der aufgrund des
Ergebnisabführungsvertrags erfolgten Gewinnabführungen
angesetzt werden.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine in Liquidation
befindliche GmbH, schloss im Jahr 1991 mit der … GmbH & Co.
KG (KG), die sämtliche Anteile der Klägerin hielt, einen
Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Danach
unterstellte sich die Geschäftsführung der Klägerin
der insoweit weisungsberechtigten KG. Die Klägerin
verpflichtete sich, ihr gesamtes, nach den maßgeblichen
handelsrechtlichen Vorschriften ermittelte Ergebnis an die KG
abzuführen.
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Im Jahr 1992 beteiligte sich die KG am
Betrieb der Klägerin als stille Gesellschafterin mit einer
Kapitaleinlage. Nach dem Vertrag stand die Führung der
Geschäfte allein der Klägerin zu, die stille
Gesellschafterin war an deren Entscheidungen entsprechend der
gesetzlichen Vorschriften für einen Kommanditisten beteiligt.
Am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der Klägerin war
die KG mit 10 % beteiligt, ebenso an den stillen Reserven im Falle
einer Auflösung der stillen Gesellschaft.
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Die Klägerin und der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) gingen übereinstimmend
davon aus, dass durch den Vertrag eine steuerrechtliche
Mitunternehmerschaft in Gestalt einer atypisch stillen Gesellschaft
(im Folgenden: Mitunternehmerschaft) entstanden war. Für diese
Mitunternehmerschaft wurden für die Jahre 2005 bis 2008
(Streitjahre) Feststellungserklärungen abgegeben und es
ergingen jeweils Feststellungsbescheide.
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Die KG wurde nach mehreren
Umstrukturierungen zunächst in die … AG und später
in die … GmbH umgewandelt. Nach dem Streitzeitraum wurde die
Klägerin aufgelöst. Während des andauernden
Liquidationsverfahrens wurde sowohl der Vertrag über die
Errichtung der atypisch stillen Gesellschaft als auch der EAV
beendet.
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In den Jahresabschlüssen der
Streitjahre behandelte die Klägerin die Einlagen der stillen
Gesellschafterin als Eigenkapital. In den Gewinn- und
Verlustrechnungen wurden jeweils das Jahresergebnis vor
Ergebnisabführung, der aufgrund des EAV abgeführte Gewinn
(90 % des Jahresergebnisses) und die Ergebniszurechnung an die KG
als stille Gesellschafterin (10 % des Jahresergebnisses)
ausgewiesen.
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Die Klägerin wurde zunächst
antragsgemäß zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die
Bescheide für die Streitjahre standen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Nach einer Außenprüfung
änderte das FA die Festsetzungen der Jahre 2004 bis 2008 unter
Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe
der jeweiligen Gewinnabführung. Es schloss sich hierbei der
bereits von der Außenprüfung vertretenen Auffassung an,
dass die Voraussetzungen für eine
körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht vorgelegen
hätten, weil eine GmbH, an der eine atypisch stille
Beteiligung bestehe, nicht Organgesellschaft sein
könne.
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Die nach erfolglosem Einspruch erhobene
Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG)
Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 05.07.2022 - 1 K 395/14
(EFG 2022, 1942 = SIS 22 16 61) davon ausging, dass eine
Änderung des für 2004 ergangenen
Körperschaftsteuerbescheids aus verfahrensrechtlichen
Gründen (Verjährung) ausscheide. Im Übrigen wies es
die Klage ab. Die Organschaft sei nicht anzuerkennen, weil in Folge
der atypisch stillen Beteiligung nicht der „ganze
Gewinn“ an den vermeintlichen Organträger
abgeführt worden sei.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision. Sie rügt im Umfang der Klageabweisung die
Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil der
Vorinstanz aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide
für 2005 bis 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 15.10.2014 dahingehend zu ändern, dass keine vGA wegen der
aufgrund des EAV erfolgten Gewinnabführungen angesetzt
werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Das dem Revisionsverfahren nach § 122
Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt. In
der Sache folgt es der Argumentation im angegriffenen
FG-Urteil.
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II. Die Revision ist begründet; das
Urteil der Vorinstanz ist, soweit die Klage abgewiesen wurde, unter
Klagestattgabe aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das
FG hat zu Unrecht dahin erkannt, dass in den Streitjahren zwischen
der Klägerin und der KG eine körperschaftsteuerrechtliche
Organschaft nicht bestanden hat.
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1. Verpflichtet sich eine Europäische
Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf
Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland
(Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im
Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG), ihren ganzen
Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen
abzuführen, so ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre
geltenden Fassung (KStG) das Einkommen der Organgesellschaft,
soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem
Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn
die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KStG
erfüllt sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG gilt das
entsprechend, wenn sich eine andere Kapitalgesellschaft -
insbesondere eine GmbH - mit Geschäftsleitung und Sitz im
Inland wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn im Sinne des
§ 14 KStG abzuführen.
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2. Ob der gesetzlich geforderten Verpflichtung
zur Abführung des „ganzen Gewinns“
auch dann entsprochen wird, wenn an der Organgesellschaft eine
atypisch stille Beteiligung besteht, die mit einer Gewinnzuweisung
an den Gesellschafter (Mitunternehmer) verbunden ist, wird in
Finanzgerichtsrechtsprechung, Literatur und von Verwaltungsseite
unterschiedlich beurteilt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner
Rechtsprechung die Streitfrage noch nicht abschließend
beantwortet; für die im Rahmen von
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangenen Senatsbeschlüsse
vom 31.03.2011 - I B 177/10 (BFH/NV 2011, 1397 = SIS 11 23 81) und
vom 11.08.2011 - I B 179/10 (BFH/NV 2011, 2052 = SIS 11 36 53) war
die Streitfrage für die dort zu treffende Entscheidung
über die Revisionszulassung nicht entscheidungserheblich (s.a.
Witt in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz
7.55).
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a) Während in der finanzgerichtlichen
Rechtsprechung übereinstimmend davon ausgegangen wird, dass
eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft der
Anerkennung der Organschaft entgegensteht (vgl. neben der
Vorinstanz Urteil des FG Hamburg vom 26.10.2010 - 2 K 312/09, GmbHR
2011, 329 = SIS 11 03 93 und Urteil des FG Düsseldorf vom
12.04.2021 - 6 K 2616/17 K,G,F, EFG 2021, 1052 = SIS 21 09 60,
Revision I R 17/21 erledigt mit Urteil vom 11.12.2024, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt), gehen die Meinungen in
der Literatur auseinander.
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b) aa) Der überwiegende Teil des
Schrifttums geht davon aus, dass auch bei Bestehen einer atypisch
stillen Beteiligung an der Organgesellschaft der „ganze
Gewinn“ abgeführt wird (Brink in
Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 342a; Neumann
in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 317; Brandis/Heuermann/Rode,
§ 14 KStG Rz 48; Rödder/Liekenbrock in
Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 123;
Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 Rz 586; Hierstätter in
Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 23.100; G.
Wagner, ebenda, Rz 4.26; Breuninger, Jahrbuch der Fachanwälte
für Steuerrecht - JbFSt - 2016/2017, 148, 164;
Brühl/Weiss, Die Unternehmensbesteuerung 2020, 715, 721;
Hageböke, DB 2015, 1993; Hageböke, Der Konzern 2013, 334,
344; Hölzer, FR 2015, 1065, 1068 f.; Ismer, GmbHR 2011, 968,
972; Kleinheisterkamp, JbFSt 2015/2016, 561, 568; Priester in
Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel [Hrsg.], Steuer- und
Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl,
Festschrift für Arndt Raupach, 2006, S. 391, 403; L.
Schmidt/Werner, GmbHR 2010, 29, 31 f.; Suchanek, GmbHR 2015, 1031,
1033; Weigert/Strohm, Der Konzern 2013, 249, 251). Das wird zumeist
mit einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise begründet, die in
§ 14 Abs. 1 KStG angelegt sei. Denn die dort erwähnte
Gewinnabführung sei nach zivilrechtlichen Maßstäben
zu bestimmen. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss der
Organgesellschaft werde die Gewinnbeteiligung des (atypisch)
stillen Gesellschafters als Aufwand bilanziert. Der nach
Aufwandsabzug ausgewiesene Gewinn sei der „ganze
Gewinn“, der der Abführungspflicht
unterliege. Zudem folge die
„Unschädlichkeit“ einer atypisch
stillen Beteiligung auch aus deren ertragsteuerrechtlichen
Qualifizierung als Mitunternehmerschaft. Die Organgesellschaft
erhalte aus dieser „vorgelagerten“
Mitunternehmerschaft ihren Gewinn(-anteil), der sodann
vollständig der Abführung unterliege. Auch Beteiligungen
der Organgesellschaft an Mitunternehmerschaften auf der Grundlage
einer Kommanditgesellschaft seien nach allgemeiner Auffassung
„organschaftsunschädlich“, weil
auch insoweit der zugerechnete Gewinnanteil abgeführt
werde.
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bb) Die Gegenauffassung (z.B. Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
§ 14 KStG Rz 87 und 175; Frotscher in Frotscher/Drüen,
KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 200 f., 204; Kolbe in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 204; Müller in
Müller/Detmering/Lieber, Die Organschaft, 11. Aufl., Rz 30;
Herkens in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 8.104;
Berninger, DB 2004, 297, 299; Brinkmann, Steuerliche
Betriebsprüfung 2015, 277, 278 ff.; Schmich, GmbHR 2008, 464,
469; Schulze zur Wiesche, DStZ 2013, 621, 624) geht - mit
unterschiedlichen Begründungen - davon aus, dass eine atypisch
stille Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft
„organschaftsschädlich“ ist.
Abgestellt wird auf die zivilrechtliche Einordnung einer (atypisch)
stillen Beteiligung an der (vermeintlichen) Organgesellschaft als
Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr.
2 AktG, was dem Abschluss eines auf Vollgewinnabführung
gerichteten Vertrags entgegenstehe.
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c) Die Finanzverwaltung vertritt die
Auffassung, dass eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch
stille Beteiligung besteht, keine Organgesellschaft sein kann
(BMF-Schreiben vom 20.08.2015, BStBl I 2015, 649 = SIS 15 18 87;
Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 01.02.2023, DStR 2023,
776 = SIS 15 18 87).
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3. Der Senat schließt sich der zuerst
angeführten Literaturauffassung (s. zu II.2.b aa) an.
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a) Der von § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG
vorausgesetzte Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags im
Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, zu dem es im Streitfall
unstreitig gekommen ist, verweist auf das Zivilrecht. § 291
Abs. 1 Satz 1 AktG definiert als Unternehmensvertrag einen Vertrag,
durch den sich eine Aktiengesellschaft verpflichtet, ihren ganzen
Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen
(Gewinnabführungsvertrag). Der Steuergesetzgeber hat in einer
Art Doppelung die sich bereits aus dem Zivilrecht ergebende
Verpflichtung zur Abführung des ganzen Gewinns
ausdrücklich (und damit: noch einmal) tatbestandlich in §
14 Abs. 1 Satz 1 KStG verankert. Damit hat er (jedenfalls) zum
Ausdruck gebracht, dass andere Typen von Unternehmensverträgen
(z.B. der Beherrschungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1
Satz 1 Alternative 1 AktG, die Gewinngemeinschaft gemäß
§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG) oder Unternehmensverträge, durch
die sich die Aktiengesellschaft verpflichtet, einen Teil ihres
Gewinns an einen anderen abzuführen
(Teilgewinnabführungsvertrag gemäß § 292 Abs.
1 Nr. 2 AktG), keine ertragsteuerrechtliche Organschaft
begründen können.
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b) Aus der tatbestandlichen Bezugnahme auf
einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1
AktG folgt nach der Senatsrechtsprechung eine zivilrechtliche
Betrachtungsweise. Eine ertragsteuerrechtliche Organschaft setzt
voraus, dass der genannte Vertrag nach den Maßstäben des
Zivilrechts wirksam abgeschlossen wird (z.B. Senatsurteil vom
23.08.2017 - I R 80/15, BFHE 259, 405, BStBl II 2018, 141 = SIS 17 22 41) und die zivilrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag
erfüllt werden (tatsächliche Vertragsdurchführung,
vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Deshalb ist
Gegenstand der Abführungsverpflichtung - auch für
steuerrechtliche Zwecke - der Jahresüberschuss im Sinne des
§ 301 Satz 1 AktG (vgl. § 275 Abs. 2 Nr. 17 und Abs. 3
Nr. 16 des Handelsgesetzbuchs) und nicht der steuerrechtlich
ermittelte Gewinn (z.B. Senatsurteil vom 18.12.2002 - I R 51/01,
BFHE 201, 221, BStBl II 2005, 49 = SIS 03 16 82; Senatsbeschluss
vom 06.06.2013 - I R 38/11, BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398 = SIS 13 23 38; s.a. Herlinghaus in Hüttemann/Schön,
Unternehmenssteuerrecht, Rz 7.48). Aus der Maßgeblichkeit des
handelsrechtlichen Jahresüberschusses folgt, dass auch die
Gewinnermittlung im Einzelnen handelsrechtlichen Vorgaben zu folgen
hat. Denn wenn den handelsrechtlichen Gewinnermittlungsregeln nicht
gefolgt wird, führt das zu einem vom Handelsrecht abweichenden
Jahresergebnis und zu einer
„Nichterfüllbarkeit“ der Pflichten
aus dem abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag.
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Diese Maßgeblichkeit der
handelsrechtlichen Gewinnermittlung hat zur Folge, dass der
Gewinnanteil des (atypisch) still Beteiligten als Aufwand
(Abführungsverpflichtung aus einem
Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr.
2 AktG) zu erfassen ist, der den abzuführenden
Jahresüberschuss mindert (s. z.B. Hageböke, DB 2015,
1993; derselbe, Der Konzern 2013, 334, 341; Hierstätter in
Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Aufl., Rz 23.100; G.
Wagner, ebenda, Rz 4.26; Kleinheisterkamp, JbFSt 2015/2016, 561; L.
Schmidt/Werner, GmbHR 2010, 29, 31 f.; Suchanek, GmbHR 2015, 1031,
1033; vgl. auch das zum Teilgewinnabführungsvertrag einer
abführungsverpflichteten GmbH ergangene Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16.07.2019 - II ZR 175/18, BGHZ 223,
13 = SIS 20 03 56, Rz 24 und zur fehlenden handelsbilanziellen
Relevanz der steuerrechtlichen Qualifizierung einer stillen
Beteiligung als atypisch Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar
Bilanzierung, 13. Aufl., § 246 HGB Rz 432). Dieses
(geminderte) Jahresergebnis stellt sodann den „ganzen
Gewinn“ im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1
AktG dar, der handels- und in der Folge auch steuerrechtlich
abzuführen ist.
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c) Die zivilrechtliche Qualifikation einer
(atypisch) stillen Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag
im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG steht auf der Grundlage
der im Gesetz angelegten zivilrechtlichen Betrachtungsweise der von
§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG geforderten Abführung des
„ganzen Gewinns“ nicht entgegen.
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aa) Im Zivilrecht werden (atypisch) stille
Beteiligungen an einer AG als
Teilgewinnabführungsverträge im Sinne des § 292 Abs.
1 Nr. 2 AktG qualifiziert (BGH-Urteil vom 21.07.2003 - II ZR
109/02, BGHZ 156, 38; s.a. - dort auch zur Abgrenzung atypisch
stiller Beteiligungen gegenüber dem Beherrschungsvertrag -
Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 292 Rz 24
und 25; MüKoAktG/Altmeppen, 6. Aufl., § 291 Rz 65 bis
67). Auch entsprechende Beteiligungen an einer GmbH stellen
Teilgewinnabführungsverträge dar. Sie müssen aber
nur dann die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen in
entsprechender Anwendung der §§ 291 ff. AktG
erfüllen, wenn sie satzungsüberlagernde Wirkung haben
(vgl. BGH-Urteil vom 16.07.2019 - II ZR 175/18, BGHZ 223, 13 = SIS 20 03 56, auch zum Streitstand im Zivilrecht; Beschluss des
Kammergerichts Berlin vom 24.03.2014 - 12 W 43/12, GmbHR 2014,
756).
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25
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bb) Aus der in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG
enthaltenen Formulierung „Gewinnabführungsvertrag im
Sinne des § 291 Abs. 1 AktG“ kann
entgegen der Auffassung des BMF nicht geschlossen werden, dass es
als unvereinbar anzusehen ist, wenn neben einem
Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG
auch ein Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292
Abs. 1 Nr. 2 AktG besteht.
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aaa) Mit der Ende der 1960er Jahre
eingefügten ausdrücklichen Bezugnahme auf den
Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 AktG hat der
historische Steuergesetzgeber auf die kurz zuvor in Kraft getretene
Reform des Aktienrechts reagiert, die erstmalig den Typus des
Gewinnabführungsvertrags in § 291 AktG 1965
eigenständig geregelt hatte. Das zuvor geltende Aktiengesetz
1937 fasste in seinem § 256 unter der Überschrift
„Gewinngemeinschaft“ ohne nähere
Differenzierung verschiedene Vertragstypen zusammen (vgl.
MüKoAktG/Altmeppen, 6. Aufl., Einl. §§ 291 ff. Rz 10
ff.). In der früheren Rechtspraxis wurden auf der Grundlage
richterrechtlich entwickelter Vorgaben Gewinnabführungs- oder
sogenannte Organschaftsverträge abgeschlossen, um die
Voraussetzungen für eine ertragsteuerrechtliche Organschaft zu
schaffen (vgl. Gutachten des BFH vom 27.11.1956 - I D 1/56 S, BFHE
64, 368, BStBl III 1957, 139 = SIS 57 00 99). Der Steuergesetzgeber
stellte vor diesem Hintergrund mit § 7a Abs. 1 Satz 1 KStG
1969 klar, dass weiterhin ein Gewinnabführungsvertrag
abgeschlossen werden, es sich in Zukunft aber um einen solchen im
Sinne des § 291 AktG handeln müsse (vgl. BT-Drucks.
V/3017, S. 8).
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bbb) Teilgewinnabführungsverträge
mit einer abführungsverpflichteten GmbH begründen nach
der Rechtsprechung des BGH in erster Linie schuldrechtliche
Ansprüche des Berechtigten (zum Beispiel des
„still“ Beteiligten) auf gewinn- und
ergebnisabhängige Zahlungen. Bei diesen Zahlungen handelt es
sich um „Geschäftsunkosten, die - wie andere
Verbindlichkeiten auch - den verteilungsfähigen (Rein-)Gewinn
der Gesellschaft mindern“ (so
ausdrücklich BGH-Urteil vom 16.07.2019 - II ZR 175/18, BGHZ
223, 13 = SIS 20 03 56, m.w.N.). Die Zahlungen aufgrund des
Teilgewinnabführungsvertrags als eines im Kern
schuldrechtlichen Austauschvertrags (so die überwiegende
Auffassung im Zivilrecht, z.B. MüKoAktG/Altmeppen, 6. Aufl.,
§ 292 Rz 7, m.w.N.) betreffen somit die vorgelagerte Ebene der
Gewinnermittlung. Deshalb kann der nach Abzug dieser
„Geschäftsunkosten“ verbleibende
Gewinn als „ganzer Gewinn“ angesehen
werden, der zum Gegenstand eines auf Gesamtgewinnabführung
gerichteten Unternehmensvertrags im Sinne des § 291 Abs. 1
Satz 1 AktG gemacht wird (Priester in
Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel [Hrsg.], Steuer- und
Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl,
Festschrift für Arndt Raupach, 2006, S. 391; s.a. L.
Schmidt/Werner, GmbHR 2010, 29; Ismer, GmbHR 2011, 968;
Hölzer, FR 2015, 1065).
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ccc) Die Literaturauffassung, die aus der
zivilrechtlichen Qualifizierung der (atypisch) stillen Beteiligung
als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1
Nr. 2 AktG die Folgerung zieht, dass mit dem parallelen Abschluss
eines Gewinnabführungsvertrags im Sinne des § 291 Abs. 1
Satz 1 AktG nicht mehr der „ganze
Gewinn“ abgeführt wird/werden kann (z.B.
Berninger, DB 2004, 297), überzeugt auf dieser Grundlage
nicht. Sie steht auch im Wertungswiderspruch zu der im
Ertragsteuerrecht nahezu einhellig vertretenen Auffassung, dass
Zahlungen der abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft an den
an ihr typisch still beteiligten Gesellschafter als Betriebsausgabe
zu behandeln sind, als solche den Gewinn mindern und der hiernach
verbleibende Gewinn als der „ganze
Gewinn“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1
KStG zu betrachten ist. Es wird also die stille Beteiligung an der
abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft steuerrechtlich
nicht als „organschaftsschädlich“
betrachtet (vgl. z.B. Kleinheisterkamp, JbFSt 2015/2016, 561;
Schulze zur Wiesche, DStZ 2013, 621, 624; Dötsch/Pung in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
§ 14 KStG Rz 79; Schmich, GmbHR 2008, 464; a.A. wohl
Berninger, DB 2004, 297), obgleich sie zivilrechtlich nicht anders
als eine atypisch stille Beteiligung als
Teilgewinnabführungsvertrag qualifiziert wird.
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d) Die Senatsurteile vom 04.03.2009 - I R 1/08
(BFHE 225, 312, BStBl II 2010, 407 = SIS 09 26 31) und vom
10.05.2017 - I R 93/15 (BFHE 259, 49, BStBl II 2019, 278 = SIS 17 20 03) stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar hat der Senat
dort dahin erkannt, dass die für die Anerkennung einer
Organschaft unabdingbare Anforderung einer
vereinbarungsgemäßen und tatsächlich
durchgeführten Abführung des „ganzen
Gewinns“ eigenständig anhand der
steuerrechtlichen Regelungszwecke und Sachgesetzlichkeiten zu
bestimmen sei. Jedoch bezogen sich diese Ausführungen
ersichtlich auf die konkret zu entscheidende Problematik der
Anerkennung von variablen Ausgleichszahlungen im Sinne des §
16 KStG an außenstehende Gesellschafter und dabei auf die
Frage, ob eine „freie“ und vom
Steuerrecht grundsätzlich zu akzeptierende Festlegung von
Ausgleichszahlungen zulässig oder dies mit der Verpflichtung
zur Abführung des „ganzen Gewinns“
unvereinbar ist. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall
sowohl im Sachverhalt als auch in der rechtlichen Problematik
erheblich von der damaligen Konstellation. Denn während es bei
den Ausgleichszahlungen um die Verteilung des gesamten Gewinns auf
mehrere Gesellschafter geht, zeichnet sich der Streitfall durch ein
Stufenverhältnis mit der Gewinnbeteiligung des (atypisch)
still Beteiligten auf der ersten und der Abführung des
gesamten verbleibenden Gewinns mittels eines
Gewinnabführungsvertrags auf einer zweiten Stufe aus.
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4. Da die atypisch stille Beteiligung an der
Klägerin der Abführung des „ganzen
Gewinns“ auf der Grundlage des bestehenden
Gewinnabführungsvertrags nicht entgegensteht und die
übrigen Voraussetzungen der Organschaft erfüllt sind, was
auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, war der Klage
auch für die Streitjahre stattzugeben.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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